Aber da ist noch etwas: Wenn Institute wie die Royal Academy eine so ehrgeizige und groß angelegte Schau zusammenstellen wollen, sehen sie sich oft einem Dilemma gegenüber - sie stoßen dabei auf die Politik. Ohne die aktive Unterstützung von Regierungen und Botschaften lassen sich Schätze wie das exquisit illuminierte Poesiebuch des Sultans Hussein Mirza aus dem späten 15. Jahrhundert oder die mit Perlmutt eingelegte Tür eines Pavillons im Harem des Topkapi Palasts in Istanbul nicht loseisen, und da geraten die Museen nicht selten unter politischen Druck. Bei der Türken-Ausstellung kommt noch etwas anderes hinzu: Zwei unerwartete "Kenner” der Materie schreiben in Vorworten zum Katalog begeistert von "kultureller Vielfalt” als einer "Quelle des Reichtums von Nationen” und von der "so wichtigen Interaktion unterschiedlicher Kulturen”. Der türkische Ministerpräsident Erdogan und sein britischer Amtskollege Blair haben dabei natürlich eines vor Augen: den Eu-Beitritt der Türkei, den beide befürworten.
Wieweit das Bestreben, die Türkei einem nicht gerade europafreundlichen britischen Publikum schmackhaft zu machen, das Konzept der Ausstellung beeinflusste, ist schwer zu sagen. Die Eroberung Istanbuls durch Mehmed den Zweiten lapidar als "Zusammentreffen zweier Kulturen” zu bezeichnen, macht stutzig. Doch der Besucher kann sich dem leicht entziehen, so vielfältig, so grandios sind die Ausstellungsstücke selbst. Höhepunkt der Schau ist ein Raum mit Dutzenden farbiger Zeichnungen aus dem 14. Jahrhundert, die aller Voraussicht nach von der Hand eines Künstlers stammen, dem man später den Namen Mohammed Siyah Qalam gab - Mohammed mit der Schwarzen Feder -, eine Art asiatischer Breughel.
Keine elegante Hofkunst, sondern fast derbe Alltagsszenen aus dem Leben turkmenischer Nomaden der innerasiatischen Steppen - Männer füttern und tränken ihre Pferde, ein Zeltlager mit offenem Feuer, Frauen und Kinder, zwei Priester im Gespräch, und dazu wild tanzende Derwische und Furcht erregende Dämonen. Voller Realismus, voller Humor, hauptsächlich mit drei Farben auskommend: schwarz, blau und rot. Der Zweck der Zeichnungen ist unklar, doch geht man heute davon aus, dass sie wohl Geschichtenerzählern als Illustrationsmaterial dienten. Ganz erstaunliche Blätter, die das Museum des Topkapi Serai in Istanbul noch nie verlassen haben, und auch dort nur selten zu sehen sind. Allein ihretwegen lohnt sich ein Besuch.