Wenn es um die Gesundheit der Bevölkerung geht, dann hat die EU nicht mitzureden. Über das Ausmaß der Prävention entscheidet allein der Nationalstaat. Und wenn es nötig ist, darf ein europäisches Mitgliedsland zum Schutz der Volksgesundheit auch die europäischen Grundfreiheiten, wie zum Beispiel die Niederlassungsfreiheit einschränken. So hat der Europäische Gerichtshof erst vor wenigen Wochen im Fall der niederländischen Versandhandelsapotheke DocMorris entschieden. Die Apothekerschaft jubelte, weil für sie nun in Deutschland alles beim alten bleiben kann. Die Unternehmen, die auf dem deutschen Apothekenmarkt für Wettbewerb sorgen wollten, schüttelten ungläubig die Köpfe über dieses Urteil. Für den Leiter des europäischen Zentrums für europäische Politik in Freiburg, Lüder Gerken, hat sich der EuGH im Apothekenstreit vorbildlich verhalten.
"Man muss hier unterscheiden zwischen der Frage, ob der Inhalt eines Urteils ökonomisch sinnvoll ist oder nicht und der danebenstehenden Frage, ob das Urteil sich im Rahmen der Kompetenzen der EU bewegt. Wir haben in der Apotheken-Frage seitens des Zentrums für europäische Politik die Auffassung, dass ökonomisch die Herstellung des Binnenmarktes in diesem Bereich durchaus sinnvoll wäre. Aber wir sehen nicht, dass eine juristische Kompetenz dafür besteht"
Gerken sieht die Rechtssprechung des europäischen Gerichtshofes äußerst kritisch. Der EuGH übersteige vielfach seine Kompetenzen. In der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sei es schon vorgekommen, dass die Luxemburger Richter durch weitreichende Interpretationen europäischer Grundsätze neues Recht geschaffen hätten. Vielfach müssen Nationalstaaten jedoch auch vor sich her getrieben werden, damit sie sich gerade in der Frage der Arbeitnehmerrechte an dem ausrichten, was in Europa Standard ist. Und dabei könne der EuGH helfen, sagt Juliane Kokott, deutsche Generalanwältin am europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Nur leider brächte der Bürger diese Wohltaten nicht mit dem europäischen Gerichtshof in Zusammenhang.
"Ich sehe hier ein gravierendes Kommunikationsproblem, denn wenn man sieht, was der EuGH für den Einzelnen gemacht hat: die Arbeitnehmer geschützt, die Frauendiskriminierung abgeschafft - auch komplikationslosen Verkehr von Personen und Waren, der dem Einzelnen ja auch Vorteile bringt von einem Land in das andere, das hat alles der EuGH bewirkt. Aber das wird einfach so hingenommen."
Die europäischen Gewerkschaften wissen, dass sie den Luxemburger Richtern manches Grundsatzurteil verdanken, welches die Situation von Arbeitnehmern gerade in Grenzregionen verbessert. Aber sie hadern mit den Luxemburger Richtern, wenn Urteile gefällt werden, die zu Gleichmacherei führen. Insbesondere die europäische Entsenderichtlinie, die die Rechte ausländischer Arbeitnehmer im Gastland regelt, sei ein Stein des Anstoßes. Jean Claude Reding, Vorsitzender des luxemburgischen Gewerkschaftsbundes.
"Wir haben die Entsenderichtlinien immer so verstanden, dass sie Mindeststandards machen sollen. Und wir stellen jetzt fest, dass es eigentlich nicht Mindeststandards sind, sondern dass die Mindeststandards gleichzeitig auch Maximalstandards werden. Das macht uns Sorgen."
Im vergangenen Jahr zum Beispiel hat der EuGH das niedersächsische Tariftreuegesetz gekippt. Niedersachsen hatte die Vergabe öffentlicher Aufträge daran geknüpft, dass den Arbeitnehmern ortsübliche Tariflöhne gezahlt werden. Tarifverträge seien für ausländische Unternehmen jedoch nur dann bindend, wenn sie allgemeinverbindlich seien, also für öffentliche und private Bauvorhaben gleichermaßen gelten würden, urteilte der EUGH. In diesem Fall müssten die verschiedenen Interessen gegeneinander abgewogen werden. Juliane Kokott:
"Hier muss man einen fairen Ausgleich finden."
Zukünftig will das Bundesverfassungsgericht darauf achten, dass die sozialpolitische Gestaltung von Lebensverhältnissen stärker auf nationaler Ebene geregelt wird. Die Verfassungsrichter haben sich daher gestern in ihrer Stellungnahme zum Lissabon-Vertrag daher als Kontrollinstanz europäischer Gesetzgebung in Erinnerung gerufen.
"Man muss hier unterscheiden zwischen der Frage, ob der Inhalt eines Urteils ökonomisch sinnvoll ist oder nicht und der danebenstehenden Frage, ob das Urteil sich im Rahmen der Kompetenzen der EU bewegt. Wir haben in der Apotheken-Frage seitens des Zentrums für europäische Politik die Auffassung, dass ökonomisch die Herstellung des Binnenmarktes in diesem Bereich durchaus sinnvoll wäre. Aber wir sehen nicht, dass eine juristische Kompetenz dafür besteht"
Gerken sieht die Rechtssprechung des europäischen Gerichtshofes äußerst kritisch. Der EuGH übersteige vielfach seine Kompetenzen. In der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sei es schon vorgekommen, dass die Luxemburger Richter durch weitreichende Interpretationen europäischer Grundsätze neues Recht geschaffen hätten. Vielfach müssen Nationalstaaten jedoch auch vor sich her getrieben werden, damit sie sich gerade in der Frage der Arbeitnehmerrechte an dem ausrichten, was in Europa Standard ist. Und dabei könne der EuGH helfen, sagt Juliane Kokott, deutsche Generalanwältin am europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Nur leider brächte der Bürger diese Wohltaten nicht mit dem europäischen Gerichtshof in Zusammenhang.
"Ich sehe hier ein gravierendes Kommunikationsproblem, denn wenn man sieht, was der EuGH für den Einzelnen gemacht hat: die Arbeitnehmer geschützt, die Frauendiskriminierung abgeschafft - auch komplikationslosen Verkehr von Personen und Waren, der dem Einzelnen ja auch Vorteile bringt von einem Land in das andere, das hat alles der EuGH bewirkt. Aber das wird einfach so hingenommen."
Die europäischen Gewerkschaften wissen, dass sie den Luxemburger Richtern manches Grundsatzurteil verdanken, welches die Situation von Arbeitnehmern gerade in Grenzregionen verbessert. Aber sie hadern mit den Luxemburger Richtern, wenn Urteile gefällt werden, die zu Gleichmacherei führen. Insbesondere die europäische Entsenderichtlinie, die die Rechte ausländischer Arbeitnehmer im Gastland regelt, sei ein Stein des Anstoßes. Jean Claude Reding, Vorsitzender des luxemburgischen Gewerkschaftsbundes.
"Wir haben die Entsenderichtlinien immer so verstanden, dass sie Mindeststandards machen sollen. Und wir stellen jetzt fest, dass es eigentlich nicht Mindeststandards sind, sondern dass die Mindeststandards gleichzeitig auch Maximalstandards werden. Das macht uns Sorgen."
Im vergangenen Jahr zum Beispiel hat der EuGH das niedersächsische Tariftreuegesetz gekippt. Niedersachsen hatte die Vergabe öffentlicher Aufträge daran geknüpft, dass den Arbeitnehmern ortsübliche Tariflöhne gezahlt werden. Tarifverträge seien für ausländische Unternehmen jedoch nur dann bindend, wenn sie allgemeinverbindlich seien, also für öffentliche und private Bauvorhaben gleichermaßen gelten würden, urteilte der EUGH. In diesem Fall müssten die verschiedenen Interessen gegeneinander abgewogen werden. Juliane Kokott:
"Hier muss man einen fairen Ausgleich finden."
Zukünftig will das Bundesverfassungsgericht darauf achten, dass die sozialpolitische Gestaltung von Lebensverhältnissen stärker auf nationaler Ebene geregelt wird. Die Verfassungsrichter haben sich daher gestern in ihrer Stellungnahme zum Lissabon-Vertrag daher als Kontrollinstanz europäischer Gesetzgebung in Erinnerung gerufen.