Archiv


"Das schlaue Füchslein"

"Das Schlaue Füchslein" von Leoš Janácek wurde 1924 in Brünn uraufgeführt und verwies auf einen biographischen Hintergrund: Der Komponist hatte sieben Jahre zuvor die fast vier Jahrzehnte jüngere Kamila Stösslová kennen gelernt und zu seiner Geliebten gemacht - eine hübsche Frau, die ihre Freiheit liebte und nonkonformistisch lebte. Janácek setzte ihr in Gestalt der Füchsin Bystrouška ein Denkmal. Torsten Fischer hat das Werk nun als farbenfrohe und turbulente Fabel auf die große Kölner Bühne gebracht.

Von Frieder Reininghaus | 17.06.2005
    Leicht tappt einer in die Falle, wenn er einer allzu sehr mit der Absicht inszeniert, unmittelbar zu Herzen zu gehen - zumal wenn er sich zum rührseligen Zweck einer jener Tierfabeln bedient, mit denen die Opernkomponisten ab und an ihr Glück zu machen suchten. Gerade dort, wo mit heiterem Treiben der Tiere eine Kinderbuchwelt heraufbeschworen werden soll, erweist sich die ästhetische Gratwanderung als riskant. Bei der Bühnenausstattung trennt nur ein halber Fuß den heiteren Charme vom Kitsch. Insbesondere, wenn Kinder und Kinderchor so kräftig zum Einsatz gelangen wie mit Leos Janáceks Fuchs- und Förster-Oper "Príhody lišky bystroušky".

    Die zielt freilich kaum auf Kindheitsmuster. Das "Schlaue Füchslein", das in Köln in weithin unverständlichem Deutsch gesungen wird, ordnet sich erkennbar in die Reihe der großen Stücke mit tragischen Frauen-Stoffen, die Janácek mit "Jenufa", "Osud" und "Katja Kabanova" auf die Bühne hob. Wie all diese Werke so erwies sich auch das von der freiheitsliebenden Füchsin als autobiographisch getönt; in diesem Fall inspiriert von der Liebe des alternden Komponisten zur emanzipiert lebenden jungen Kamila. So liegt der Reiz des Werks im Changierenden: dass es nur halb ein Tierepos ist und Parabel von weiblichem Freiheitsdrang, Selbstverwirklichung und frühem Tod der Heldin, halb aber eine unverhüllte Abrechnung mit einer grausamer Idylle, die der mit der Scholle verbunden Künstler so tiefsinnig ernst nahm.

    Das Libretto wurde von Janácek aus einer Fortsetzungsgeschichte im "Volksblatt" seiner Heimatstadt Brünn komprimiert: Ein alternder Förster genehmigt sich im tiefen Wald ein Nickerchen, hängt in Gedanken seiner ersten Liebe nach; wird aber erst einmal - ist's Traum, ist's Wirklichkeit? - durch das neckische Treiben einer jungen Füchsin aufgeschreckt. Er fängt das Tier. Dessen Bild fließt in eins mit dem der jungen Zigeunerin, die er begehrt (auf sie hat es auch der Dorfschulmeister und der Ortsgeistliche abgesehen, der allerdings strafversetzt wird). Torsten Fischer zeigt Terynka bereits zu den einleitenden Takten - da entlässt sie, hübsch drapiert vorm großen Mond über Mähren, zwei Schwäne in die Freiheit, bevor der Weidmann sie pantomimisch einfängt.

    Viel wimmelt ein grellbuntes Tierballett, so recht nach dem Geschmack der Karnevals-Kölner, über den schräg nach hinten ansteigenden Bretterboden: zappelnde Libellen und ein Heuschreck wie aus dem Bilderbuch des Plastikgeschmacks; dazu Igelpaar, Eichhörnchenquartett, Froschensemble und ein auch in Reih und Glied zum Eierwerfen sich aufstellender Hühnerhaufen. Johannes Preißinger gibt mit gewichtiger Stimme den Dackel Wastl, Samuel Youn mit Stentorstimme den Landstreicher Háraschta - der Titelpartie aber bleibt die schlanke junge Regina Richter mit einer weithin zu dünnen und scharfen Stimme manches schuldig.

    Die Linie der guten Laune setzt sich fort, wenn Frau Jägermeier den Fetisch ihres Förstergatten mit der Flinte aus der Welt schaffen will, von diesem aber rechtzeitig entwaffnet und mit dem Schießprügel bedroht wird. Überhaupt zeigt Torsten Fischer das triebhaft-animalische Begehren der Männer so dampfend wie das Aroma der jungen Weiblichkeit ansprechend - die Fuchsjungfrau büchst aus. Der brutal-fröhliche Háraschta, der vielleicht auch ein ganz klein wenig Wilderer ist, erlegt die junge Füchsin, die ordnungsgemäß zeremoniell heiratete und einen Wurf mit sieben Jungen in den Bau setzte; er heiratet Ternynka. Der Förster ist am Ende mit seinem Träumen so allein wie zu Beginn.

    Leicht kann die Verbindung von Blut und Erdkrume zum schlüpfrigen Untergrund dieses Stücks werden. Anders als Robert Carsen, der in Antwerpen und Gent die problematische Tendenz des Stücks mit fantastischer Intelligenz aufbrach, bedient Torsten Fischer alles, was sich bunt treiben lässt. Und da Roger Epple den Tonsatz weithin recht undifferenziert aussteuert, befestigt sich der Eindruck der Mediokrität, den die Kölner Oper unter ihrem Intendanten Dammann konsequent ansteuerte.