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Das Ruder herumreißen

Totgesagte leben länger - diese Floskel könnte sich in Clausthal-Zellerfeld einmal bewahrheiten: Die dortige technische Uni galt jahrelang als Problemfall, als zu teuer mit zu wenig Studierenden. Neueste Zahlen sprechen jedoch eine andere Sprache.

Von Hans-Peter Fischer |
    Letzte Woche noch schien es, als könnten an der TU Clausthal die Lichter ausgehen. Der niedersächsische Landesrechnungshof stellte der Hochschule ein ziemlich mieses Zeugnis aus: Auslastung und Wirtschaftlichkeit mangelhaft. Niedersachsens Wissenschaftsminister Lutz Stratmann winkt jedoch ab.

    " Die TU Clausthal hat nie auf einer Streichliste gestanden. Wahr ist, dass wir im Zuge unseres Hochschuloptimierungskonzepts die TU Clausthal mit überdurchschnittlich hohen Kürzungen konfrontieren mussten, das hat aber damit zu tun, dass es eine geringe Auslastung gab und diese geringe Auslastung wiederum hatte damit zu tun, dass man in den vergangenen Jahren notwendige Umstrukturierungen versäumt hat."

    Tatsächlich waren noch vor wenigen Jahren einige Studiengänge kaum nachgefragt, in den Geowissenschaften die Hörsäle nur zu einem Drittel gefüllt. Doch inzwischen hat die Hochschule umgesteuert: Perspektivlose Angebote sind gestrichen, zukunftsweisende Fächer wie Petroleum Engineering oder Rohstoffmanagement werden nach und nach eingeführt. Insgesamt sind derzeit fast 90 Prozent aller Studienplätze belegt, sagt TU-Vizepräsident Hans-Peter Beck.

    " Ich bin insofern enttäuscht, dass der Landesrechnungshof eine Prognose abgibt, dabei aber die neueren Entwicklungen der TU Clausthal nicht genügend berücksichtigt."

    Die Anstrengungen der TU zeigen sich inzwischen auch im Finanziellen: Neuerschlossene Forschungsgebiete bringen 2 Mio. Euro mehr an Drittmitteln, aktueller Lehrstoff wird vermarktet, z.B. als kostenpflichtige Weiterbildung für Ingenieure. Außerdem wirbt die TU um Studierende aus Afrika und Asien. Prompt kritisiert der Rechnungshof: Die Rekrutierung im Ausland erfolge konzeptlos, die schlechte Auslastung solle geschönt werden. TU-Vizepräsident Hans-Peter Beck.

    " Ein Technologietransfer und die Kooperation der deutschen Wirtschaft mit dem Ausland läuft über solche hier in Deutschland ausgebildeten jungen Menschen, die auch die Sprache sprechen, und alle, die nach Clausthal kommen, bekommen hier einen Intensivsprachkurs, insofern kann ich überhaupt nicht verstehen, dass wir vorgehalten bekommen, dass wir zu viele Ausländer haben."

    Der Landesrechnungshof bemängelt, dass in einigen Studiengängen fast die Hälfte der Erstsemester aus dem Ausland kommt - eine Integration sei somit nur schwer möglich. Das kann David Christian Berg, AStA-Referent für Hochschulpolitik, nicht nachzuvollziehen.

    " Wenn der Landesrechnungshof hier war, dann vielleicht vor fünf Jahren, hat sich das einmal angeschaut, der sollte einfach noch mal vorbeikommen, denn die Integration ist nicht wirklich schlecht."

    Der AStA-Referent sieht den hohen Ausländeranteil als Herausforderung, aber auch positiv: So kann der angehende Wirtschaftsingenieur schon im Studium internationale Kontakte für die spätere Berufstätigkeit knüpfen. Keinen Zweifel hat Berg jedenfalls daran, dass die TU Clausthal eine Zukunft hat - und hierin stimmt er mit Hochschulleitung und Wissenschaftsminister Lutz Stratmann überein.

    " Offensichtlich hat der Rechnungshof hier auf veraltetes Datenmaterial zurückgegriffen, das kann passieren, steht mir auch nicht zu, dass zu bewerten, aber der Rechnungshof wird einräumen, wenn er sich die aktuellen Zahlen vor Augen führt, dass das Urteil zu Clausthal vermutlich etwas vorschnell gefallen ist."

    Das sieht der Landesrechnungshof etwas anders: Zwar seien im Jahresbericht neueste Zahlen tatsächlich zu kurz gekommen. Trotzdem haben die Finanzwächter grundsätzliche Zweifel, ob die TU verschlafene Entwicklungen nachholen könne. Und auch wenn die Rechnungsprüfer vordergründig die Harzer Hochschule kritisieren: Gefordert sehen sie auch das Wissenschaftsministerium. Niedersachen brauche eine nachhaltige Hochschulpolitik, um mit weniger Geld effektiver auszubilden und zu forschen.