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"Das Problem hat sich ganz gewaltig erweitert"

Für Wolfgang Starein, Rechtsexperte der Weltorganisation World Intellectual Property Organization, ist es wichtig, junge Menschen zum Respekt vor dem geistigen Eigentum zu erziehen. Anlässlich des Welttags des geistigen Eigentums rief Starein die Politik auf, schneller auf Fehlentwicklungen zu reagieren.

Moderation: Michael Köhler |
    Michael Köhler: Die Forderung ist nicht neu. Und je mehr die digitalen Techniken das Kopieren, Samplen und Klauen ermöglichen, desto schwieriger wird es, Ansprüche von Autoren durchzusetzen. Geist, Bildung, Wissen, das seien das Öl, der Treib- und Rohstoff moderner Gesellschaft, heißt es aus der Politik. In einem offenen Brief der Musikindustrie an die Kanzlerin haben nun Komponisten, Musiker, Schriftsteller, Verleger ihre Sorge zum Ausdruck gebracht, was das Urheberrecht angeht. So unterschiedliche Künstler wie Udo Lindenberg, René Kollo, Yvonne Catterfeld und Peter Maffay sprechen von 300 Millionen illegal heruntergeladener Musikstücke. In China setzt sich die Kanzlerin gegen Produktpiraterie ein, zu Hause tue sie aber zu wenig. Die Frage ging an den Rechtsexperten der Weltorganisation World Intellectual Property Organization, Wolfgang Starein, eine Organisation zum Schutz geistigen Eigentums, in Genf. Stimmt das so?

    Wolfgang Starein: Es ist so, einen wirklichen Umschwung können Sie nur langfristig dadurch erreichen, indem Sie eben insbesondere jungen Menschen auch dazu erziehen, Respekt vor dem geistigen Eigentum zu entwickeln. Auf der einen Seite geht es natürlich darum, um Ihre Rechte durchzusetzen, müssen Sie sich gegen die Verletzer zur Wehr setzen, die im ganz großen Stile anbieten.

    Köhler: An wen denken Sie da konkret, an die Tauschbörsen?

    Starein: Tauschbörsen ist insbesondere natürlich eine wichtige Sache. Aber diejenigen, die das illegal tun, es gibt natürlich auch die Möglichkeit, legal sich Musiktitel zu beschaffen im Internet.

    Köhler: Kann man der Telekommunikationsindustrie, wie es geschehen ist, den Schwarzen Peter zuschieben und sagen, sie profitiere ja von der Nutzung dieser Tauschbörsen, tue aber nichts für den Schutz von geistigem Eigentum?

    Starein: Ich glaube, das ist etwas zu einfach gesehen. Es ist häufig so natürlich, dass Sie illegale Angebote haben. Und es ist sehr schwer, gegen diese vorzugehen. Es ist auch so, Sie müssen ja sehen, dass das Recht, wenn Sie so wollen, ein bisschen hinterherläuft. Das heißt, bis bestimmte Fehlentwicklungen klar festgestellt sind und der Gesetzgeber darauf reagiert, vergeht immer eine gewisse Zeit. Und es gibt natürlich auch häufig eine Diskussion über den Umfang der Schutzrechte und wie sie am besten geschützt werden sollen. Es sind häufig eine ganze Reihe von schwierigen Fragen, die da zu klären sind, und das macht es etwas komplizierter.

    Köhler: Nun haben wir gerade gehört aus der Presse, dass Bertelsmann ein Jahrbuch herausgeben will der meist genutzten Wikipedia-Stichwörter, der freien Internetenzyklopädie. Da ist zum Beispiel überhaupt nicht nachgefragt worden, wie sieht es dann mit dem Urheberrechten aus in dieser freien Netzenzyklopädie.

    Starein: Das ist einer der Punkte, wo wir natürlich ungern dazu Stellung nehmen. Das sind Fragen, die eben zum Teil noch nicht geklärt sind. Sicherlich werden sich da Autoren zur Wehr setzen, wenn eben im weiten Umfange in Stichworten von Werken Gebrauch gemacht wird. Es kommt eben immer darauf an, wie das im Detail aussieht. Und wenn Sie jetzt den Bereich der Musik, das ist ja nur ein Bereich, sehen, dann gibt es natürlich auch häufig Institutionen wie die GEMA Deutschland, die eben die Rechte geltend macht für eine ganze Reihe von Autoren. Das ist normalerweise nicht so, dass ich mich als einzelner Autor da zur Wehr setze.

    Köhler: Würden Sie aus Ihrer Erfahrung heraus sagen, dass die Sicherung des geistigen Eigentums heute vielleicht eine bessere ist als vor 20 Jahren? Oder würden Sie sagen, umgekehrt, sie ist ein bisschen mehr gefährdet durch die vielen verschiedenen Kopiermöglichkeiten, digitalen Tonträger etc.?

    Starein: Ja, zum einen haben Sie natürlich viel bessere Kopiermöglichkeiten, zum anderen haben Sie einen weltweiten Handel. Sie haben jetzt im Wesentlichen die Frage der Musikindustrie angesehen. Aber wir haben im Welthandel einen viel größeren Umschlag von Produkten, und sehr viele Produkte kommen eben als nachgeahmte, als gefälschte Produkte auf den Markt. Und da haben Sie sozusagen ein Globalisierungsproblem. Die Situation hat sich keineswegs erleichtert, eben durch den viel größeren Welthandel haben Sie auch viel größere Probleme heute. Das heißt aber nicht, dass der Schutz als solcher unbedingt schlecht geworden ist, sondern mit einem sehr großen Warenumschlag haben Sie eben auch viel größere Gefahren. Und dann, wie gesagt, auf dem Gebiet der Technik gibt es natürlich viel größere Möglichkeiten. Das macht sich dann insbesondere im Bereich der Urheberrechtsverletzungen bemerkbar.

    Köhler: Herr Starein, wir haben gesprochen über was von Kulturinteresse ist, über Verleger, Schriftsteller, Musiker etc. Aber der Bereich der Produktpiraterie umfasst ja doch noch mehr. Was begegnet Ihnen da so in Ihrer beruflichen Praxis?

    Starein: Ja, Sie haben früher hauptsächlich das Phänomen gehabt, dass eben die Luxusgüter Uhren, Handtaschen, Schals usw. von ganz bekannten Herstellern nachgeahmt wurden, und das Problem hat sich ganz gewaltig erweitert. Heute werden fast alle Produkte nachgeahmt. Und wir begegnen insbesondere immer häufiger Fälschungen, die Gesundheitsrisiken mit sich bringen. Das ist insbesondere auf dem Bereich der Medikamente sehr, sehr problematisch geworden. Sie haben natürlich auf dem deutschen Markt, wo insgesamt eine relativ gute Kontrolle herrscht, dieses Problem nicht in so eklatanter Form. Aber in Entwicklungsländern haben Sie häufig ganz erschreckende Zahlen von gefälschten Medikamenten und natürlich auch mit ganz fürchterlichen Folgen. Das ist unsere große Sorge im internationalen Bereich.

    Köhler: Sagt Wolfgang Starein zum Tag des geistigen Eigentums.