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Das kostspielige Ohr am Internet

Was lange währt, wird manchmal trotzdem nicht gut - So könnte man in Verkehrung eines alten Sprichworts angesichts der erweiterten Überwachungsbefugnisse in Deutschland sagen. Über vier Jahre und in unterschiedlichster politischer Zusammensetzung diskutierten und stritten Regierung und Parlament über die so genannte Telekommunikations-Überwachungsverordnung diskutiert. Herausgekommen ist dabei ein Paragraphenwerk, das mehr Fragen offen lässt als es beantwortet.

Achim Killer |
    Seit ein paar Tagen ist in Deutschland die Überwachung der Telekommunikation - juristisch gesehen - wieder auf dem neusten Stand der Technik und der wirtschaftlichen Entwicklung. Die gleichnamige Verordnung war nötig geworden, weil der Telekommunikationssektor mittlerweile privatisiert ist und weil ständig neue Datendienste aufkommen, bei denen anfangs völlig ungeklärt ist, wann und wie Polizei und Staatsanwaltschaft darauf zugreifen dürfen. Das alles ist jetzt juristisch korrekt in 31 Paragraphen geregelt. Und damit geht auch eine über vier Jahre dauernde, mitunter sehr eigentümliche Debatte zuende. Diskutiert wurde nämlich in jüngster Zeit weniger darüber, wie umfassend der Zugriffs des Staats sein darf, sondern vielmehr darüber, wer die Kosten dafür zu tragen hat. "Wer einen Überwachungsstaat will, soll ihn auch selbst bezahlen", so brachte der Geschäftsführer des Branchenverbandes "eco", Harald Summa, vor einigen Monaten aus seiner sehr eigenen Sichtweise diese doch etwas verquere Auseinandersetzung auf den Punkt. Indes, es kam anders: Die Telekommunikationsunternehmen und Internet-Service-Provider müssen die Kosten für die zur Überwachung notwendige Hard- und Software jetzt doch selbst tragen.

    Dass dieser Weg in der Praxis gangbar ist, belegt das benachbarte Ausland, wo ähnliche Diskussionen geführt worden waren. Hans Lehmans vom Verband der niederländischen ISPs: "Wir haben gesagt, es gibt nur eine Lösung, nämlich das Gerät gemeinsam zu nutzen. Deshalb erledigen es die großen Betreiber selbst, und die mittleren und kleinen ISPs können die Geräte einer Einrichtung nutzen, die eigens zu diesem Zweck gegründet wurde." Ähnlich läuft es Großbritannien. Auch dort zahlen die ISPs das Überwachungsgerät, wobei der Staat insgesamt ein paar Millionen Pfund zuschießt. Und lediglich in Frankreich kommt die Regierung vollständig für die Kosten auf. Jean-Christophe Le Toquin vom Verband der französischen ISPs: "Wir haben eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, dass der Staat für Maßnahmen dieser Art bezahlen muss."

    Über die heiß diskutierte Kostenfrage geriet allerdings in den Hintergrund, ob es überhaupt irgendeinen Sinn machen kann, die althergebrachte Telefonüberwachung für die moderne Datenkommunikation fortzuschreiben. Schließlich lassen sich Datenströme einfach und abhörsicher verschlüsseln. Das räumt auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss ein, der als forschungspolitischer Sprecher seiner Fraktion von Anfang an der Debatte beteiligt war. Zugleich warnt er davor, aus dieser Tatsache falsche politische Schlüsse zu ziehen: "Neu in der Verordnung ist die so genannte 'strategische Überwachung'. Das heißt, bei einigen Gefahren - vor allem durch Terroristen - beschränkt sich das staatliche Abhören nicht mehr auf die Kommunikation zwischen eindeutig benannten Personen, sondern ein bestimmter Prozentsatz des Datenstroms wird dann pauschal gescannt." Es gelte zu beobachten, ob dieses Vorgehen Ergebnisse zeige, meint Jörg Tauss.