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Das Krankenhaus der Zukunft

Alle reden über die elektronische Gesundheitskarte, kaum jemand über vernetzte Kliniken. Das ist ein Fehler, denn die Digitalisierung des Gesundheitswesens bleibt ohne komplett neue Strukturen der Informationstechnik in den Krankenhäusern nur Stückwerk. Vergangene Woche hat Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt einen Neubau des Sana-Klinikums in Remscheid eingeweiht, in dem europaweit einmalig so gut wie alle Abläufe über Computernetze gesteuert werden. Das ehemalige kommunale Krankenhaus und Lehrkrankenhaus der Ruhr-Universität Bochum wurde zu großen Teilen privatisiert, hat 684 Betten und durch Vernetzung zwischen den Fachabteilungen trotzdem kurze Wege. Unterlagen auf Papier gibt es kaum noch, hier dominiert der Flachbildschirm.

Von Mirko Smiljanic | 24.05.2005
    So also sieht die Klinik von morgen aus: Großzügig, hell, die Wände in warmen, mediterranen Farben gehalten. Irgendwie erinnert der Eingangsbereich an die Lobby eines Mittelklassehotels. Wer ins Sana-Klinikum Remscheid eingewiesen wird, erlebt ein Stück digitale Krankenhauszukunft.

    " Ja, wir sind jetzt direkt an dem Aufnahmeplatz mit der entsprechenden Unterstützungshardware, die wir dafür haben, also Computerterminals, Lesegeräte und ähnliches, die dann auch unseren Mitarbeitern den Job der Patientenaufnahme so einfach wie möglich machen, weil die auf der Patientenkarte gespeicherten Daten nicht mehr extra eingegeben werden müssen. "

    Zukünftig - sagt Thomas Egbert, Pressesprecher des Sana-Klinikums - schickt der niedergelassene Arzt alle verfügbaren Patientendaten online ans Klinikum: Arztbriefe, Laborberichte, Röntgenaufnahmen. Weil das heute aus juristischen Gründen noch nicht möglich ist, werden die Daten noch per Hand eingelesen, dann aber verlässt nichts mehr das Netzwerk.

    " Wir haben hier die ganzen PCs - circa 500 - vernetzt, wir haben die Telefonanlage vernetzt mit den PCs, das heißt wir telefonieren hier über das Netzwerk im Gebäude, wir haben den Lichtruf integriert, das heißt, wenn ein Lichtruf in einem Zimmer ausgelöst wird, dann kann man das normalerweise sehen und als Klingel hören, bei uns wird dann noch automatisch das Telefon der diensthabenden Schwester aktiviert, auf dem Display sieht man dann noch, welcher Patient in welchem Zimmer den Alarm ausgelöst hat und wir haben das technische Gebäudemanagement integriert, wenn also eine Klimaanlage zum Beispiel defekt ist, wird es auch signalisiert auf diese IP-fähigen Endgeräte. "

    Michael Willmann, Informatiker im Sana-Klinikum Remscheid. 250 Sende- und Empfangseinheiten steuern die mobile Datenverarbeitung, telefoniert wird nur noch über das Wireless Voice over IP, bekannter unter dem Begriff "Internettelefonie". Voraussetzung für den Einsatz der drahtlosen Technik war deren gesundheitliche und technische Unbedenklichkeit, was der TÜV beides bestätigte. So viel neue Technik hat natürlich Einfluss auf die Arbeitsplätze der Ärzte.

    " Ja, wir sind hier in der Stationskanzel, Sie sehen hier drei Arbeitsplätze, wo sich jeder Mitarbeiter anmelden kann und die Patientendaten einsehen kann, darunter die digitalen Röntgenbilder, die ich mal kurz aufrufen kann,... "

    ...ein paar Klicks und schon öffnen sich die Listen mit den Patienten, ein paar weitere Klicks und der Mediziner hat alle verfügbaren Daten. Gleichzeitig kann er von jedem Bildschirm der Klinik aus Risikopatienten überwachen.

    " Wir haben hier drüben die Stroke-Unit, also für Schlaganfallpatienten, die permanent überwacht werden müssen. Sie sehen hier auf dem Bildschirm die Betten, wo die Patienten drin liegen, die werden mit einer WebCam übertragen, damit man schauen kann, ob es den Patienten gut oder nicht so gut geht. Früher hat man da Videogeräte genutzt und eigene Kabel gelegt, und hier haben wir das über ein eigenes Netz mit Mitteln der Internettechnologie realisiert. "

    Viel Technik, die nicht nur Verwaltungsabläufe in den Kliniken ändert, sondern jedem Kranken unmittelbar zugute kommt.

    " Wir sind hier in einem der neuen Patientenzimmer, was wir sehen ist der multimediale Arm von der Decke kommend mit zwei Multimediabildschirmen für die Patienten, an denen sie entweder im Internet surfen kommen, Premiere-Fernsehen sich anschauen können, Radio hören können und an denen sich der Arzt anmelden kann mit einer eigenen Karte, die zukünftig auch die Gesundheitskarte sein kann und dem Patienten dort am Bett die digitalen Befunde, die Bilder etc. zeigen kann. "

    Premiere sehen und Internetsurfen, ein Klinik-Aufenthalt hat auch seine angenehmen Seiten - wenn da nicht die Krankheit wäre... Konsequent umgesetzt wird in Remscheid auch das Konzept der Digitalen Visite: Wenn der Chefarzt seine Rundgänge macht, schleppt niemand mehr Akten, eine Chipkarte reicht und schon kann er alle Infos auf den Bildschirm zaubern. Das spart Zeit und Geld, außerdem sinkt die Belastung für den Patienten. Und noch etwas anderes passiert: Im Schlepptau der Digitalisierung des Gesundheitswesens geraten die Kliniken zunehmend unter Druck. Thomas Egbert.

    " Die Patienten erwarten von uns zunehmend Service. Es gibt viele Beispiele etwa aus der Geburtshilfe, dass Patienten sich sehr genau informieren, bevor sich Patienten entscheiden in welches Krankenhaus sie dann also gehen. Das ist eine Kundenorientierung, die heute schon stattfindet. Darauf müssen wir uns einstellen. "

    Und das ist auch gut so!