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Das Lehramt als Berufung

Abschreckende Gründe, warum man nicht Lehrer werden sollte, gibt es offenbar viele: das schlechte Berufsimage, schlecht oder gar nicht erzogene Schülerinnen und Schüler, der Nervenabrieb vor der Klasse, überforderte Eltern. Wenn sich Berufsneulinge trotzdem für den Job als Lehrer entscheiden, dann oft aus einem gewissen Enthusiasmus heraus. Ob und wie lange dieser Enthusiasmus nach dem Referendariat anhält, hat mein Kollege Armin Himmelrath die Sonderschullehrerin Anja Bommert gefragt.

Von Armin Himmelrath |
    Atmo Mathe-Unterricht: Wenn ihr damit nicht klarkommt, nehmt ihr trotzdem einen Kasten. Das kriegt ihr raus.

    Mathematikunterricht in der Jahrgangsstufe 8 und 9 der Pestalozzi-Schule in Wermelskirchen. Klassenlehrerin Anja Bommert übt mit ihren Schülern das Plus- und Minusrechnen im Zahlenraum bis zu einer Million. Im Spätsommer 2001 hatte sie ihre erste Stelle nach dem Referendariat angetreten, und ein Jahr später ist sie immer noch vollauf zufrieden mit ihrer Berufswahl:

    Also, den Beruf des Sonderschullehrers kann ich auf jeden Fall weiter empfehlen. Aber das kann man so generell nicht sagen, das muss jeder selber für sich ausprobieren. Also, ich bin hier sehr glücklich, ich würde das auf jeden Fall immer wieder machen.

    Gerade die Entscheidung für die Sonderschule sei für sie der richtige Weg gewesen, sagt Anja Bommert. Weniger Fachdidaktik als an normalen Regelschulen, dafür mehr allgemeine Pädagogik, das sei genau die richtige Kombination für die Arbeit mit Schülern.

    Ich find daran schön, dass ich mit denen in Kontakt treten kann, dass ich merke, dass die unheimlich dankbar sind, wenn man sich ihnen öffnet, wenn man auch was Privates hergibt, und dass die dann wirklich auch Vertrauen gewinnen. Also, am Anfang war das sehr schwierig, da haben die doch sehr versucht, haben gesucht, wo ihre Grenzen sind, und ich denke, da war ich auch ein bisschen zu weich. Aber mittlerweile weiß ich auch selber, wo meine Grenzen sind, und die mach ich dann auch ganz klar. Aber ich lass die auch sehr nah an mich rankommen, so privat und persönlich, und da sind die unheimlich dankbar.

    Das sei, sagt die Sonderschullehrerin, ein echtes Geben und Nehmen, von dem beide Seiten profitieren. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehe dabei das Individuum und nicht etwa eine abstrakte Gruppe von Sonderschülern, wie das fälschlicherweise oft von Außenstehenden vermutet werde.

    Ich behandle die auch ganz normal. Das ist mir ganz wichtig, denen zu zeigen, dass die wertvoll sind und dass sie, nur weil sie hier auf ner Sonderschule sind, nicht schlechter sind als andere Menschen. Und das kriegen die oft genug in der Gesellschaft zu spüren, dass die untergebuttert und ausgelacht werden. Und wenn die hier angekommen sind an der Sonderschule, dann haben die auch schon ne Geschichte hinter sich. Die sind also oft, die sind in der Grundschule gescheitert, oft sind sie noch in die Hauptschule gekommen, scheitern da auch, manchmal erst nach ein paar Jahren, und das ist natürlich schlimm, wenn die dann zum Beispiel in der Pubertät hier herkommen, dann haben die wirklich Schwierigkeiten und dann hab ich Schwierigkeiten, denen überhaupt noch ein Selbstwertgefühl ausbilden. Und das ist mir ganz wichtig.

    Ihr eigener pädagogischer Anspruch und die Herausforderungen an der Schule seien aber nur das eine. Um wirklich erfolgreich arbeiten zu können, müsse auch ein gutes Kollegium die notwendige professionelle Basis bieten, sagt Anja Bommert. Und auch damit sei sie sehr zufrieden: Nicht Einzelkämpfertum an der Tafel, sondern echte Teamarbeit sei an der Pestalozzischule in Wermelskirchen gefragt. Deshalb ist ihr Fazit nach ihrem ersten Jahr als Lehrerin auch eindeutig: Ja, der Beruf sei für sie eine echte Berufung.

    Das hab ich aber erst vor einem halben Jahr erkannt. Am Anfang hatte ich immer wieder Zweifel, ob das das Richtige ist. Also, seit ich Klassenlehrerin bin, kann ich sagen, dass das wirklich mein Traumberuf ist.