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Das Londoner Abkommen legt die Teilung des Freistaates Triest fest

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Triest eine autonome Stadt und Provinz, die nicht zu Italien, sondern zu der von den Alliierten verwalteten Zone gehörte, während Istrien unter jugoslawische Militärverwaltung stand. Erst 1954 legte das Londoner Abkommen die Teilung des Freistaates Triest fest.

Von Maike Albath | 05.10.2004
    Solidarische Freundschaftsbekundungen der Bürgermeister zweier eingeschlossener Städte zum Neujahrstag 1953. Aus Berlin übermittelt Edzard Reuter seinem Amtskollegen Gianni Bartoli und den Bürgern Triests Glückwünsche für die Zukunft. Die territoriale Zugehörigkeit der einstigen Handelsmetropole ist auch fünf Jahre nach dem Drei-Mächte-Abkommen zwischen den Alliierten, Jugoslawien und Italien nicht geklärt. Während des Zweiten Weltkrieges lieferten sich italienische und jugoslawische Widerstandskämpfer erbitterte Auseinandersetzungen, die nationalsozialistischen Besatzer aus dem Großdeutschen Reich wurden im Mai 1945 von Titos Partisanen vertrieben. Nach vierzig Tagen jugoslawischer Okkupation übernahmen alliierte Soldaten das Kommando. Triest wurde Teil der anglo-amerikanisch verwalteten Zone A, während Istrien als Zone B unter jugoslawische Militärverwaltung gestellt wurde.

    Ende der Vierziger Jahre verschärft der Kalte Krieg die Lage. Der Schriftsteller Veit Heinichen, Wahltriestiner und Verfasser einer Krimiserie, die in der Hafenstadt spielt, schildert die Folgen.

    Veit Heinichen: Als der eiserne Vorhang kam, war das Hinterland auf einmal weg, und damit war Triest auch von den großen Verkehrswegen abgeschnitten. Bis 54 war Triest eine autonome Stadt und Provinz, die nicht zu Italien gehörte, sondern das "territorio libero Trieste" hieß und unter alliierter Verwaltung stand. Durch die Politik Titos, der die Grenze hermetisch zugemacht hat, durch Istrien gezogen hat - das hatte zur Folge, dass ungefähr 350.000 Italiener Istrien verließen, dass es keinen Grund mehr gab, irgendwo noch einen Osthandel aufzunehmen.

    Ihren Höhepunkt erreicht die Krise wenige Monate nach den Neujahrsgrüßen aus Berlin. Im Oktober 1953 verpflichten sich die Alliierten, der italienischen Regierung die Verwaltung über die Zone A zu übertragen. In Triest kommt es zu blutigen Unruhen mit mehreren Toten. Ausgerechnet die nationalistischen Eskalationen bringen Bewegung in die internationale Politik.

    Jugoslawien ist inzwischen blockfrei und stellt keine Bedrohung für die westlichen Interessen dar. Man scheint auf beiden Seiten zur Einigung bereit. Ein kompliziertes diplomatisches Ränkespiel beginnt. Die Alliierten übernehmen die Vermittlung. Im Januar 1954 beginnen in London die Verhandlungen. Sie finden in drei Etappen statt. In der ersten Phase kommt es zu englisch-amerikanisch-jugoslawischen Gesprächen, in der zweiten sitzen die Italiener mit den Alliierten an einem Tisch, und in der dritten treffen Vertreter aller vier Länder aufeinander. Man beschließt eine Aufteilung der beiden Zonen zwischen Italien und Jugoslawien, ohne jedoch ein Abkommen zu unterzeichnen - völkerrechtlich ein so genannter "De-facto-Beschluss" -, der erst 1975 zu einem endgültigen Vertrag über die Staatsgrenzen führt. Triest, einst der Knotenpunkt zwischen Ost und West, wird zum Randgebiet. Erst nach dem Fall der Berliner Mauer beginnt sich die Lage zu ändern. Riccardo Illy, Enkel des Kaffeefabrikanten, hat als Bürgermeister und Ministerpräsident der Region der Stadt einen neuen Aufschwung gebracht. Fünfzig Jahre nach den Londoner Verträgen gewinnen die alten Handelswege neue Bedeutung.

    Riccardo Illy: Triest war schließlich fünf Jahrhunderte lang, wenn auch nicht hintereinander, Teil des österreichisch-ungarischen Reiches. Es war das Handelszentrum, über das der gesamte Seeverkehr abgewickelt wurde, aber es war auch ein mitteleuropäisches Kulturzentrum. Die verschiedenen Kulturen, Sprachen, Religionen standen in einem spannungsreichen Wechselverhältnis, und das empfand man früher als einen Reichtum. Die Stadt liegt an einer Wasserscheide. An einer geologischen und an einer ethnischen, denn hier überschneiden sich die lateinische, deutsche und slawische Kultur. Eigentlich der ideale Ort, um diese Mischung neu zu beleben.