"Er hatte ein überwältigendes Selbstbewusstsein, er glaubte, er könne alles tun, wäre besser als alle und wusste mehr, als jeder, und auf der anderen Seite einen tiefsitzenden Minderwertigkeitskomplex. Das waren die zwei Bewehungskräfte seines Lebens."
Er, das ist der junge Stalin. In seiner gleichnamigen Biographie ("Der junge Stalin. Das frühe Leben des Diktators 1879 - 1917"; S. Fischer Verlag) beschreibt der britische Historiker Simon Sebag Montefiore nun die Jugendjahre Stalins nicht als kommunistisches Heldenepos oder antikommunistisches Verdammungspamphlet, sondern ganz ideologiefrei als coolen Gangsterfilm. Ein sehr zeitgemäßer Ansatz, der im Bild eines Herrschers, dessen Handlungen sich weitgehend aus Pragmatismus, Machtdynamik und kapitalistischer Mentalität erklären, Stalinismus als New Economy beschreibt, und auch viel über die Gegenwart verrät, über die gegenwärtige Wahrnehmung Russlands in den westlichen Ländern.
"Es ist das besondere Wesen Russlands und der Russischen Macht" so Montefiore, "dass immer eine sehr kleine Clique an der Spitze steht, und die irgendwie die Macht zu ihrem eigenen Profit instrumentalisiert. So lange sie Erfolg haben, dürfen sie die Macht missbrauchen und sich bereichern."
Keiner verkörpert die neue Wahrnehmung Russlands durch den Westen so perfekt, wie die Person des russischen Präsidenten Vladimir Putin: Für das US-Magazin Time ist er der "Mann des Jahres", für den britischen Economist der "neue Zar"
Zwischen Schrecken und Faszination schillert auch das Bild seines Staates Russland: Zweifel gegenüber Putins "lupenreiner Demokratie", Erschrecken nach dem Litwinenko-Mord, Angst vor Russlands Energiemonopol, seiner Atommacht und den vielen groben Seiten des neuen Russischen Kapitalismus mit seinen skrupellosen Oligarchen, die nicht nur alteingesessene Fußballclubs im Dutzend kaufen - das ist die eine Seite. Dem entgegen steht aber die Faszination für den Aufbruch eines Riesenreiches mit seiner fast schon vergessenen alten Kultur, die Anerkennung für die Erfolge der neuen Russischen Elite, die sich nicht zuletzt in den Hauptstädten des Westens gerade auf Einkaufstour befindet, die Wertschätzung für die modernen russischen Künstler, die zum Beispiel auf der letztjährigen Biennale von Venedig für Furore sorgten.
Gleich zweimal ist dieses Doppelgesicht Russlands in diesen Wochen auch im Kino zu sehen: Der Kanadier David Cronenberg portraitiert in seinem Mafiadrama "Eastern Promises", auf deutsch "Tödliche Versprechen" mit viel Lust am Klischee nicht nur die Russenmafia, sondern die gesamte aktuelle Russenszene, und ihre aufprotzenden, in westlichen Augen zutiefst "unseriösen" Äußerlichkeiten, in London zumal, wo Putins Oligarchen sich in ihren schwarzen Leder-Mänteln und Mercedes 500 schon eine wohlige Parallelgesellschaft errichtet haben.
Bei Cronenberg dominiert ein Nebeneinander von Gemütlichkeit und Brutalität. Schlechte Musik und brutale Initiation, Borscht und Blut, alte Männer die sich von kleinen Kindern zu Tränen rühren lassen um danach einen Mordbefehl zu erteilen.
In zwei Wochen kommt dann auch James Grays Cannes-Wettbewerbsbeitrag "We own the night" in die deutschen Kinos, ein Film über das russische Einwanderermilieu an der US-Ostküste: Starke Väter und aufmüpfige Söhne, strenge Regeln und gütige Mütter - auch hier dominieren bekannte Klischees.
Beiden Filmen gemeinsam ist das Bild eines neuen Ostens, der dem ganz alten verdächtig ähnlich sieht, und der aus westlicher Perspektive ein fremder, faszinierend-bedrohlicher Raum ist.
Diese Wahrnehmung hat in Europa eine lange Tradition. Das "Miracle Russe", das russische Wunder, hat gerade erst der Pariser Philosoph und Intellektuelle Andre Glucksmann in einem Zeitungsartikel beschrieben, und damit nicht etwa die Gegenwart gemeint, sondern das 18. Jahrhundert, das Zeitalter der Aufklärung. Während die Denker Voltaire und Diderot an der Befreiung ihrer eigenen Nation aus den Ketten des Absolutismus arbeiteten, bewunderten und verklärten sie, so Glucksmann, die orientalische Despotie des Zarenreichs, bewunderten Peter und Katarina die Großen - aus Glucksmanns Sicht eine irregeleitete Faszinationsgeschichte, die sich bis in die Gegenwart, bis in die nachsichtige Behandlung Putins und seines Tschetschenienkrieges fortschreiben lässt.
Noch einmal Montefiore, und auch das ist natürlich eine westliche Sicht:
""Sie nennen es 'souveräne Demokratie'. Aber de facto ist es eine Art nationalistische Regierung. Und ich sage ihnen voraus: In ein paar Jahren wird Putin dort in einem Atemzug genannt werden mit Iwan dem Schrecklichen, Stalin, sogar Dschingis Khan. Er wird gefeiert werden als vergleichbare Figur. ... Wie im Westen wird es nie werden. Russland ist so anderes!"
Er, das ist der junge Stalin. In seiner gleichnamigen Biographie ("Der junge Stalin. Das frühe Leben des Diktators 1879 - 1917"; S. Fischer Verlag) beschreibt der britische Historiker Simon Sebag Montefiore nun die Jugendjahre Stalins nicht als kommunistisches Heldenepos oder antikommunistisches Verdammungspamphlet, sondern ganz ideologiefrei als coolen Gangsterfilm. Ein sehr zeitgemäßer Ansatz, der im Bild eines Herrschers, dessen Handlungen sich weitgehend aus Pragmatismus, Machtdynamik und kapitalistischer Mentalität erklären, Stalinismus als New Economy beschreibt, und auch viel über die Gegenwart verrät, über die gegenwärtige Wahrnehmung Russlands in den westlichen Ländern.
"Es ist das besondere Wesen Russlands und der Russischen Macht" so Montefiore, "dass immer eine sehr kleine Clique an der Spitze steht, und die irgendwie die Macht zu ihrem eigenen Profit instrumentalisiert. So lange sie Erfolg haben, dürfen sie die Macht missbrauchen und sich bereichern."
Keiner verkörpert die neue Wahrnehmung Russlands durch den Westen so perfekt, wie die Person des russischen Präsidenten Vladimir Putin: Für das US-Magazin Time ist er der "Mann des Jahres", für den britischen Economist der "neue Zar"
Zwischen Schrecken und Faszination schillert auch das Bild seines Staates Russland: Zweifel gegenüber Putins "lupenreiner Demokratie", Erschrecken nach dem Litwinenko-Mord, Angst vor Russlands Energiemonopol, seiner Atommacht und den vielen groben Seiten des neuen Russischen Kapitalismus mit seinen skrupellosen Oligarchen, die nicht nur alteingesessene Fußballclubs im Dutzend kaufen - das ist die eine Seite. Dem entgegen steht aber die Faszination für den Aufbruch eines Riesenreiches mit seiner fast schon vergessenen alten Kultur, die Anerkennung für die Erfolge der neuen Russischen Elite, die sich nicht zuletzt in den Hauptstädten des Westens gerade auf Einkaufstour befindet, die Wertschätzung für die modernen russischen Künstler, die zum Beispiel auf der letztjährigen Biennale von Venedig für Furore sorgten.
Gleich zweimal ist dieses Doppelgesicht Russlands in diesen Wochen auch im Kino zu sehen: Der Kanadier David Cronenberg portraitiert in seinem Mafiadrama "Eastern Promises", auf deutsch "Tödliche Versprechen" mit viel Lust am Klischee nicht nur die Russenmafia, sondern die gesamte aktuelle Russenszene, und ihre aufprotzenden, in westlichen Augen zutiefst "unseriösen" Äußerlichkeiten, in London zumal, wo Putins Oligarchen sich in ihren schwarzen Leder-Mänteln und Mercedes 500 schon eine wohlige Parallelgesellschaft errichtet haben.
Bei Cronenberg dominiert ein Nebeneinander von Gemütlichkeit und Brutalität. Schlechte Musik und brutale Initiation, Borscht und Blut, alte Männer die sich von kleinen Kindern zu Tränen rühren lassen um danach einen Mordbefehl zu erteilen.
In zwei Wochen kommt dann auch James Grays Cannes-Wettbewerbsbeitrag "We own the night" in die deutschen Kinos, ein Film über das russische Einwanderermilieu an der US-Ostküste: Starke Väter und aufmüpfige Söhne, strenge Regeln und gütige Mütter - auch hier dominieren bekannte Klischees.
Beiden Filmen gemeinsam ist das Bild eines neuen Ostens, der dem ganz alten verdächtig ähnlich sieht, und der aus westlicher Perspektive ein fremder, faszinierend-bedrohlicher Raum ist.
Diese Wahrnehmung hat in Europa eine lange Tradition. Das "Miracle Russe", das russische Wunder, hat gerade erst der Pariser Philosoph und Intellektuelle Andre Glucksmann in einem Zeitungsartikel beschrieben, und damit nicht etwa die Gegenwart gemeint, sondern das 18. Jahrhundert, das Zeitalter der Aufklärung. Während die Denker Voltaire und Diderot an der Befreiung ihrer eigenen Nation aus den Ketten des Absolutismus arbeiteten, bewunderten und verklärten sie, so Glucksmann, die orientalische Despotie des Zarenreichs, bewunderten Peter und Katarina die Großen - aus Glucksmanns Sicht eine irregeleitete Faszinationsgeschichte, die sich bis in die Gegenwart, bis in die nachsichtige Behandlung Putins und seines Tschetschenienkrieges fortschreiben lässt.
Noch einmal Montefiore, und auch das ist natürlich eine westliche Sicht:
""Sie nennen es 'souveräne Demokratie'. Aber de facto ist es eine Art nationalistische Regierung. Und ich sage ihnen voraus: In ein paar Jahren wird Putin dort in einem Atemzug genannt werden mit Iwan dem Schrecklichen, Stalin, sogar Dschingis Khan. Er wird gefeiert werden als vergleichbare Figur. ... Wie im Westen wird es nie werden. Russland ist so anderes!"