Was uns der Regisseur allerdings mit Brechts "Die Mutter" sagen will, bleibt weitgehend unklar. Auf einer in den offenen Raum gehängten leeren weißen Bühnenschräge, die Bühnenbildner Karl Ernst Herrmann in Form eines an einer Spitze geröteten Sowjetsternes als Demonstrier-Bühne gestaltet hat, werden Kunstfiguren zusammengeführt. Alle kommen weißgeschminkt und mit schwarzen Mündern daher. Der grobe Kommissar ist ein Schwarzclown, ein anderer Polizist wirkt wie ein mächtiges Walross, und die Arbeiter tragen am Schluss knallrote Ohren an den resignierten Köpfen. Sie alle sind stets undeutliche Zitate von ... irgend etwas. Es ist dies eine Inszenierung von zugleich äußerlich ungemein wirkungssicherer wie innerlich zielloser Theatralik. Mit Personen, die aus keiner konkreten Zeit stammen. Sie sind nicht von gestern, und von heute sind sie erst recht nicht. Und nur die Mutter ist ein lebendiger Mensch. Ihre Darstellerin Carmen Maja Antoni wurde nicht zu einer verfremdeten Kunstfigur geschminkt, und sie wird als einzige auch immer in das gelb-warme Licht der Lebendigkeit getaucht. Denn die Witwe Pelagea Wlassowa wird im zaristischen Russland zur Revolutionärin aus reiner Menschlichkeit. Zuerst will sie ihren Sohn Pawel schützen. Dann aber versteht sie die so genannte "dritte Sache" neben sich und ihrem Sohn und propagiert im "Lob des Kommunismus" diesen als "das Einfache, das schwer zu machen" sei. Da Brecht alle Erkenntnisse aus Situationen und Konflikten zwischen Menschen erwachsen lässt, besitzt die klippschulhafte Thesenhaftigkeit, mit der er uns mit dem Lernprozess der "Mutter" den Kapitalismus und dessen Ausbeutungsmechanismen erklärt, gelegentlich durchaus sinnliche Qualität. Doch Brechts alte Lehrstück-Szenen werden weder den Erfahrungen mit real erlebtem Kommunismus noch den neuen Anforderungen einer globalisierten Welt gerecht. Wie dieses "Familiendrama auf dem epischen Theater", wie Walter Benjamin das Stück genannt hat, heute gespielt werden könnte, weiß auch Claus Peymann nicht. Deshalb mogelt er sich mit Kunstfertigkeit und gelegentlicher, ausgestellter Skepsis an kritischen Stellen vorbei, so am "Lob des Kommunismus" und am auftrumpfenden "aus niemals wird heute noch" des Schlusses.
Die neue musikalische Bearbeitung von Hans Eislers Musik durch Michael Gross ist allerdings nahezu genial. Sie überformt das historische Musikmaterial mit zarter Kraft, sie gibt ihm heutige Beweglichkeit und nimmt ihm altes Pathos. Das klingt frisch, manchmal auch schräg, immer aber drängend und lebendig.
Aber was die Aufführung letztlich wirklich rettet, ist Carmen Maja Antoni in der Titelrolle. Die kleine Schauspielerin, die zu DDR-Zeiten schon viele große Brecht-Rollen gespielt hat, kommt als gewitzte, selbstbewusste Person daher. Diese Mutter ist eine Dialektikerin des Mutterwitzes und eine nachdenkende Macherin. Carmen Maja Antoni zeigt zwar nicht die von Brecht geforderte Lernende. Doch sie spielt eine immer selbstbewußter werdende Frau, die mit zugleich so disziplinierter wie unbändiger und emotionaler Kraft auftritt, dass all die ziselierten Kunstfiguren neben ihr noch blasser wirken, als sie ohnehin schon geschminkt sind. Allein Manfred Karge vermag in der Rolle des sich zum Streik ereifernden Metzgers mitzuhalten.
Anders als die Schaubühne in ihrer ersten Inszenierung 1970, als sie das Stück mit Therese Giese in der Titelrolle für die damalige Zeit zu gewinnen versuchte, stellt Peymann an Brechts Text keine Fragen. Wo Peter Stein mit seinen beiden Co-Regisseuren den Text für damals aktuelle und von heute aus gesehen auch durchaus politisch naive Haltungen und Figuren benutzte und ihn so befragte, da bedient Peymanns wirkungssüchtige und denkfaule Inszenierung Brechts heute naiv wirkenden Text nur mit Regieeinfällen. Und er implantiert ihm Rosa Luxemburgs große polit-propagandistische Worte. Das aber ergibt kein politisches Theater, sondern nur vortheatrale und vorpolitische Progaganda.
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624.html
Die neue musikalische Bearbeitung von Hans Eislers Musik durch Michael Gross ist allerdings nahezu genial. Sie überformt das historische Musikmaterial mit zarter Kraft, sie gibt ihm heutige Beweglichkeit und nimmt ihm altes Pathos. Das klingt frisch, manchmal auch schräg, immer aber drängend und lebendig.
Aber was die Aufführung letztlich wirklich rettet, ist Carmen Maja Antoni in der Titelrolle. Die kleine Schauspielerin, die zu DDR-Zeiten schon viele große Brecht-Rollen gespielt hat, kommt als gewitzte, selbstbewusste Person daher. Diese Mutter ist eine Dialektikerin des Mutterwitzes und eine nachdenkende Macherin. Carmen Maja Antoni zeigt zwar nicht die von Brecht geforderte Lernende. Doch sie spielt eine immer selbstbewußter werdende Frau, die mit zugleich so disziplinierter wie unbändiger und emotionaler Kraft auftritt, dass all die ziselierten Kunstfiguren neben ihr noch blasser wirken, als sie ohnehin schon geschminkt sind. Allein Manfred Karge vermag in der Rolle des sich zum Streik ereifernden Metzgers mitzuhalten.
Anders als die Schaubühne in ihrer ersten Inszenierung 1970, als sie das Stück mit Therese Giese in der Titelrolle für die damalige Zeit zu gewinnen versuchte, stellt Peymann an Brechts Text keine Fragen. Wo Peter Stein mit seinen beiden Co-Regisseuren den Text für damals aktuelle und von heute aus gesehen auch durchaus politisch naive Haltungen und Figuren benutzte und ihn so befragte, da bedient Peymanns wirkungssüchtige und denkfaule Inszenierung Brechts heute naiv wirkenden Text nur mit Regieeinfällen. Und er implantiert ihm Rosa Luxemburgs große polit-propagandistische Worte. Das aber ergibt kein politisches Theater, sondern nur vortheatrale und vorpolitische Progaganda.
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