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"Das schlaue Füchslein"

Leoš Janáček war 1854 in dem Bergdorf Hukvaldy, zu deutsch "Hochwald", zur Welt gekommen. Auch von der mährischen Hauptstadt Brünn aus kehrte der Komponist immer wieder an seinen Geburtsort am Rande der Karpaten zurück, um im Wald die Tiere zu beobachten. Er verstand den Wald mit seinem ewigen Kreislauf von Geburt und Vergehen als Mikrokosmos des Lebens, aber auch als musikalische Inspirationsquelle.

Von Albrecht Dümling | 06.11.2004
    In seinem Ferienhaus in Hukvaldy begann Janáček 1921 mit einer neuen Oper nach dem volkstümlichen Tierepos "Die Abenteuer der Füchsin Schlaukopf". In der Musik verwendete er die Stimmen der Tiere und die Geräusche des Waldes, die er bei seinen Spaziergängen aufgezeichnet hatte.

    Leoš Janáček entwickelte aus den Quellen der Natur eine eigene Musiksprache. Wegen dieser Musiktheorien war er zu Lebzeiten nicht nur in Prag umstritten, sondern auch in seinem Wohnort Brünn. Dennoch wurde am 6. November 1924 die Brünner Uraufführung seiner Oper "Die Abenteuer der Füchsin Schlaukopf" ein Erfolg.

    Auch in Deutschland wurde man damals auf den mährischen Komponisten aufmerksam. In der deutschen Übersetzung von Max Brod kam 1924 seine Oper "Jenufa" an der Berliner Staatsoper heraus. Dagegen stieß die ebenfalls von Brod übersetzte Wald-Oper unter dem Titel "Das schlaue Füchslein" nur auf wenig Resonanz. Erst als Walter Felsenstein das "Schlaue Füchslein" 1956 an der Komischen Oper in Ost-Berlin herausbrachte, kam es zum Durchbruch. Mit Darstellern, die sängerisch und schauspielerisch gleichermaßen überzeugten, wurde diese realistisch-werktreue Inszenierung zum Triumph.

    Irmgard Arnold als Füchslein Schlaukopf und Manfred Hopp als der Fuchs gestehen sich in dieser zentralen Szene des mährischen Sommernachtstraums ihre Liebe. Wie der Komponist die Stimmen der Tiere möglichst realistisch wiedergeben wollte, so der Regisseur ihre Bewegungen. Für die Sängerin der Titelpartie war die Darstellung eines Tieres eine neue Aufgabe. Über Wochen hinweg musste Irmgard Arnold lernen, sich wie eine Füchsin zu bewegen:

    Er hat es eigentlich als selbstverständlich angenommen, dass ich als Irmgard Arnold auch ein Tier spielen kann. Da wurden gar keine großen Reden gemacht.

    Zwei Monate lang probte Walter Felsenstein täglich intensiv mit dem Ensemble. An die Kondition der Mitwirkenden stellte dies hohe Anforderungen.

    Wenn man da nicht durchtrainiert gewesen wäre, hätte man ja einen Muskelkater gekriegt, dass man am nächsten Tag nicht mehr hätte auf die Probe gehen können. Aber das war für ihn selbstverständlich, denn er war in seinem früheren Leben ganz kurz auch Tänzer, und dann Schauspieler, Dann ist er Regisseur geworden. Es war für mich natürlich wunderbar. In der Schule waren für mich immer Turnen, Singen und Religion - das waren meine drei Einser.

    Es half Irmgard Arnold auch, dass ihr Vater ein leidenschaftlicher Jäger war. So hatte sie Füchse in freier Natur beobachten können. Ihre große sängerische wie darstellerische Leistung als Füchsin Schlaukopf war mitverantwortlich für den Erfolg der Berliner Aufführung, die insgesamt 218mal wiederholt wurde, auch in Wiesbaden und Paris.

    Der Komponist hat den Triumph seines "Füchslein" nicht mehr erleben können. Anfang 1927 hatte ihn die Preußische Akademie der Künste zu ihrem Mitglied ernannt - eine Ehre, die nur wenigen Ausländern zuteil wurde. Als im September 1927 Otto Klemperer mit der Staatskapelle seine "Sinfonietta" aufführte, kam Janáček nach Berlin. Klemperer war interessiert, dessen neue Oper "Aus einem Totenhaus" in Deutschland herauszubringen. Noch am 21. Mai 1928 versicherte er in einem Brief: "Ich hoffe von ganzem Herzen, dass ich dieses Werk in Berlin aufführen kann". Aber schon wenige Monate später lebte der Komponist nicht mehr. Er starb am 12. August 1928. Drei Tage später fand im Brünner Nationaltheater eine Trauerfeier statt. Dabei erklang die Musik, die sich Leoš Janáček für diesen Anlass gewünscht hatte: der Schluss seiner Oper "Die Abenteuer der Füchsin Schlaukopf". Der Förster hat sich am Ende mit der Natur versöhnt. Er stellt fest, dass die Fuchsfamilie auch nach dem Tod der Mutter, der Füchsin Schlaukopf, weiterlebt. Im Schlaf erlebt er eine Vision und geht nun selbst in den ewigen Kreislauf der Natur ein.