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Das Paradigma der Hirnforschung

Die Neurowissenschaft, und im besonderen die Hirnforschung, hat seit einigen Jahren eine Führungsrolle in den Wissenschaften und in der medizinischen Praxis eingenommen. Außer von der Genforschung verspricht man sich von ihr die weitestreichenden Erfolge in der Behandlung schwerer, zum Teil als unheilbar geltender Krankheiten, wie Alzheimer, multiple Sklerose oder Parkinson, Schizophrenie oder Depression. Während die Forschung in diesen Fällen zu hoch gesteckte Erwartungen dämpft, ist sie wesentlich optimistischer und auch schon praktisch sehr erfolgreich bei starken Hör- und Sehschädigungen.

Von Hans-Jürgen Heinrichs |
    Hans-Jürgen Heinrichs skizziert in drei Folgen die Geschichte, die gegenwärtigen Arbeitsgebiete und die Zukunft der Hirnforschung. Er erläutert die Funktionsweisen des Gehirns und stellt die Bedingungen dar, unter denen wir die äußere Welt wahrnehmen.
    Da die innere und die äußere Welt in den vielfältigsten Austauschprozessen miteinander verknüpft sind, nimmt die Kooperation zwischen Neurowissenschaft und Psychoanalyse einen besonders großen Raum ein.

    Am Schluss stehen die grundsätzlichen Fragen, ob die Hirnforschung ein gänzlich neues Licht auf unser Verständnis von Krankheit und von Freiheit werfen kann. Sind wir, wie manche Hirnforscher behaupten, nur die Sklaven unseres Gehirns und insofern letztlich gar nicht für unsere Taten zur Rechenschaft zu ziehen? Kann man zu Recht von dem neuen Paradigma der Hirnforschung sprechen? Und welche Gefahr besteht für andere Zweige der Medizin, wenn sie zu stark von einer Disziplin dominiert werden?



    Auch die "soliden" Grundlagen, die "nachweisbaren und überprüften Daten" und die modernsten Techniken der Hirnforschung haben immer auch Modellcharakter, unterliegen Wandlungen und notwendigen Korrekturen. Ein hirnphysiologischer Dogmatismus scheint wenig hilfreich zu sein und würde die enorme Bedeutung der Neurowissenschaft für unser Gesundheitswesen schmälern.