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Das Pik Ass ist gefasst

Saddam Hussein, das Pik-As in jenem Kartenspiel, das aus den Fahndungsfotos mutmaßlicher irakischer Kriegsverbrecher besteht und sich in den USA großer Beliebtheit erfreut, ist gefangen genommen worden - das ist die Nachricht des Tages. Mehr als sieben Monate nach dem offiziellen Kriegsende ist damit ein wichtiges Etappenziel der USA bei der Befriedung des Irak geglückt. Gegen Mittag kamen die Nachrichten, dass die Zeit des irakischen Ex-Diktators in Freiheit vorbei sind. Die Festnahme, zum Glück ohne Blutvergießen, eröffnet neue Möglichkeiten für das irakische Volk, wie der US-Zivilverwalter des Irak, Paul Bremer, heute sagte. Wir dokumentieren die Rede, mit der er die Gefangennahme Saddam Husseins bekannt gab.

Von Brigitte Baetz und Ulrich Tilgner |
    Dies ist ein großer Tag in der irakischen Geschichte.
    Jahrzehntelang haben Hunderttausende von Ihnen unter diesem grausamen Mann gelitten. Jahrzehntelang hat Saddam Hussein Sie, die Bürger, gegeneinander ausgespielt. Jahrzehntelang hat er Ihre Nachbarn bedroht und angegriffen. Jene Tage sind für immer vorbei. Jetzt ist es an der Zeit, den Blick auf die Zukunft zu richten, auf Ihre Zukunft der Hoffnung und eine Zukunft der Versöhnung. Iraks Zukunft war niemals hoffnungsvoller. Der Tyrann ist ein Gefangener. Die Wirtschaft bewegt sich vorn. Vor Ihnen liegt die Aussicht auf eine souveräne Regierung schon in wenigen Monaten.
    Mit der Festnahme von Saddam Hussein gibt es für die Mitglieder des früheren Regimes eine neue Möglichkeit - Zivilsten oder Militärs -, ihren erbitterten Widerstand aufzugeben. Mögen sie jetzt im Geiste der Versöhnung und Hoffnung hervorkommen, ihre Waffen niederlegen und sich mit ihnen, ihren Mitbürgern, an die Aufgabe machen, ein neues Irak aufzubauen.
    Jetzt ist es an der Zeit für alle Iraker - Araber und Kurden,
    Sunniten, Schiiten, Christen und Turkmenen - ein gedeihliches
    demokratisches Irak aufzubauen, das mit sich und seinen Nachbarn in Frieden lebt.


    Soweit Paul Bremer. Was bedeutet dies für die innere Lage im Irak? Welchen Einfluss hatte Saddam Hussein noch? Eine Analyse von Ulrich Tilgner:

    Für Paul Bremer, den US-Zivilverwalter im Irak, eine Stunde des Triumphs: Die Festnahme von Saddam Hussein hätte in keinem Drehbuch effektvoller in Szene gesetzt werden können. Der gestürzte Diktator wird aus einem primitiven Erdloch gezogen und ergibt sich ohne Gegenwehr.
    Noch sind die letzten Details der Gefangennahme nicht bekannt. Wahrscheinlich wurde Saddam Hussein verraten. Doch von größter Bedeutung ist, dass er lebt. Ein Diktator, der sich vor laufender Kamera ohne sichtbare Gegenwehr von einem US-Militärarzt untersuchen lässt, eignet sich nicht zur Legendenbildung. Saddams Anhänger waren bis zum letzten Moment überzeugt, dass ihr Idol niemals lebendig gefangen genommen werden könne. Er trage einen Gürtel mit Sprengstoff und werde sich mit den Leuten, die ihn festnehmen wollten in die Luft sprengen, erklärten mir noch vor einer Woche Mitglieder der Baathpartei in einem Teehaus von Bagdad. Sicher waren sich die Leute, dass er zumindest Selbstmord begehen werde, um sich der Gefangennahme zu entziehen. Doch Saddam Hussein soll sogar mit US-Soldaten kooperieren, erklärte Paul Bremer.

    Für Untergrundkommandos, die im Namen des gestürzten Diktators die US-Truppen immer wieder angreifen, bringt dessen Festnahme eine gewaltige Verunsicherung. Zwar hatte Saddam Hussein in mehreren Botschaften seine Anhänger aufgefordert, auch nach seinem Tod weiter zu kämpfen. Doch die Art der Festnahme bringt einen unglaublichen Prestigeverlust. Während Anhänger ihn in Wandmalereien als Hoffnung aller Araber preisen, verkriecht er sich in einem Erdloch.

    Für die Anhänger des alten Regimes bringt die Festnahme den entscheidenden Rückschlag. Einige der Untergrundkommandos werden sich noch einmal aufbäumen. Doch sollten die Anschläge in den kommenden Tagen zunehmen, handelt es sich um eine Art Strohfeuer. Denn auf mittlere Sicht werden den Kommandeuren im Untergrund die Kämpfer davon laufen. Auch hart gesottene Anhänger des alten Regimes werden die Niederlage akzeptieren müssen. Mit Saddam Hussein fehlt ihnen die Leit- und Symbolfigur.

    Das Netzwerk des alten Regimes kann nach der Festnahme des gestürzten Diktators auch nicht mehr den Angst-Faktor in der bisherigen Weise nutzen. Denn auch im Untergrund war es Saddam Hussein gelungen, eine Art Regime der Angst zu etablieren. Seine Anhänger konnten alte Kader zur Mitarbeit im Kampf gegen die US-Soldaten zwingen. Teile des Geheimdienstapparates wurden für eine Art Schattenherrschaft genutzt. In den von Sunniten bewohnten Teilen Iraks war die Macht Saddam Hussein ungebrochen. Durch die Festnahme werden diese Strukturen schwer erschüttert. Schon die spontanen Feiern in den Straßen Bagdads zeigen, wie stark Saddam Hussein selbst noch im Untergrund das politische Leben belastet.

    Es war ihm mit seinen Kommandeuren in den vergangenen sechs Monaten gelungen, die anderen Strömungen der Widerstandsgruppen gegen die US-Besatzung zunehmend zu dominieren. Sowohl religiös als auch national ausgerichtete Gruppen wurden von Saddams Leuten unterwandert. Beobachter in Bagdad haben schon seit Wochen erklärt, dass eine Festnahme des Ex-Diktators zu einem Aufbrechen der Front der Gegner der US-Truppen führen dürfte.

    Dieser Prozess kann beschleunigt werden, wenn die US-Zivilverwaltung und der irakische Übergangsrat die Verunsicherung ihrer Gegner politisch geschickt nutzen. Der bereits in der vergangenen Woche gegen Saddam Hussein angekündigte Prozess könnte Symbol für einen politischen Neuanfang werden. Den Anhängern des alten Regimes könnte detailliert demonstriert werden, welch ungeheure Verbrechen Saddam Hussein begangen hat. Dabei geht es nicht nur um die Ermordung politischer Gegner und Andersdenkender. Auch die gesamten Ausmaße der wirtschaftliche und finanzielle Zerrüttung Iraks müssten in einer solchen Abrechnung mit den Spitzenpolitikern des alten Regimes dargestellt werden.
    Für die USA bringt die Festnahme Saddam Husseins eine zweite Chance des Neubeginns im Irak. In den Tagen nach der Eroberung Bagdads wurden die Möglichkeiten nicht genutzt. Eine Kette von Fehlem, die damit begann, Plünderern in den Straßen Bagdads nicht das Handwerk zu legen, hatte Saddam Hussein erst die Chance geboten, eine Widerstandsfront aufzubauen und die US-Truppen in einen verlustreichen Kleinkrieg zu verwickeln. Mit einer Sabotagekampagne war es den Untergrundgruppen zusätzlich gelungen, den wirtschaftlichen Wiederaufbau Iraks immer wieder zu stoppen.

    Heute können die US-Truppen auf die Unterstützung von 130 000 bewaffneten Irakern rechnen. Es hat in den vergangenen Wochen bereits eine deutliche Verbesserung der Sicherheitssituation im Irak gegeben. Selbst nachts patrouillieren in den Straßen Bagdads Gruppen der neu aufgebauten irakischen Polizei.
    Dafür ist jedoch Voraussetzung, dass es Zivilverwalter Paul Bremer gelingt, die Weigerung sunnitischer Politiker, mit den USA zusammenzuarbeiten, zu überwinden. Gerade die Stammesführer im so genannten Sunniten-Dreieck bis heute nicht breit, mit den USA oder dem irakischen Übergangsrat zu kooperieren. Die Festnahme Saddam Husseins bietet die Möglichkeit diese Front der Verweigerung aufzubrechen. Politische Signale aus Washington, die Machtübergabe an eine irakische Regierung zu beschleunigen, würde die Zusammenarbeit mit Vertretern der Sunniten erleichtern.

    Im Gegensatz zum April sind die Voraussetzungen im Bereich der Wirtschaft für einen Aufschwung wesentlich günstiger. Die Schaden der Infrastruktur sind weitgehend beseitig und die Versorgung mit Wasser und Strom hat sich verbessert. In den kommenden Wochen soll sogar ein neues mobiles Telefonsystem in Betrieb genommen werden. Es wird zwar nicht den großen Boom geben, auf den die Iraker gehofft haben. Aber ein erstes Absinken der hohen Arbeitslosigkeit zeichnet sich ab.

    An diesem Tag beherrschte Saddam Hussein nochmals die Schlagzeilen. Der Jubel in vielen Städten des Irak zeigt, dass viele sich erst jetzt befreit fühlen. Aber es gab auch Geschmacklosigkeiten: Filmaufnahmen von der Untersuchung des Häftlings Saddam Hussein überschreiten die Grenzen den Menschenwürde, die auch einem solch brutalen Diktator zuteil werden muss. Ein Portrait des Neu-Häftlings von Brigitte Baetz.

    Der Irre von Bagdad, der Schlächter, der Größenwahnsinnige – die Liste der unschmeichelhaften Beinamen Saddam Husseins ließe sich beliebig fortsetzen. Im Westen, vor allem in den USA, war der irakische Diktator lange Zeit geradezu der Inbegriff des Bösen. Auch wenn die Auseinandersetzung um die Legitimität des derzeitigen amerikanischen und britischen Krieges gegen den Irak es in Vergessenheit geraten ließen: Saddam Hussein gehörte zu den größten Despoten der vergangenen Jahrzehnte. Sein Zynismus zeigte sich für die Weltöffentlichkeit kurz vor Ausbruch des Zweiten Golfkrieges 1991, als er vor laufenden Kameras einem kleinen Jungen den Kopf tätschelte, dessen Eltern er als Geiseln genommen hatte. Auch sein eigenes Volk schonte er nicht – damals wie heute.

    Der Feind steht jetzt fest auf dem heiligen irakischen Boden, der beschützt wird von seinem Volk und seiner Armee, die ihm, dem Feind, mit Härte und Präzision entgegen treten. Ihr Iraker trefft ihn mit der Seele und der Härte des Heiligen Krieges. Macht ihn müde, so dass er unfähig wird, weitere Verbrechen gegen Euch zu verüben und gegen die Menschlichkeit....

    Als Saddam seine Durchhalteparolen Ende März über das staatliche Fernsehen verbreiten ließ, war längst klar, dass die Zeit seines Regimes abgelaufen war. Der Wille, dabei im Zweifel sein ganzes Volk mit in den Untergang zu reißen, passt in die Vita eines Mannes, die von Kindesbeinen an von Gewalt geprägt war.

    Saddam Hussein hat gewiss mehr Menschen auf dem Gewissen als jeder andere arabische Herrscher seiner Generation. Ja, man kann sich mit Recht fragen, ob der Mann aus einem Dorf in der Nähe von Tikrit überhaupt so etwas wie ein Gewissen besaß. Im Alter von 19 Jahren beging er für seinen Onkel den ersten Auftragsmord. Kurz nach seiner Amtsübernahme als irakischer Präsident ließ er 1979 alle Rivalen in Partei und Regierung hinrichten. Im eigenen Land bombardierte er kurdische Dörfer mit Giftgas. Seine Soldaten schickte er ohne mit der Wimper zu zucken in einen sinnlosen Krieg mit dem Iran, in dem mindestens eine halbe Million Menschen den Tod fanden. Gefolgsleute und Verwandte, die es wagten, gegen seinen autoritären Führungsstil aufzubegehren, bezahlten dafür mit dem Leben. Er überfiel Kuwait und nahm, wie auch zwölf Jahre später, einen Krieg mit den USA in Kauf. Zynisch stilisierte er sich kurz vor dem Ende zum Opfer, seinen Kampf gegen Amerika zur Sache der arabischen Welt.

    .Die Politik unseres Landes ist, das Böse zu verhindern. Doch wenn das Böse zu uns kommt, mit seinen zerstörerischen Waffen, dann müssen wir uns in den Heiligen Krieg begeben und glauben. Das wird uns mit Stolz erfüllen und Gott gefallen...

    Trotz der von ihm mit verursachten Kette der Gewalt war Saddam Hussein lange Zeit für viele Menschen im Irak und in anderen arabischen Ländern eine Art Hoffnungsträger. Man liebte und verehrte ihn wie einen Popstar. Die Händler im Souk von Amman boten Uhren mit seinem Porträt zum Kauf an. Und selbst den frustrierten Jugendlichen im weit entfernten Marokko schien sein Name Erlösung zu verheißen. Saddam, Saddam – diesen Ruf hörte man 1990 von Casablanca bis Ramallah. Saddam Hussein war in den Augen der Hoffnungslosen der einzige arabische Herrscher, der es im so genannten Zweiten Golfkrieg wagte, offen gegen die verhasste Supermacht USA und ihren Verbündeten Israel aufzubegehren. Dafür sahen seine Anhänger gerne über alle Schandtaten und Menschenrechtsverletzungen hinweg. Bis zu Husseins blutigem Kuwait- Abenteuer hatten auch die USA und die meisten europäischen Staaten zur Seite geschaut. Sie wollten den Terror, mit dem der Herrscher am Tigris jegliche Opposition erstickte, lieber nicht an die große Glocke hängen. Denn hatte Hussein nicht auch Erfolge vorzuweisen: die Reform des Bildungswesens zum Beispiel, die Förderung der Frauenarbeit, die Förderung der Wissenschaft? Und: Seine schlagkräftige Armee konnte als Bollwerk gegen das iranische Regime der Mullahs dienen. Ayatollah Khomeini hieß schließlich in den 80er Jahren der orientalische Bösewicht Nummer eins.

    Saddam Hussein wurde nach offizieller Darstellung am 28. April 1937 in Tikrit am Tigris als Sohn einer Bauernfamilie geboren.

    Früh erfuhr er, dass Gewalt ein probates Mittel sein kann, um die eigenen Interessen durch zu setzen. Schon als Junge verschaffte er sich mit Aggressivität Respekt, in die Schule nahm er eine Pistole mit. Sein Vater ist unbekannt, sein Stiefvater verprügelte ihn.

    Zur Politik kam er durch einen Onkel, der das Straßenkind in seine Obhut nahm und nach Bagdad brachte. Dieser Onkel war im Gefängnis gewesen, weil er sich gegen die britischen Oberherren des Irak aufgelehnt hatte. Zudem hatte er an einem fehlgeschlagenen Attentat auf den Haschemitenkönig Feisal II. teilgenommen. Saddam lernte, dass politische Macht im Irak nicht durch Wahlen, sondern durch Usurpation erlangt wird: Das Königtum wurde durch eine Militärdiktatur abgelöst, dieses wiederum durch das Regime der Baath-Partei. Diese Partei war 1947 in Damaskus gegründet worden mit dem Ziel, die arabische Welt von allen Formen der Fremdherrschaft zu befreien und sie politisch wie wirtschaftlich zu einen. Die Realität sah bald anders aus. Vordergründig sozialistischen Idealen verpflichtet, ist sie in den beiden Ländern, in denen sie an die Macht kommt, in Syrien und dem Irak, bald nur noch ein Machtinstrument.

    Auf dem Rücken der Baath-Partei macht Saddam Hussein Karriere. Empfohlen hatte er sich schon als ganz junger Mann durch seine Beteiligung an einem Attentatsversuch auf den Militärdiktator Kassem. Unter dem Staats- und Parteichef Hassan al-Bakr beginnt in den siebziger Jahren sein Aufstieg. Jahre 1979 löst er ihn als Staats- und Regierungschef, Baath-Generalsekretär und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ab.

    Dieser Al-Bakr wird zu den wenigen Rivalen gehören, die er nicht zu liquidieren wagt. Denn kurz nach seiner Amtsübernahme macht er auch kurzen Prozess. Bei einer Sitzung vor laufender Fernsehkamera lässt er zahlreiche Genossen und Regierungsmitglieder abführen, die sofort hingerichtet werden. Nachdem seine Opfer den Saal verlassen haben, vergießt er – noch vor laufender Kamera – ein paar Tränen.

    Innerhalb kürzester Zeit baut Saddam Hussein den Irak zum totalen Überwachungsstaat aus. Den Parteiapparat, die Geheimdienste und die Armee hält er mit einem System gegenseitiger Bespitzelung und regelmäßigen blutigen Säuberungswellen in Schach. Schlüsselpositionen in Armee, Geheimdiensten und Regierung besetzt er zum Teil mit nahen Verwandten. Die Kultur der Gewalt zielt aber bald nicht nur nach innen. Durch die USA ermutigt, greift der Irak 1980 den Iran an. Anlass: ein kleiner Streifen Land um den Shatt al Arab. Acht Jahre wird dieser Feldzug dauern, bis er durch einen einfachen Waffenstillstand beendet ist. Dieser Erste Golfkrieg wird unterstützt durch die Golfstaaten, die hoffen, dass Saddam Hussein die Islamische Revolution aufhalten wird. Ähnliche Motive hat der amerikanische Geheimdienst, der die irakische Armee mit Satellitenbildern von der Front versorgt. Unruhen in den nordirakischen Kurdengebieten schlägt Saddam unterdessen mit Giftgaseinsätzen nieder.

    Das alles ließ die westliche Öffentlichkeit relativ unbeeindruckt. Der Golf schien den meisten Europäern weit entfernt. Doch das sollte sich bald ändern. Das Verhältnis zwischen Saddam und den Golfstaaten verschlechtert sich. Letztere bestehen nämlich auf Teilrückzahlung des Geldes, das sie Saddam für seinen Feldzug gegen den Iran gegeben haben. Saddam gerät damit in eine Zwickmühle: Er hatte seinem Volk nach den Entbehrungen des Krieges einen wirtschaftlichen Aufschwung versprochen, der nun an der Schuldenlast zu scheitern droht. Im Sommer 1990, nach einem monatelangen Streit mit dem Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten über Ölförderquoten lässt Saddam unter dem Vorwand, eine Revolution im Nachbarland unterstützen zu wollen, Truppen in Kuwait einmarschieren. Er erklärt das reiche Emirat kurzerhand zur irakischen Provinz. Doch Saddam verkalkuliert sich, vor allem, was die Haltung der USA betrifft.

    George Bush: Saddam Hussein sagt Euch, dass irakische Truppen nach Kuwait gerufen worden seien. Das ist nicht wahr. In Wirklichkeit wehren sich die Bürger von Kuwait mutig gegen diese Besetzung durch eine wesentlich stärkere Militärmacht. Eure zurückkehrenden Soldaten werden Euch bestätigen, dass sich die kuwaitischen Truppen mit aller Macht wehren. Saddam Hussein sagt Euch, dass diese Krise ein Kampf zwischen dem Irak und Amerika sei. Doch in Wirklichkeit ist es der Irak gegen den Rest der Welt. Vielleicht unterschätzen Eure Führer die militärische Stärke der Vereinigten Streitkräfte, die sie gegen sich haben. Lasst es mich klar sagen: ein irakischer Sieg ist ausgeschlossen.

    Saddam ignoriert eine UNO-Resolution nach der anderen und versucht, die Kuwait-Frage mit dem Palästinenser-Problem zu vermischen. Doch mehr als die Unterstützung der arabischen Massen und der völlig machtlosen PLO bringt ihm das nicht. Die USA unter George Bush lassen nicht mit sich handeln und bieten dem Provokateur in Bagdad nicht die Möglichkeit, sich ohne Gesichtsverlust aus dem Emirat am Golf zurück zu ziehen. Mit der von der UN abgesegneten "Operation Wüstensturm", die auch von den Nachbarn Syrien und Jordanien gebilligt wird, wird Saddam vernichtend geschlagen. Die Bodenoffensive zwingt die irakischen Truppen zum Abzug aus Kuwait. Der Irak erkennt alle UNO-Resolutionen an, unter anderem die Zahlung von Reparationen und den Verzicht auf ABC-Waffen.

    Doch der Macht- und Militärapparat Saddams bleibt voll funktionsfähig. Auch die anschließenden Aufstände der schiitischen Minderheit im Süden und der Kurden im Norden stürzen den Machtpolitiker nicht vom Sockel. Mit brutaler Gewalt geht er gegen die Aufständischen vor. Vergebens hoffen vor allem die Kurden auf den militärischen Beistand durch die USA. Zur Kontrolle des Diktators beschließt der UN-Sicherheitsrat eine ständige Überwachung der irakischen Rüstungsindustrie. Da Bagdad aber immer wieder versucht, die Inspektoren hinters Licht zu führen, erhöhen die Vereinten Nationen den Druck. Strenge Wirtschaftssanktionen werfen das Land um Jahre zurück. Die Kindersterblichkeit steigt, Krankenhäuser können nicht mehr arbeiten. Schulen und Fabriken verfallen. Der Mittelstand muss sein Hab und Gut verkaufen, um genügend zu essen zu haben. Eine halbe Million Iraker kommen infolge der Sanktionen ums Leben. Die Inflationsrate beträgt zeitweilig 6.000 Prozent. Immer wieder bombardieren Briten und Amerikaner die beiden Flugverbotszonen des Landes. Doch die militärischen Strafaktionen erreichen nichts.

    Auch im Inneren kommt es kaum noch zu Aufständen. Jedes irakische Kind weiß, dass Saddam mit jedem kurzen Prozess macht, der auch nur eine Spur von Kritik äußert. Schließlich werden Hinrichtungen von Regime-Gegnern hin und wieder auch im Fernsehen übertragen. Zudem machen viele Iraker nicht Saddam, sondern die USA und Großbritannien für ihre schlechte Lage verantwortlich. Der Herrscher von Bagdad, der seinen Geburtsort offiziell nach Tikrit verlegen ließ, der Heimat Sultan Saladins, sah sich gern als Führer der arabischen Welt. Man musste wohl kein Psychologe sein, um vorherzusehen, dass der Aufsteiger aus kleinsten Verhältnissen nie und nimmer den amerikanischen Ultimaten der letzten Monate nachgeben würde, die zum Schluss das Ziel hatten, ihn aus dem Irak zu vertreiben.