Dienstag, 19. März 2024

Archiv


Das Schweigen der Dritten Generation

1989 wird der gepanzerte Dienst-Mercedes des damaligen Deutsche-Bank-Chefs Alfred Herrhausen durch die Wucht eines Sprengsatzes zerstört. Herrhausen stirbt. Die RAF wird als Tätergruppe vermutet - doch 20 Jahre später ist immer noch nicht klar, wer Herrhausen auf dem Gewissen hat.

Von Otto Langels | 30.11.2009
    "Nur noch ein Haufen Blech liegt dort auf der Straße, wo der gepanzerte Wagen des Vorstandssprechers der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, lang gefahren ist. Herrhausen hat das Attentat nicht überlebt, sein Fahrer ist schwer verletzt ins Krankenhaus geschafft worden. Von ihm erhofft sich die Polizei Auskünfte über den genaueren Tathergang."

    Ein Reporter des Hessischen Rundfunks beschrieb die Szene, die sich ihm am Vormittag des 30. November 1989 bot. Um 8:30 Uhr hatte der Chef der Deutschen Bank wie gewohnt sein Wohnhaus in Bad Homburg verlassen, um – eskortiert von zwei Wagen mit Sicherheitsbeamten - zur Bankzentrale nach Frankfurt am Main zu fahren. Doch nur wenige Hundert Meter von seinem Haus entfernt zerfetzte eine Bombe die Limousine.

    "Da hat's eine schwere Erschütterung gegeben, bei uns unten am Bad, um 8.30 Uhr. Darauf haben wir nur eine schwarze Wolke gesehen, darauf sind wir hoch gelaufen und haben halt gesehen, wie der Mercedes da total zerstört dagestanden hat, und ist halt in die Luft geflogen.
    Ein paar Minuten später kam ein Rettungswagen, und die haben jemand genommen und hinten in den Rettungswagen gebracht. Der auf dem Hintersitz lag oder saß, der war, man sah keine Bewegung."

    … berichteten Augenzeugen nach dem Attentat.
    Die Ehefrau des Bankiers, Traudl Herrhausen, lief sofort zum Tatort, wie sie Jahre später in dem Dokumentarfilm "Black Box BRD" von Andres Veiel erzählte.

    "Da waren die Bewacher aus dem nachfahrenden Wagen, und einer hat gerufen, da kommt die Frau Herrhausen, beide haben sie mich festgehalten, und ich wollte unbedingt zu dem Auto und wollte unbedingt einfach hin. Und ich hab gesagt, lasst mich da hin, ich hab mehr in meinem Leben gesehen als ihr, und man hat mich einfach nicht hingelassen. Ich kam nicht hin."

    Alfred Herrhausen erlitt schwerste Verletzungen und starb wenige Minuten später in seinem Wagen. Sein Fahrer überlebte den Anschlag. Mittags äußerte sich ein Beamter des Bundeskriminalamtes:

    "Wir wissen nur soweit, dass der Sprengsatz abgelegt war am Straßenrand, und als der Wagen vorbeifuhr in voller Fahrt praktisch getroffen wurde vom Sprengsatz. Wir wissen nur, dass es kein militärisches Gerät war, sondern selbst hergestellt, aber wie und aus welchen Mitteln, kann man im Moment nicht sagen."

    Noch am Morgen hatte Carolin Emcke in London von dem Anschlag erfahren. Sie war damals 22 Jahre alt und studierte in England. Alfred Herrhausen war ihr Patenonkel. Sofort flog sie nach Frankfurt und traf am frühen Nachmittag in Bad Homburg ein.

    "Netterweise hatte mich ein Polizeiwagen an dem Anschlagsort aufgelesen und zu der Familie gefahren. Im ersten Moment ist man wirklich erst mal im Schock, das überhaupt zu begreifen, was gerade geschehen ist. Insofern war jetzt erst mal die Frage der Täterschaft, da haben wir gar nicht drüber nachgedacht, bis dann allerdings in dem Haus Herrhausen ein Bekenneranruf einging und eine Stimme sich zu diesem Anschlag bekannte. Und erst dann überhaupt haben wir drüber nachgedacht, wie man damit umgehen soll und wie man vorgehen soll, und haben dann eben die Polizei benachrichtigt, das Telefon genommen und bei der ganz normalen Polizeinotrufzentrale angerufen, also haben dann auch erst gemerkt, es gab gar keine Klärung vorher, wie man mit so einem Fall umgehen sollte. Und die Vorstellung des klassischen Fernsehzuschauers, dass dann schon längst irgendwelche Fangschaltungen gelegt werden, das prallte da sofort an der Wirklichkeit ab. Von Ermittlungen war da noch nicht – zumindest für uns in diesem direkt betroffenen Haus - nicht viel zu sehen."

    In dem Telefonanruf bekannte sich ein "Kommando Wolfgang Beer" der Roten-Armee-Fraktion zu dem Anschlag. Wolfgang Beer, Mitglied der linksterroristischen RAF, war 1980 bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Experten kritisierten später die unprofessionelle Spurensicherung sowie den Personenschutz von Alfred Herrhausen. So blieben die umfangreichen Vorbereitungen der Attentäter unentdeckt, obwohl der Chef der Deutschen Bank zu den meistgefährdeten Personen in Deutschland zählte. Die Täter hatten zum Beispiel Wochen vorher am Straßenrand ein Kabel für eine Lichtschranke verlegt und ihre Arbeiten als Baustelle getarnt. Als Herrhausens Wagen durch die Lichtschranke rollte, explodierte die auf dem Gepäckträger eines Fahrrads deponierte Bombe. Auch dass ein Begleitfahrzeug vermutlich weit vorausfuhr und die Personenschützer nach dem Anschlag erst die Lage sondierten, bevor sie Herrhausen zu Hilfe eilten, sorgte für Kritik. Allerdings hatte der Generalbundesanwalt wenige Monate zuvor vorsichtig Entwarnung signalisiert. Die Gefahr eines terroristischen Anschlags solle man nicht dramatisieren. Die RAF sei nicht mehr so gefährlich wie früher.

    "In dem historischen Kontext muss man sagen, es hat niemand mehr damit gerechnet, dass die RAF einen solchen Anschlag vorbereitete oder gar dazu in der Lage wäre. Die technische Perfektion dieses Anschlags ist auch in ihrer Zeit und auch im Rahmen der sonstigen RAF-Anschläge außergewöhnlich gewesen. Es ist eine ziemlich komplizierte, soweit ich das beurteilen kann, Technik gewesen."

    Die Ermittler waren sich bereits wenige Stunden nach dem Mordanschlag, sicher, wer hinter dem Attentat stand. Jürgen Förster, Sprecher von Generalbundesanwalt Kurt Rebmann:

    "Der Generalbundesanwalt hat von Anbeginn an vermutet, dass die Täter aus dem Kreis der Roten Armee Fraktion stammen. Bestimmend sind dafür zwei Umstände, einmal der Modus Operandi, die Tatumstände, die Tatausführung und das Opfer dieses Anschlages."

    Bestätigung fand die Vermutung des Generalbundesanwalts durch eine Erklärung der RAF vom 2. Dezember 1989. Darin heißt es unter anderem:

    Am 30.11.1989 haben wir mit dem Kommando Wolfgang Beer den Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, hingerichtet. Mit einer selbst gebauten Hohlladungsmine haben wir seinen gepanzerten Mercedes gesprengt. Durch die Geschichte der Deutschen Bank zieht sich die Blutspur zweier Weltkriege und millionenfacher Ausbeutung und in dieser Kontinuität regierte Herrhausen an der Spitze dieses Machtzentrums der deutschen Wirtschaft.

    Die Ermittlungsbehörden rechneten das "Kommando Wolfgang Beer" der sogenannten "dritten Generation" der Roten-Armee-Fraktion zu. Die erste Generation um Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof hatte die linksextreme terroristische Gruppe 1970 gegründet, die zweite Generation hatte 1977 unter anderem den Generalbundesanwalt Siegfried Buback, den Vorstandssprecher der Dresdner Bank Jürgen Ponto und den Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer getötet. Zum harten Kern der dritten Generation schließlich zählten die Ermittler rund 20 Personen, die aber namentlich kaum bekannt waren. Auf ihr Konto ging in den 80er-Jahren die Ermordung von Ernst Zimmermann, Chef des Rüstungskonzerns MTU, des Siemens-Managers Karl Heinz Beckurts und des Diplomaten im Auswärtigen Amt Gerold von Braunmühl.
    Alfred Herrhausen sei der mächtigste Wirtschaftsführer in Europa gewesen, versuchte die RAF in dem Bekennerschreiben den Anschlag zu begründen. Tatsächlich hatte Herrhausen die Deutsche Bank zu einem der größten Kreditinstitute Europas ausgebaut. Er war Aufsichtsratschef von Daimler-Benz und Berater von Bundeskanzler Helmut Kohl. Seiner Macht war er sich bewusst. Alfred Herrhausen im Mai 1989:

    "Ich bin nicht der Ansicht, dass die Deutsche Bank eine vierte Macht im Staate darstellt, wie sollte sie auch? Sie hat einen Marktanteil von fünf, sechs oder sieben Prozent, je nachdem, in welchem Geschäft sie sich betätigt. Und dass wir eine Machtposition ausüben, die gegen demokratische Spielregeln oder gegen demokratische Strukturen ausfiele, davon kann nun wirklich keine Rede sein. Wir streiten nicht ab, dass wir ein einflussreiches, wenn Sie so wollen, auch ein machtvolles Institut sind. Aber die Frage ist nicht, ob wir Macht haben - es gibt viele Machtpotenziale in der Bundesrepublik -, die haben wir auch gewollt. Die Frage ist, ob wir mit dieser Macht verantwortungsbewusst umgehen."

    Alfred Herrhausen trieb einerseits die Vormachtstellung seiner Bank voran, andererseits behielt er – im Unterschied zu manchem Manager heute - die gesamtgesellschaftliche Lage im Blick. So setzte er sich angesichts der wachsenden Armut der Dritten Welt dafür ein, den Entwicklungsländern einen Teil ihrer Schulden zu erlassen; womit er sich unter seinen Kollegen nicht nur Freunde machte. Seine Vorstellungen stießen im Vorstand der Deutschen Bank auf heftige Kritik. Angeblich dachte er kurz vor seinem Tod über seinen Rücktritt nach.

    "Von Anbeginn an gab es zwei mögliche Opfer der Krise, die Gläubigerbanken und die Schuldner. Die gibt es immer noch. Aber die Stärke der Banken ist größer, die der Schuldner geringer geworden."

    "Natürlich ist er schon qua Funktion per se ein solches Objekt für solche Anschläge gewesen."

    … sagt die Journalistin Carolin Emcke über ihren Patenonkel Alfred Herrhausen.

    "Ich glaube auch, die mediale Aufmerksamkeit, die er als Person auch noch mal auf sich gezogen hat, hat sicherlich ihn zumindest sichtbarer gemacht in dieser Funktion. Und damit sicherlich auch noch mal gefährdeter. Aber ich glaube andererseits, wenn man dann auch sich wirklich das anschaut, was Alfred Herrhausen in dieser Funktion dann tatsächlich getan hat und wofür er sich eingesetzt hat, dann wird es zumindest eine komplexere Figur, die nicht so naheliegend ist als Anschlagsziel. Also jemand, der als Banker, als Sprecher des Vorstands der Deutschen Bank über die Lösung der Schuldenkrise der Dritten Welt nachgedacht hat und Vorschläge gemacht hat, die heutzutage eher von Attac kommen, würde ich mal sagen, ist zumindest kein so typischer Kandidat, wie man das sonsthin glauben könnte."

    Die Fahndung nach den Attentätern von Bad Homburg verlief zunächst im Sande. Dann wurde im April 1991 Detlev Karsten Rohwedder erschossen, Präsident der Treuhandanstalt zur Privatisierung der ehemaligen volkseigenen Betriebe in Ostdeutschland. Die RAF bekannte sich auch zu diesem Anschlag. Es sollte der letzte politische Mord der Roten-Armee-Fraktion bleiben. Erst mehr als zwei Jahre nach dem Tod Alfred Herrhausens hatten die Ermittler eine heiße Spur gefunden. Generalbundesanwalt Alexander von Stahl im Februar 1992:

    "Wir wissen jetzt definitiv, dass Andrea Klump und Christoph Seidler Täter dieses Falles waren, und wir kennen die Vornamen und das Aussehen von zwei weiteren Tätern, die sich Stefan und Peter genannt haben."

    Die Gewissheit des Generalbundesanwalts erwies sich als voreilig. Die Beschuldigungen gegen Klump, Seidler und andere beruhten auf den Aussagen eines V-Mannes, der gelegentlich für den hessischen Verfassungsschutz arbeitete. Doch der Informant widerrief schon bald seine Aussage. Zudem wurde bekannt, dass er Alkohol- und Drogenprobleme hatte und in psychiatrischer Behandlung gewesen war. Die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen war erschüttert. 1996 stellte sich der vermeintliche Täter Christoph Seidler den Behörden und präsentierte ein Alibi. Er war zur Zeit des Anschlags im Libanon gewesen. Daraufhin erklärte die Generalbundesanwaltschaft am 22. November:

    Der Beschuldigte ist verdächtig, am Sprengstoffanschlag auf den Vorstandssprecher der Deutschen Bank AG, Dr. Alfred Herrhausen, am 30. November 1989 in Bad Homburg, beteiligt gewesen zu sein. Nach einer ausführlichen Vernehmung hat der Ermittlungsrichter den Haftbefehl gegen Christoph Seidler aufgehoben, weil kein dringender Tatverdacht gegen ihn bestehe.

    Auch das Verfahren gegen Andrea Klump wurde später eingestellt. Buch-Autoren sprachen von einem "RAF-Phantom", weil kaum ein Mitglied der dritten Terror-Generation namentlich bekannt war. Zudem irritierte Experten die perfekte Planung und technische Präzision des Attentats auf Herrhausen. War ein Kommando der RAF dazu ohne fremde Hilfe in der Lage? Steckten womöglich die Geheimdienste hinter den Anschlägen, etwa die CIA oder die Stasi? Schließlich hatten zehn Aussteiger der zweiten RAF-Generation Unterschlupf in der DDR gefunden, wie nach der Wende bekannt wurde.

    "Ich glaube, die Gefahr von Schwächen, Mängeln, Stümperhaftigkeit oder Inkompetenz ist natürlich, dass in diese Lücke des Nichtwissens hinein Spekulationen schießen oder Verschwörungstheorien schießen. Im Allgemeinen halte ich es immer noch für wahrscheinlicher, dass Menschen inkompetent und dämlich sind, als dass sie mutwillig eine Aufklärung verhindern. Nach allem, was ich gelesen habe, gehe ich von einer RAF-Täterschaft aus, das halte ich für unzweifelhaft. Was glaube ich noch infrage steht, ist eher, ob es Hilfe oder Unterstützung für die RAF von irgendeiner anderen Gruppierung oder Institution gegeben hat. Da wird ja seit Langem drüber spekuliert, gerade bei dieser dritten Generation."

    Im Jahr 1997 äußerte sich die wegen mehrfachen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilte RAF-Terroristin Birgit Hogefeld in einem Interview mit dem Magazin "Spiegel" zu dem Mordanschlag auf Alfred Herrhausen. Nach einem Hungerstreik der RAF-Gefangenen im Frühjahr 1989 seien die geforderten Hafterleichterungen ausgeblieben, erklärte Hogefeld.

    "Die Verbesserungen nach dem Hungerstreik waren minimal. Die ganze nachfolgende Geschichte wäre vermutlich anders verlaufen, wenn die Staatsseite die Gefangenenfrage 1989 neu bewertet und sich auf die Forderung nach Zusammenlegung in größeren Gruppen eingelassen hätte. Die Gefangenen wollten zusammen reden, die wollten eine Aufarbeitung ihrer Geschichte, mehr nicht. Das war doch nicht unerfüllbar. Ich vermute, Herrhausen würde noch leben."

    Und zu den Spekulationen über eine Beteiligung der Stasi sagte Birgit Hogefeld:

    Der Stasi-Verdacht war natürlich Quatsch. In den linksradikalen Zusammenhängen, die ich kenne, hatte dieser Unsinn nie eine Bedeutung.

    Ein Jahr später, 1998, erklärte die Rote-Armee-Fraktion ihre Auflösung. Die Stadtguerilla in Form der RAF sei nun Geschichte. - Was aber blieb, waren die ungeklärten Morde und die Ermittlungen gegen unbekannt unter anderem im Fall Herrhausen. Vor zwei Jahren sorgte die Stasi-Verbindung erneut für Schlagzeilen. Ins Visier geriet eine Spezialeinheit des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit, die sogenannte "Arbeitsgruppe des Ministers/Sonderfragen", kurz AGM/S. Die Agenten waren eigens für Sabotageakte und Terroranschläge in der Bundesrepublik ausgebildet worden. Hatten sie die Rote Armee Fraktion unterstützt? Dagegen spricht, dass die Terrortruppe 1987 aufgelöst und Herrhausen nach dem Fall der Mauer ermordet wurde, als das SED-Regime sich in wilder Auflösung befand. In den Akten der Staatssicherheit, so sagen Experten der zuständigen Birthler-Behörde, fänden sich keine Hinweise auf eine Mitwirkung der Stasi. Entsprechende Vermutungen gehörten ins Reich der Spekulation.

    "Auch 30 Jahre nach dem RAF-Mord an Generalbundesanwalt Buback ist der Fall nicht aufgeklärt. Aber jetzt bekommt er eine neue Wende. Die frühere RAF-Terroristin Verena Becker wurde festgenommen. Es bestehe der dringende Verdacht, dass sie an der Tat beteiligt war, erklärte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Vergangene Woche hatte sie mitgeteilt, dass an einem Bekennerschreiben von damals DNA-Spuren von Becker gefunden worden seien."

    Das meldete die Tagesschau am 28. August 2009. Doch die Hoffnung der Ermittler, dass Verena Becker zur Ermordung Bubacks oder zu anderen Attentaten der RAF wichtige Informationen liefern würde, hat sich bisher nicht erfüllt. Becker umgebe sich mit einer "Mauer des Schweigens", so die Bundesanwaltschaft. Allerdings mauert auch das Bundesinnenministerium und weigert sich, gesperrte Akten des Verfassungsschutzes zu Verena Becker aus den 70er-Jahren freizugeben. So fehlt weiterhin jede konkrete Spur im Fall Herrhausen. Auch neue, verfeinerte kriminaltechnische Untersuchungsmethoden, um DNA-Spuren möglicher Attentäter zu finden, brachten kein Ergebnis.

    "Ich halte es nach 20 Jahren und all den Mitteln der Ermittlungstechnik, die es mittlerweile ja auch gibt, für wirklich nahezu ausgeschlossen, dass von der Bundesanwaltschaft noch Aufklärung kommt. Ich glaube wirklich eher, es könnte kommen darüber, dass beteiligte Personen sprechen. Und beteiligte Personen werden nicht sprechen, solange sie noch mit Strafe rechnen müssen."

    … sagt die Journalistin Carolin Emcke. Sie hat deshalb im vergangenen Jahr in einem bemerkenswerten Artikel an die Mitglieder der RAF appelliert, ihr Schweigen zu brechen. Das Ende des Schweigens verknüpft sie mit einer Amnestie für die Terroristen; Freiheit für Aufklärung.

    "Insofern glaube ich, müsste es eine breite gesellschaftliche Diskussion geben, die einen solchen Druck erzeugt, dass man sagt, die Aufklärung über diese Fälle ist für uns als Bundesrepublik, nicht nur für die Angehörigen von Opfern, sondern als Gesellschaft so relevant, dass wir sagen, wir stellen dieses gesellschaftliche Interesse über das Strafinteresse, das ansonsten der Rechtsstaat hat. Ich glaube ehrlich gesagt, dass das die einzige Möglichkeit ist, überhaupt noch Licht in dieses Dunkel der dritten Generation zu bringen."