Archiv


"Das Profil schärft man nicht durch permanentes Hickhack"

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hat seine Partei dazu aufgefordert, auch in Zeiten der Großen Koalition ihr Profil zu schärfen. Dazu müsse die eigene Handschrift klar herausgearbeitet werden, sagte Pofalla. Pofalla verwies zugleich auf die Erfolge der Union bei der Reformpolitik der Regierung. Er äußerte sich überzeugt, dass die Große Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode regieren werde.

Moderation: Peter Lange |
    Peter Lange: In der SPD, zu Zeiten des Bundeskanzlers Gerhard Schröder, war das fast schon normal. Aber für die CDU ist das doch eine ungewohnte Erfahrung: Die erfolgsverwöhnte Union verliert als Regierungspartei in Umfragen deutlich an Zustimmung und schon melden sich Parteifreunde von der Peripherie - namhafte und nicht ganz so namhafte -, denen die ganze Richtung passt. Die Gesundheitsreform müsse revidiert und zu einer richtigen Reform gemacht werden. Die Stammwähler seien verunsichert, weil die Union kaum Profil zeige. Und dass niedrige Steuern zu mehr Investitionen und damit zu neuen Arbeitsplätzen führen, das sei gar eine Lebenslüge der CDU. Es sieht nach viel Arbeit aus für die Parteivorsitzende Angela Merkel und auch für ihren Generalsekretär Ronald Pofalla, nach dem Urlaub die Linie der Parteiführung wieder plausibel zu machen. Der Generalsekretär der CDU ist jetzt am Telefon. Morgen, Herr Pofalla.

    Ronald Pofalla: Guten Morgen, Herr Lange.

    Lange: Herr Pofalla, wie bewerten Sie denn diese Vielstimmigkeit? Ein ganz normales Rumoren oder der Anfang von einem tiefer gehenden Meinungsumschwung?

    Pofalla: Wir haben eine natürlich partielle Veränderung der Umfragesituation. Aber es ist ja nun nicht so, dass wir insgesamt jetzt auf einem Niveau agieren, das unterhalb des letzten Bundestagswahlergebnisses liegt. Es gibt Umfragen, die sehen uns bei 37 bis 38 Prozent, bei der Forschungsgruppe Wahlen oder bei der GMS Hamburg. Andere sehen uns bei 32 bis 33 Prozent. Wir werden weiter daran arbeiten müssen, dass wir das Vertrauen in die CDU in der großen Koalition weiter schärfen. Und das ist möglich.

    Lange: In welcher Weise?

    Pofalla: Indem wir das Profil der Union auch in Zeiten der großen Koalition deutlich machen. Das Profil schärft man aber nicht durch ein permanentes Hickhack mit unserem Koalitionspartner. Das Profil schärfen wir, indem wir unsere Handschrift in der Arbeit der großen Koalition deutlich machen und indem wir die Modernisierung der Erneuerung der CDU über die zweijährige Grundsatzprogrammdebatte, die vor drei Monaten begonnen hat, vorantreiben.

    Lange: Im Grunde machen Sie doch jetzt die gleiche Erfahrung wie die andere große Volkspartei auch, dass die eigentliche Opposition in dieser Regierungskoalition immer eingebaut ist. Was immer in Berlin beschlossen wird, es ist immer nur Minimalkonsens, immer frustrierend und zuweilen auch mit, na sagen wir mal: etwas aberwitzigen Kompromissen geschlagen?

    Pofalla: Ja diese Auffassung teile ich nachhaltig nicht. Natürlich gibt es auch Kompromisse, die dem entsprechen, was Sie gesagt haben. Aber wir haben doch große Reformvorhaben beschlossen und vorangetrieben. Wir haben die größte Rentenreform mit der Rente mit 67 beschlossen. Wir haben die Föderalismusreform, die größte Verfassungsreform seit 1949, beschlossen. Und wir haben in dem Eckpunktepapier zur Gesundheitsreform zum ersten Mal einen Systemumbau im Gesundheitssystem beschlossen, den es jetzt gilt, im Herbst und im Winter gesetzlich umzusetzen. Und der Einstieg in einen Gesundheitsfonds - davon bin ich fest überzeugt - ist zum ersten Mal im Gesundheitssystem der Einstieg in ein Wettbewerbssystem im Gesundheitssystem.

    Lange: Aber warum gelingt es nicht Ihnen, das Ihren Parteifreunden plausibel zu machen?

    Pofalla: Weil das jeweils unglaublich komplexe Reformvorhaben sind. Und die Komplexität dieser Reformvorhaben im Einzelnen als auch in der Addition der Reformvorhaben stößt in der Vermittlung an Grenzen. Und da werden wir in den nächsten Wochen ganz sicher noch mehr machen, um hier zu einer auch, wie ich glaube, sehr sachlichen Vermittlung der Reformvorhaben zu kommen.

    Lange: Nehmen wir die Gesundheitsreform, die schwierigste Baustelle wohl. Von Kostendämpfung ist da jetzt schon lange nicht mehr die Rede. Gesundheit wird für den Normalbürger auf jeden Fall teurer. Braucht es dann dafür eine Reform, bei der zuallererst ein größerer bürokratischer Aufwand auffällt?

    Pofalla: Ich teile diese Einschätzung, dass es keine Kostendämpfung gibt, nicht. Wir haben etwa eingespart drei bis vier Milliarden Euro für das kommende Jahr. Und der Aufschrei der Krankenkassen im Blick auf den Gesundheitsfonds, wo auf der einen Seite behauptet wird, er sei bürokratisch, und auf der anderen Seite behauptet wird, er würde zu einem Verlust von bis zu 30.000 Arbeitsplätzen beitragen, macht doch deutlich, welche Synergieeffekte wir durch den Gesundheitsfonds im Gesundheitssystem ermöglichen. Aber es wird eben nicht von Anfang an sozusagen eine Einsparung stehen, sondern in den nächsten Jahren wird die Einführung des Gesundheitsfonds zu einer dynamischen Entwicklung im Gesundheitssystem, aber auf der Einsparseite, führen.

    Lange: Aber es sind ja nicht nur die Krankenkassen, die das monieren. Es gehören auch Ihre Parteifreunde Austermann und Meyer dazu.

    Pofalla: Herr Meyer hat angeregt - und dafür habe ich vollstes Verständnis -, dass wir die Abweichungsmöglichkeiten, die wir in dem Eckpunktepapier beschrieben haben, mit einem Prozent des gesamten Familieneinkommens größer gestalten im Blick auf die kleine Prämie, die sozusagen von den Versicherten dann zusätzlich an die Krankenversicherung gezahlt werden muss, wenn der von dem Fonds überwiesene Betrag, der ja einheitlich für alle Versicherten ist, nicht ausreicht. Dafür habe ich Verständnis. Wir haben versucht, hier eine größere Regelung zu bekommen, zwei Prozent-Regelung. Das ist nicht gelungen. Ob das im Rahmen von Nachverhandlungen möglich ist, weiß ich nicht. Ich würde jetzt aber vorschlagen, dass wir zunächst mal diesen Einstieg machen und dann können wir immer noch versuchen, nachzusteuern, wenn die entsprechende Umsetzung der Gesundheitsreform erfolgt ist.

    Lange: Herr Pofalla, mehr Profil wird gefordert, Sie haben es vorhin selbst angesprochen. Sie selbst haben jetzt ein Profilierungsvorstoß gemacht, eine Art Familienhaftung vorgeschlagen bei Arbeitslosigkeit, die jungen Leute sollen für arbeitslose Eltern aufkommen. Ist das mehr als nur Profilierungsversuch?

    Pofalla: Ja, mir geht es wirklich nicht um Profilierung, sondern mir geht es darum, dass nach der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe wir die Fehler, die bei der Einführung gemacht worden sind, korrigieren. Sie müssen sehen, dass die Arbeitslosen- und die Sozialhilfe ein steuerfinanziertes System ist. Und wir hatten in der alten Sozialhilfe altersmäßig unbegrenzte Einstandspflichten von Familienmitgliedern untereinander. Und nun ist es erst im Rahmen der Koalitionsverhandlungen im November des vergangenen Jahres gelungen, dass wir uns mit den Sozialdemokraten darauf in einem ersten Schritt verständigt haben, dass die Familie, in dem Fall die Eltern, für unter 25-jährige Kinder einstehen dann, wenn sie Arbeitslosengeld II beziehen. Ich halte diese Regelungen nicht für ausreichend. Ich glaube, dass wir zu den alten sozialhilferechtlichen Regelungen zurückkommen müssen, weil ich der festen Überzeugung bin, dass diese Einstandspflicht keine Einbahnstraße der Eltern im Blick auf ihre Kinder, sondern auch im Blick auf die Kinder hinsichtlich der Eltern möglich sein muss, so wie es im alten Sozialhilferecht möglich war.

    Lange: Aber es gibt ja bereits eine Unterhaltspflicht für Kinder gegenüber pflegebedürftigen Eltern. Und da gibt es auch eindeutige und frische Urteile des Verfassungsgerichts, die dem auch enge Grenzen setzen.

    Pofalla: Ja, aber Sie sprechen ja eben genau an, dass das eine Entscheidung ist hinsichtlich der Pflegefallsituation von Eltern. Und ich vertrete jetzt die Auffassung: Das, was das Verfassungsgericht - übrigens mit großen Freigrenzen, also da muss jetzt nicht jemand glauben, dass er sozusagen für schon den ersten Euro beim Arbeitslosenhilfegeld II für seine Eltern eintreten muss, da gibt es sehr große Freigrenzen -, wenn wir den Rahmen des Bundesverfassungsgerichtes einhalten, können wir dieses System übertragen auf das Arbeitslosengeld II.

    Lange: Von Jürgen Rüttgers, dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, stammt diese Formulierung von der Lebenslüge der CDU: Niedrige Steuern führen nicht zu neuen Arbeitsplätzen. Was werden Sie ihm sagen, wenn Sie ihn das nächste Mal sehen?

    Pofalla: Ich halte mich an den Begriff, den die CDU seit ihrer Gründung trägt. Wir sind die Partei der sozialen Marktwirtschaft. Der Kurs der CDU ist daher klar. Wir wollen die soziale Marktwirtschaft auch unter den Bedingungen der Globalisierung zum Erfolg führen. Ich sehe da überhaupt gar keinen Dissens.

    Lange: Wie erklären Sie sich, dass Herr Rüttgers da immer wieder nachlegt?

    Pofalla: Die Sommerpause bietet doch genügend Möglichkeiten, sich zu Wort zu melden, weil die Informationsdichte nicht so intensiv ist wie in anderen Zeiten.

    Lange: Keiner der Unionspolitiker, ob sie nun Schönbohm, Baldauf, Austermann, Meyer oder Rüttgers heißen, die sagen ja nun solche Dinge völlig unbedacht und ohne taktische Hintergedanken. Halten Sie es für denkbar, dass ein wenig auch schon der Boden bereitet werden soll für den Ausstieg aus der Koalition?

    Pofalla: Das halte ich für gänzlich ausgeschlossen. Wir haben im November einen Koalitionsvertrag geschlossen, der ist auf vier Jahre angelegt. Wir sind der festen Überzeugung, dass die große Koalition die Pflicht, aber auch die Schuldigkeit hat, die großen Reformen in Deutschland in diesen vier Jahren zu bewältigen. Und ich gehe deshalb davon aus, dass diese große Koalition bis zum Herbst des Jahres 2009 hält. Und es gibt für mich überhaupt gar keine Veranlassung für Spekulationen, die in eine andere Richtung gehen.

    Lange: Aber es gehört sicher nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, wie diese Debatte losgeht. Nehmen wir mal an, die Landtagswahlen in Berlin oder Mecklenburg-Vorpommern gehen für die CDU ganz arg daneben?

    Pofalla: Ja nun warten wir erst mal die Landtagswahlen ab. In Mecklenburg-Vorpommern zeigen uns die Umfragen, dass wir vermutlich deutlich besser abschneiden werden als bei den vergangenen Wahlen. Und wir haben durchaus die Aussicht, in Mecklenburg-Vorpommern stärkste Partei zu werden. Und in Berlin sind wir in einer Situation, dass gerade am Wochenende durch Umfragen wieder deutlich geworden ist, dass im Wettstreit der Spitzenkandidaten der CDU-Herausforderer Friedbert Pflüger gegenüber dem Regierenden Bürgermeister Wowereit Boden gut machen konnte. In neun abgefragten Kompetenzfeldern konnte sich Friedbert Pflüger auf sieben Gebieten deutlich verbessern. Ich glaube, das ist für die CDU sowohl in Berlin wie in Mecklenburg-Vorpommern eine gute Ausgangslage, weil ja in beiden Ländern wir rot-rote Landesregierungen haben, die die beiden Bundesländer in ein finanzielles Chaos in den letzten Jahren gestürzt haben. Und ich glaube, das ist den Menschen sowohl in Mecklenburg-Vorpommern wie in Berlin auch deutlich geworden.

    Lange: Aber Herr Pflüger sieht das ganz anders in Berlin. Der Spitzenkandidat sagt: Wir kriegen im Moment Gegenwind vom Bund.

    Pofalla: Ich habe gerade ja geschildert, wir haben Umfragen, die sagen, wir haben 32 Prozent, wir haben Umfragen, die sagen, wir haben 37, 38 Prozent. Das macht ja deutlich, wenn Sie sich die Berliner Zahlen der CDU ansehen, dass wir einen Rückenwind von Berlin haben, weil die Bundeszahlen deutlich besser sind als in Berlin.

    Lange: In den "Informationen am Morgen" war das Ronald Pofalla, der CDU-Generalsekretär. Herr Pofalla, danke für das Gespräch.

    Pofalla: Ich bedanke mich auch.