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Das Mysterium des Kasper Hauser

Bis heute bleibt unklar, wer Kaspar Hauser war: ein armes Findelkind oder gar der Erbprinz von Baden? Die Geschichte des Jungen, der 1828 - verwirrt und scheinbar aus dem Nirgendwo kommend - aufgegriffen wurde, erregte bald großes Aufsehen in der Gesellschaft. Bis heute ranken sich zahlreiche Geschichten um die Abstammung Kaspar Hausers, der 1833 aus noch ungeklärten Ursachen starb.

Von Robert Schurz | 17.12.2008
    "Er wahrlich liebte die Sonne,
    die purpurn den Hügel hinabstieg
    Still fand sein Schritt die Stadt am Abend;
    Die dunkle Klage seines Munds:
    Ich will ein Reiter werden.
    Ihm aber folgte Busch und Tier."

    Georg Trakls "Kaspar Hauser Lied". Es gibt nur wenige reale Personen, die so sehr zum Gegenstand von Literatur wurden und so sehr die gelehrte Welt beschäftigten wie dieser Kaspar Hauser. Eine unendliche Geschichte, die am 26. Mai 1828 in Nürnberg beginnt, wo ein Junge aus dem Nirgendwo Irritationen erregt. In einem Hörspiel wird erzählt, wie man den orientierungslosen jungen Mann aufgelesen hat:

    "Kaum sieht er den Rittmeister in Uniform sagt er: "A söchtene möchte i wern" oder so ähnlich. Na ja. Weiter haben wir nichts aus ihm rausbekommen.

    Und weiter?

    Na ja, immer wieder das Gleiche. So ein Reiter möchte er werden, das sagt er auf jede Frage."

    Der Junge hat einen Brief bei sich, der ihn als 1812 geborenes Findelkind ausgibt, als Sohn einer armen Magd und eines Soldaten, eines Reiters. Hauser selber berichtet, er sei bis dahin immer eingekerkert und ohne Kontakt nach außen gewesen. Auch habe er sich kaum bewegen können, und öfter sei ihm Opium verabreicht worden.

    Der Fall Hauser erregt ungeheures Aufsehen, zahlreiche Wissenschaftler beschäftigen sich mit ihm wie der berühmte Rechtsgelehrte Anselm von Feuerbach. Aber auch die feine Gesellschaft interessiert sich für dieses "Wundertier", insbesondere ein englischer Graf namens Stanhope gibt große Summen zur Klärung seiner Herkunft aus. Bald entstehen zahlreiche Mythen.

    "Im Vertrauen - seien Sie versichert, wir schweigen, wir schweigen. Was meinen Sie, wer der Hauser nach Meinung Feuerbachs ist? Fallen Sie ruhig auf die Knie, der Erbprinz von Baden!

    Der Erbprinz von Baden?

    Das hat er an Ihre Majestät geschrieben. Was ich Ihnen jetzt erzähle, ist gefährlich."

    Man habe den gesunden Erbprinz gegen einen sterbenden Säugling ausgetauscht, um die Thronfolge zu manipulieren. Um diesen Mythos entstand ein erbitterter Streit mit allerlei politischen Verwicklungen. Und Kaspar selber? Er wird von einem Betreuer zum nächsten geschickt, und fast überall gibt es Schwierigkeiten wegen seines auffälligen Charakters. Insbesondere wird ihm ein starker Hang zur Lüge und zur Selbstdarstellung nachgesagt. Anselm von Feuerbach wird später notieren:

    "Caspar Hauser ist ein durchtriebener pfiffiger Kauz, ein Schelm, ein
    Taugenichts, den man totmachen sollte."

    Tatsächlich scheint es, als ob man ihn töten wollte. Ein erstes Attentat 1829 endete mit Schnittwunden an der Stirn. Ein Jahr später gab es einen Unfall mit Pistolen. 1833 ein weiteres Attentat.

    "Was ist denn, ist Dir was geschehen, so rede doch, Hauser. - Oh Gott! Er blutet!

    Wo denn? Was war denn?

    Ich bin in den Hof gegangen, da kam ein Mann, der gab mir einen Beutel. Plötzlich sah ich ein Messer, damit hat er mich gestochen."

    Alle Attentate könnten von Hauser selbst inszeniert gewesen sein, vieles spricht dafür. Jedoch gibt es im Fall Hauser nur eine einzige Tatsache: Nichts ist geklärt. Selbst eine DNA-Analyse, die der "Spiegel" 1996 durchführen ließ, brachte keine endgültige Klarheit über Hausers Herkunft. Bleibt also der Mythos und der wahrscheinliche Fall, dass es sich bei Kaspar Hauser um einen armen elternlosen Jugendlichen aus der Provinz handelte, der am Anfang durch eine fantastische Geschichte Aufsehen erregen wollte. Er musste vielleicht, um im Gespräch zu bleiben, ständig neue, unerhörte Vorfälle inszenieren. Der letzte führte am 17. Dezember 1833 - als wahrscheinlich vorgetäuschtes Attentat - zu Kaspar Hausers Tod.

    Allein, schöner ist die Version des wilden, unschuldigen Kindes, das sich in die menschliche Zivilisation verirrt hat.

    "Nachts blieb er mit seinem Stern allein,
    sah, dass Schnee fiel in kahles Gezweig,
    Und im dämmernden Hausflur den Schatten des Mörders.
    Silbern sank des Ungebornen Haupt hin."