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Das Ruder herumreißen

Im Jahr 2010 wird die Schifffahrt für ein Drittel der Schwefelemissionen in Europa verantwortlich sein, schätzt die "Aktionskonferenz Nordsee" und fordert einen Kurswechsel. Schützenhilfe hat der Umweltverband nun bei einem Symposium erhalten, zu dem er gestern nach Bremen eingeladen hatte. Meeresschützer und Schifffahrtsexperten warnten dabei zugleich vor Feinstaubproblemen durch Schiffsmotoren. Und auch die Bedrohung einheimischer Meeresbewohner durch eingeschleppte Organismen nimmt offenbar zu.

Von Folkert Lenz |
    Weder Filter noch Katalysatoren. Was an Land längst Standard ist, gibt's an Bord der großen Dampfer nicht. Ungehindert dürfen Seeschiffe ihre Motorenabgase in die Luft pusten. Doch nun schlagen die Experten Alarm. Volker Brenk vom Umweltbundesamt in Dessau hat die Nase voll von dem, was da aus den Schornsteinen raucht:

    " Man muss dabei feststellen, dass wir über Stickoxide in der Schifffahrt reden. Dass wir über Schwefeloxide in der Schifffahrt reden. Die Diskussion, die über Feinstaub und über Partikelemissionen durch den Kraftfahrzeugverkehr im Moment in der Bundesrepublik läuft, ist in der Schifffahrt noch gar nicht entdeckt."

    Doch jetzt wollen die Experten, die sich auf Einladung des Umweltverbandes "Aktionskonferenz Nordsee" in Bremen versammelt hatten, die Debatte eröffnen. Feinstaubalarm - nun also auch im Hafen. Verantwortlich sollen die Billigtreibstoffe der Schiffe sein. Sie sind ohnehin nicht viel mehr als ein Abfallprodukt der Mineralölproduktion. Doch vor allem enthalten sie zu viel Schwefel, sagt der Ingenieur Volker Brenk:

    " Die Partikelemissionen, die in der Schifffahrt mit Sicherheit entstehen, sind weder bilanziert noch gemessen und bedürfen dringend der öffentlichen Aufmerksamkeit. Die Hauptprobleme in der Nordsee entstehen durch die Verwendung schlechter Brennstoffe. Bei den Brennstoffen ist es so, dass die gravierenden Umweltprobleme durch die schlechten Brennstoffe entstehen. Und dabei ist das Problem leicht zu lösen, weil es nur ums Geld geht."

    Durchschnittlich 2,6 Prozent Schwefel enthält das so genannte Bunkeröl für Schiffe. Kein Lastwagen an Land dürfte mit solchem Treibstoff noch herumfahren, die Grenzwerte liegen hier bei einem Zehntel. Doch die Reeder kaufen das Schiffsdiesel mit dem hohen Schwefelgehalt deshalb, weil er rund ein Fünftel billiger ist als sauberer Treibstoff. Ein finanzieller Ausgleich würde es den Schiffsbetreibern erleichtern, auf umweltfreundlicheren Sprit umzusteigen, glaubt Christian Bahlke von der Gesellschaft für Angewandten Umweltschutz im Seeverkehr Gauss:

    " Das Problem ist eben, dass die Reeder überhaupt nicht kompensiert werden für fortschrittliches Verhalten. Und da muss einfach eine Förderung einsetzen, wie es zum Teil ja auch an Land der Fall ist, wenn es darum geht, dass man schadstoffärmere Autos fördern möchte."

    Eine Unterstützung könnte in Form eines Zuschusses oder eines Steuernachlasses gewährt werden - so die Idee. Denn der Preis für schwefelärmeren Treibstoff würde um rund 50 Dollar pro Tonne höher sein als heute, wo die Tonne etwa 250 Dollar kostet.

    In einem weiteren Arbeitskreis beschäftigten sich die Experten mit "marinen Einwanderern". Die Einschleppung fremder Arten und Mikroorganismen in hiesige Gewässer nimmt zu, rechnete der Meeresbiologe Stephan Gollasch vor:

    " Wir haben kalkuliert - während eines Forschungsprogramms des Bundesumweltamts, dass mehrere Millionen Tonnen von Ballastwasser aus außereuropäischen Herkunftsgebieten jedes Jahr in unseren Häfen und Küsten abgegeben werden von Schiffen. Es wird mindestens ein Mal im Jahr eine neue Art in unseren Küstengewässern gefunden, genau genommen ist es alle sieben Monate ein Neuankömmling. Obwohl wir nicht davon ausgehen können, dass alle diese Arten sich dauerhaft bei uns ansiedeln. Manche sind nur eine Saison da."

    Das Ballastwasser benötigen die Schiffe zum Beispiel bei Leerfahrten oder um die Ladung auszutarieren. Beim Pumpen nehmen sie auch blinde Passagiere wie Algen, Muscheln, Schnecken oder Krebse auf. Werden diese Organismen an anderen Orten wieder freigelassen, können sie heimischen Arten den Garaus machen. Nun fürchten die Wissenschaftler neue Probleme, weil die Wassertemperaturen in der Nord- langsam ansteigen. Stephan Gollasch:

    " Es zeichnet vermutlich ein Trend ab, dass diese Organismen verstärkt auch den Winter überleben können. Also wir rechnen damit, dass Organismen, die ihre Verbreitungsgrenze bisher im Ärmelkanal haben, in der Nordsee sich dauerhaft ansiedeln können. Das ist bisher allerdings nur ein Trend, denn es zu prüfen gilt."

    Umso wichtiger sei es jetzt, dass die Kapitäne die Konvention der Meeresorganisation IMO strikt einhalten. Danach ist ein Ballastwasseraustausch nur noch auf hoher See erlaubt und nach Aufbereitung durch entsprechende Anlagen. Die Konvention ist aber noch nicht von den dazu nötigen 30 Staaten ratifiziert worden.