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Das Licht, das aus der Kälte kam

Astronomie. - Wie bilden sich Sterne aus interstellarer Materie? Das ist eine der Fragen, denen Astronomen mit dem Weltraumteleskop Herschel nachgehen wollen. Um das extrem langwellige und kalte Licht aufzeichnen zu können, das eine Sternenentstehung begleitet, müssen auch die Messinstrumente bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt getestet werden.

Von Thomas Wagner |
    Das Motto heißt: Immer schön cool bleiben:

    "Also in Celsius Minus 271,5 Grad. Das ist 1,7 Grad entfernt vom absoluten thermischen Nullpunkt der Physik."

    Und damit, weiß Wolfgang Fricke vom Weltraumkonzern EADS/Astrium in Friedrichshafen, ist das Weltraumteleskop Herschel das kühlste Raumfahrzeug, das jemals gebaut wurde. Dass die Forschungsinstrumente im Inneren fast auf den absoluten thermischen Nullpunkt heruntergekühlt werden müssen, stellte für die beteiligten Experten eine große Herausforderung da - und ist doch für die Mission, die Mitte kommenden Jahres beginnen soll, eine unabdingbare Voraussetzung. Thomas Passvogel, Herschel-Projektleiter bei der europäischen Weltraumorganisation Esa:

    "Wenn wir nach Sternen gucken oder Temperaturen gucken, die ungefähr Minus 260 Grad warm sind nur, dann stört es, wenn ich eine Umgebung habe, die sehr viel wärmer ist als das. Also muss man sicherstellen, dass meine Umgebung in meinem Satelliten und darum herum vergleichbar kalt ist."

    Kurzum: Es geht um die Beobachtung der kältesten Materie im Universum - Materie, die bei der Entstehung von Sternen überaus wichtig ist.

    "Sterne sind, bevor sie entstehen, halt einfach kalt. Sie werden erst dann warm, wenn man wirklich einen Stern sich formen sieht und sichtbares Licht herauskommt. Bei der wirklichen Entstehung wird nicht-sichtbares Licht ausgestrahlt von den Sternen."

    Damit wären Sterne am Anfang ihres Entstehungsprozesses eigentlich unsichtbar. Das Licht, das sie ausstrahlen, ist von der Wellenlänge her etwa 200 Mal so lang wie die des sichtbaren Lichtes. Dieses eigentlich 'unsichtbare' Licht sichtbar und erkennbar zu machen, ist die Hauptaufgabe des Weltraumteleskops Herschel. Dazu verfügt es über drei 'tiefgekühlte' Instrumente: "Spire" aus Großbritannien, "Hifi" aus den Niederlanden und "Pacs" aus Deutschland:

    "Pacs steht für 'Photo Detector Array Camera and Spectrometer' - und das erklärt eigentlich auch, was das Instrument ist."

    Nämlich eine Kombination aus einem Spektrometer, das aus den empfangenen elektromagnetischen Wellen Rückschlüsse über chemische und physikalische Strukturen erlaubt, und einer hochempfindlichen Spezialkamera, die das eigentlich 'unsichtbare, kalte' Licht in sichtbares Licht verwandet. Albrecht Poglitsch vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching:

    "Das Fotometer ist im Prinzip eigentlich eine Farbkamera, aber, wenn man's mit der Musik vergleicht, transponiert um etwa acht Oktaven zu längeren Wellenlängen, quasi tieferen Tönen hin. Wir können das hinterher darstellen. Intern, im Jargon, bezeichnen wir tatsächlich unsere drei Wellenlängen-Bänder als blau, grün und rot. Und wir können damit letzten Endes Farbbilder darstellen. Wir wollen Objekte sehen, die im sichtbaren Licht und im nahen Infrarot noch gar nicht leuchten, zum Beispiel Vorstufen von Sternen. Die Fragestellung lautet: Wie bilden sich Sterne aus interstellarer Materie?"

    Das ist aber nur eine Aufgabe des Herschel-Teleskops. Zum zweiten nämlich dringt das 'kalte Licht', das die Messinstrumente analysieren, im Gegensatz zu optisch sichtbarem Licht durch allerlei galaktische Hindernisse hindurch.

    "Der Aspekt ist, dass die langen Wellenlängen Gas und Staub durchdringen können, wobei kürzere Wellen wie das sichtbare Licht von diesem Staub und diesem Gas völlig absorbiert würden. Das heißt: Wir können tief in verdeckte Regionen hineinsehen, was prinzipiell mit sichtbarem Licht unabhängig jetzt von der Temperatur nicht möglich ist."

    Das alles funktioniert nur, nachdem es den Experten gelungen ist, das Innere des Forschungsteleskops entsprechend herunterzukühlen. Deshalb erweckt die Tragstruktur von Herschel auf den ersten Blick auch den Eindruck einer intergalaktischen Thermoskanne: Die drei Messinstrumente sitzen in einer Ummantelung, die von 2367 Litern flüssigem Helium umgeben ist. Wolfgang Fricke, Projektleiter bei EADS/Astrium:

    "Das ist eine sehr gute Thermoskanne! Hätten Sie da zum Beispiel 90 Grad heißen Kaffe hineingetan, dann wäre in der Lebensdauer des Satelliten der Kaffee, den Sie reingefüllt haben, nach rund vier Jahren um ein Grad abgekühlt. Das ist die Isolation dieser Thermoskanne."