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Das Leben der Formen

Die Werke anderer Künstler zitieren, abwandeln, kopieren und ironisieren. Auf diesem Prinzip basieren die Gemälde des amerikanische Gegenwartskünstlers Philip Taaffe, der sich mit einer überbordenden Farben- und Formenvielfalt im Wolfsburger Kunstmuseum vorstellt.

Von Carsten Probst |
    Taaffe nahm sich damals einige Heroes der abstrakten Malerei vor. Barnett Newmans Klassiker "Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue" von 1967 zum Beispiel, einer in mehreren Versionen ausgeführten, großen Leinwand in den drei Elementarfarben der Moderne, konterte der damals 30-jährige Taaffe 1985 keck mit gleich großen Linoldruckkollagen unter dem Titel: "We are not afraid", soll heißen: Vor der Moderne fürchtet sich schon lang keiner mehr.

    Die strengen Farbfelder Newmans ließ Taaffe dabei von gemalten Bordüren durchlaufen, wodurch sie einer missverstandenen Bauhaustapete sehr viel ähnlicher wurden, als einem Stück moderner Kunst. Mit diesem milden Spott persiflierte Taaffe in dieser Zeit eine ganze Reihe prominenter Maler der Moderne, auch Matisse, Duchamp oder gerade auch Bridget Riley als Ikone der britischen Op Art. Diese frühen Werke sind interessant, weil sie sehr sorgfältig auf den Stil ihrer "Opfer" eingehen und eher subtile Störungen einführen, die umso listiger wirken.

    Rileys berühmte Wellenmuster beispielsweise färbt Taaffe einfach mit verschiedenen Hintergründen neu ein und verwandelt sie damit in Muster, in Ornament. Und das dürfte auch der Grund sein, weshalb Markus Brüderlin als Direktor des Kunstmuseums Wolfsburg Taaffe großformatig in seinem Haus präsentiert. Der aus seiner Sicht fließende Übergang "Ornament und Abstraktion" beschäftigte Brüderlin schon zu der Zeit, als er noch als Direktor der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel war. Im Gegensatz zu Taaffes Frühwerk sieht Brüderlin in dieser Nähe von Ornament und Abstrakter Kunst freilich keinen Anlass für Spott oder Ironie. Vielmehr gründet darauf seine These, dass sich abstrakte Kunst eigentlich überall finden lässt, in jedem Kontext, und dass sie eigentlich gerade deshalb zu einer Weltsprache der Kunst im 21. Jahrhundert taugt, sozusagen als künstlerisches Gegenmittel zum Clash der Kulturen.

    Berechtigte Hoffnung, in Philip Taaffe einen Mitstreiter für diese These gefunden zu haben, erweckt durchaus dessen weiterer Werdegang. Denn gegen Ende der achtziger Jahre zog es den Amerikaner in die Welt. Von der Aneignung der abstrakten Moderne erweitert er seinen Zugriff nach und nach auf alle möglichen Formen abstrakter Darstellungen in allen möglichen Kulturen von Südamerika über Afrika bis Asien.

    Ein riesiges Tableau orientalischer Ornamente von 1988 präsentiert Taaffe zum Beispiel in verschiedenen Farben und rückt es damit ostentativ in die Nähe der Pop Art. Seit den frühen neunziger Jahren erforscht er die Kunsttraditionen des Mittelmeerraums seit der Antike, und seit Mitte der neunziger Jahre kommen Naturornamente hinzu, vom klassisch antiken Akanthusrelief bis zu Ernst Haeckel und dem Jugendstil, und die Pressemitteilung des Kunstmuseums preist Taaffes künstlerische Entwicklung als geprägt von einem "tiefen Bedürfnis nach Spiritualität und Transzendenz".

    Dieses Bedürfnis ist der Hängung der Ausstellung im Ganzen anzumerken. Sie präsentiert Taaffes Werk als Erhabenheitsformeln, als Weg zu einem künstlerischen Weltkatechismus für alle Zeiten und Völker und das Erbe der Moderne als Weltkirche des 21. Jahrhunderts. Das mag in Zeiten, in denen der spirituelle Diskurs plötzlich wieder hochpolitisch ist, vielleicht nahe liegen. Der Kunst selbst ist es eher abträglich. Taaffes späteres Werk gleitet ab ins Dekorativ-Belanglose, die Ironie wird ausgeblendet wie eine Jugendsünde. So mag sie als Thesenkunst dienen, die Frage bleibt aber, ob das Museum gut daran tut, sein eigentlich ambitioniertes Projekt, eine Moderne für das 21. Jahrhundert zu denken, unabhängig von Fragen der künstlerischen Qualität zu betreiben.