Mit einem gewissen Absinken des Seespiegels durch ihre Bewässerungsvorhaben in der zentralasiatischen Wüste hatten die Planer gerechnet. Aber dann ließen sie nur ein primitives Bewässerungssystem bauen, denn der Wasservorrat schien unermesslich zu sein. Deshalb wird heute etwa doppelt so viel Wasser den Flüssen entnommen, wie notwendig wäre. Der Rest verdunstet oder versickert ungenutzt. Die Folge: Seit den 50er Jahren ist der Aralsee dramatisch geschrumpft. Antoine Sempere von INTAS, einer internationalen Forschungsorganisation der EU:
Der Aralsee ist ein Problem, das nicht mehr gelöst werden kann. Er wird nie wieder sein Ausgangsniveau von Beginn der 50er Jahre erreichen. Der Grund ist einfach: Der See ist zu flach, seine Tiefe reicht nicht aus, um wirklich als Meer betrachtet zu werden. Selbst wenn man ihm alles Wasser zurückgibt, was ihm durch die Bewässerung genommen wird, selbst dann wird er sich nicht erholen, weil sich im Boden geologische Störungen aufgetan haben.
Das Wasser könnte das Aral-Becken gar nicht mehr erreichen. Außerdem wäre das ohnehin nicht wünschenswert, denn es brächte nur noch mehr Pestizide, Entlaubungsmittel und Salz in den Restsee, was die Lage nur noch verschlimmerte. Der See ist verloren, so die Forscher. Antoine Sempere tröstet, dass er ohnehin – auch ohne Eingriff des Menschen – instabil wäre. Der Aralsee ist im Grunde nichts anderes als Lagune, ein flaches Becken, das auch natürlicherweise nicht alt wird. Also stehen für den Wissenschaftler wie für die meisten seiner Kollegen die Bilder von Booten in der Wüste nicht für die wirklichen Schwierigkeiten. Die sieht er vielmehr in den Pestiziden und Herbiziden des Baumwoll- und Reisanbaus. Sie vergiften das Wasser:
Das Problem dieser Verschmutzung ist, dass sie – selbst wenn man die Baumwollproduktion zugunsten einer anderen, umweltverträglicheren wie die Produktion von Weizen, Mais oder Sonnenblumen umstellen wollte –jede Verbesserung erschwert. Denn Wasser, Böden und damit auch das, was da wächst, ist so stark belastet, dass sie gefährlich wären für den Menschen.
Deshalb sind Forschungen an neuen, angepassten Anbaumethoden so wichtig. Aber es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, denn der Boden versalzt zunehmend durch das verdunstende Wasser. Dann wächst dort gar nichts mehr. Weite Landstriche sind bereits unfruchtbar geworden. Der Umbau der Landwirtschaft drängt. Denn auch der Baumwollanbau selbst ist in Gefahr. Nur die gewaltige Wasserfläche des Aralsees hatte das Klima gemäßigt. Der Rest-See ist zu klein, um diese starke Pufferwirkung gegen das harsche Klima in Zentralasien zu entwickeln. Schon heute gibt es deshalb weniger frostfreie Tage pro Jahr als die Baumwolle zum reifen braucht. Friert es zu früh, ist die Ernte vernichtet. Das zweite zentrale Arbeitsfeld betrifft die Wasserversorgung der Menschen. Antoine Sempere:
Derzeit ist das wichtigste Problem vor allem sauberes Trinkwasser. Man kann die Landwirtschaft umstellen, aber was wirklich fehlt ist sauberes Trickwasser. Die Millionen Menschen, die dort leben, trinken verschmutztes Wasser und leben in einer sehr stark belasteten Umwelt. Für die Kinder bedeutet dass zum Beispiel, dass sie die mit dem aufgewirbelten Staub die ganze Verschmutzung des Baumwollgürtels einatmen.
Die Folge: Die Kindersterblichkeit dort ist die höchste der Welt. Das saubere Grundwasser aus einem Leiter in mehr als 400 Metern Tiefe zu pumpen, wäre zwar eine Lösung, ist aber zu teuer und technisch sehr schwierig. Auch da laufen derzeit intensive Forschungen, um Lösungen zu finden.