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Das kreative Kollektiv

Mit ihrer Rockband Mando Diao sind Gustaf Noren und Björn Dixgard seit vielen Jahren erfolgreich. Doch die beiden Schweden wollen sich musikalisch nicht festlegen und gehen mit ihrem Zweitprojekt Caligola völlig neue Wege mit unbekanntem Ziel.

Von Marcel Anders | 10.03.2012
    "Es war in New York. Ein Freund von uns hat ein paar Gemälde in einer Galerie ausgestellt. Und da waren ein paar ziemlich coole DJs und es herrschte ein netter Vibe. Eben eine richtig gute Party. Wir kamen mit anderen Leuten ins Gespräch, hatten eine tolle Zeit und wurden Freunde. Mittlerweile kennen wir viele, die sehr kreativ sind und sich in diesem Kreis bewegen, der eher privat als geheim ist."

    Denn obwohl sich Gustaf und Björn im Video zur ersten Single "Sting Of Battle" in Mönchskutten, Masken und einem Szenario wie aus "Eyes Wide Shut" präsentieren: In der Realität sind Caligola-Veranstaltungen scheinbar lockere Treffen zwischen internationalen Künstlern. 30 davon wirken auf "Back To Earth" mit. Darunter DJ Paul Van Dyk, die Jazzer Per Johanson und Nils Janson sowie Gospel-Diva La Gaylia Fraizer, mit denen sich Noren und Dixgard an die "Black Music" der 60er, 70er, 80er wagen – an Hip-Hop, Funk, Soul und Disco.

    "Mit Caligola ist es leichter, Sachen zu probieren, für die man sich ansonsten schämen würde. Oder die einem peinlich sind. Die kann man hier ungeniert ausloten. Insofern ist es einfach eine neue Art des Ausdrucks. Und bei Mando Diao haben wir fünf Farben, bei Caligola 250 oder vielleicht sogar 1000. Denn da kommen die Ideen nicht nur von Björn und mir. Was ein richtig gutes Gefühl ist."

    Im Kollektiv ist alles erlaubt, was das Rockschema von Mando Diao hoffnungslos überfrachten würde. Falsettgesang nach Bee Gees-Manier, knackige Bläsersätze, Mancini-mäßiger Violinen-Aufstrich und Momente, die an Chic, Marvin Gaye oder Sly and the Family Stone erinnern. Dazu gesellen sich Songtitel und Texte, die einen Hauch von Verfall, Gewalt und Todessehnsucht auszeichnet. Posen natürlich, aber - sagt Gustaf Noren – auch ein bisschen Therapie.

    "Wenn ihr euch die Gangster-Ghetto-Hip-Hop-Sachen aus den wirklich gefährlichen Orten der Welt anhört - wie etwa Compton - dann ist diese Musik nicht nur düster, sie hat auch etwas Optimistisches. Einfach, weil das ein Weg ist, um die eigene Dunkelheit zu meistern, und da ein bisschen Licht reinzubringen. Und Caligola versucht, die Dunkelheit aller beteiligten Künstler zu kanalisieren. Dabei entsteht Musik, die das Leben umarmt."

    Wobei: Ein weiteres großes Thema ist den beiden selbst ernannten Hedonisten das Spiel mit Klischees und den Moralvorstellungen ihres Publikums. Auf dem Albumcover prangen zwei Hengste mit erigierten Penissen, in den testosterongeschwängerten Texten dreht sich alles um Liebe und Lust.

    "Sex ist so wichtig für die Musik. Und für mich ist er komplett verloren gegangen. Die einzigen Genres, in denen er noch präsent ist, sind R&B und Hip-Hop. Dabei sollte er in jedem Musikstil auftauchen."

    Sex hin oder her: Caligolas eigentliche Botschaft ist das Ausleben von Individualität und Persönlichkeit, nicht nur im Studio, sondern auch auf der Bühne. Nachzuerleben bei den drei Auftritten, die das Kollektiv Ende März in deutschen Klubs bestreitet und die eher Happenings statt konventionelle Musikveranstaltungen werden sollen.
    "Wenn wir Konzerte geben, sind da etwa 25 Leute im Publikum, die eigentlich zur Band gehören. Nämlich Künstler, Maler, Fotografen. Und jeder, der zu Caligola beiträgt, ist auch ein Teil davon. Von daher gibt es viele Möglichkeiten für die Fans, sich einzubringen. Es ist alles sehr spontan."