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Das schwere Erbe der Apartheid

Unter der südafrikanischen Apartheidregierung wurden schwarze Landbesitzer einfach enteignet und vertrieben, Schwarze wurden in sogenannte Homelands mit schlechten Böden abgedrängt. In diesem Jahr ist das demokratische Südafrika 10 Jahre alt. Und noch immer haben die Südafrikaner alle Hände voll zu tun, die Auswirkungen der Apartheid zu überwinden. Notwendig ist eine Umverteilung der Eigentumstitel von Grund und Boden an Schwarze. Im urban geprägten Südafrika ist Landlosigkeit anders als in Simbabwe vor allem ein städtisches Problem, aber auch auf dem Lande werden die Forderungen immer drängender. Black Economic Empowerment heißt ein südafrikanisches Programm, das die ehemals unterdrückte schwarze Mehrheit wirtschaftlich stärken soll. Nun ist die Landwirtschaft an der Reihe - ein Minenfeld aus kommerziellem Interesse, krassen ökonomischen Gegensätzen und politischem Sprengstoff. In Zimbabwe ist es explodiert, doch so weit will es der ANC nicht kommen lassen. Die Landwirtschaftsministerin hat Zahlen auf den Tisch gelegt: Quoten und Zielvorgaben, um die zurzeit in Südafrika gestritten wird.

Von Corinna Arndt |
    Endlich ist er da, der lang erwartete Regen in der Westkap-Provinz: Niki Mouton, Bauer in der Swartland-Region nördlich von Kapstadt, lässt seinen Blick über das satte Grün des Winterweizens gleiten. Seit 32 Jahren bestellt er gemeinsam mit seinen Brüdern 3000 Hektar mit Getreide, Rooibuschtee und Zitrusfrüchten.

    Doch zehn Jahre nach Ende der Apartheid ziehen für ihn auch politisch dunkle Wolken auf: Gerade hat die Regierung ihren Entwurf zur Charta für die Landwirtschaft vorgelegt: mit ehrgeizigen Zielvorgaben für das sogenannte Black Economic Empowerment - die südafrikanische Version von dem, was in den USA "Affirmative Action" heißt und dort die Chancengleichheit der Afroamerikaner garantieren soll. Nach dem südafrikanischen Black Economic Empowerment-Plan soll die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche bis 2014 in schwarzer Hand sein. Bisher sind es gerade mal 3 Prozent. Niki Mouton hält dieses Ziel für unrealistisch und kritisiert vor allem eines:

    Einfache Umverteilung ohne entsprechende Ausbildung führt in die Katastrophe. Wir haben hier einen Hof in der Nachbarschaft, der von unerfahrenen Schwarzen übernommen wurde. Die sind bankrott gegangen, einfach, weil sie nicht das nötige landwirtschaftliche Know-how haben.

    Wissen fehlt zuallererst im Managementbereich, von dem schwarze Südafrikaner in der Vergangenheit systematisch ausgeschlossen waren. Südafrikanische Landwirte konkurrieren mit subventionierten Produkten aus Europa und Amerika und leben mit durchschnittlichen Gewinnmargen von fünf Prozent. Da führten selbst kleine Fehler leicht zum Bankrott, mahnen Bauernvertreter.

    Während die meisten weißen Bauern angesichts des Regierungskurses wie das Kaninchen auf die Schlange starren, hat Mouton sich für die Flucht nach vorn entschieden: Er will seine 50 Farmarbeiter fortbilden und mit 40 Prozent am Betrieb beteiligen.

    Scheitern können die gar nicht! Wir sitzen ja im selben Boot! Wenn es sinkt, dann sinke ich mit ihm. Wir müssen dieses Projekt gemeinsam zum Erfolg bringen,

    erzählt Mouton und verweist auf umgerechnet fast 400.000 Euro, die er bereits in das Vorhaben investiert hat.

    Seinen Arbeitern stehen Fördergelder vom Staat zu - doch darauf warten sie bisher vergeblich. Nun liegt der Plan auf Eis. Indes fordert die Regierung mehr Eigeninitiative von kommerziellen Landwirten. Und das mit gutem Grund, sagt Neo Masithela, der für den ANC den Landwirtschaftsausschuss im Parlament leitet. Schließlich wurden weiße Farmer unter der Apartheidregierung nicht nur bei der Landverteilung gezielt begünstigt, sondern auch hoch subventioniert.

    Wir dürfen nicht vergessen, wie die weißen Landwirte in ihre privilegierte Position gekommen sind: mit Hilfe der alten Regierung, und nur so! Natürlich fällt es ihnen heute schwer umzudenken. Aber wir müssen - nicht sollten - wir müssen die Landwirtschaft in diesem Land umstrukturieren.

    In der Tat wächst der Druck auf die Regierung. Noch immer fahren schwarze Bauern nicht mehr als etwa ein Prozent der südafrikanischen Ernte ein. Der Hauptgrund: Sie haben nicht genug Land zur Verfügung.

    Als radikale Stimme einer wachsenden Zahl von Armen hat sich die Bewegung der Landlosen etabliert. Deren Sprecher, Mangaliso Kubheka, geht der Regierungsentwurf nicht weit genug. Er hält das Papier für eine Farce und spricht dem ANC den politischen Willen zu wirklicher Umverteilung ab.

    Was ist mit unseren Rechten? Ständig kommt die Regierung mit neuen Gesetzen, da blickt doch keiner mehr durch! Und am Ende passiert doch nichts! Die Leute haben genug. Die sehen sich das nicht mehr lange an! Aber wenn sie irgendwann Farmen besetzen, dann bin ich nicht dafür verantwortlich.

    Der ANC hat einen schwierigen Balanceakt vor sich: Während radikale Schwarze für Enteignung plädieren, warnen Agrarverbände vor den ökonomischen Folgen einer überstürzten Politik, die sich über Marktmechanismen hinweg setzt. Kraai van Niekerk von der Oppositionspartei Demokratische Allianz:

    Niemand ist gegen Umverteilung. Die Frage ist doch, wie man das angeht. Wir operieren in einem freien Markt. In dem Moment, wo man Leute ihrer Hautfarbe und nicht ihrer Kompetenz wegen fördert, zerstört man die Landwirtschaft.

    Die Regierung bestreitet das und verweist auf die umgerechnet rund 10 Millionen Euro, die allein in diesem Jahr in Aus- und Fortbildungsprogramme für Landwirte fließen. Zu wenig, rufen weiße und schwarze Kritiker im Chor und blasen zum Angriff auf die Landwirtschafts-Charta.

    Ende Oktober soll die Diskussion um die Stärkung schwarzer Südafrikaner in der Landwirtschaft abgeschlossen sein. Skeptiker warnen jedoch schon jetzt, dass die Charta zu ähnlichen Ergebnissen führen könnte wie im Industriesektor: Dort ist die Mehrheit der Unternehmenswerte an nur eine Handvoll Vertreter der schwarzen Wirtschaftselite gegangen, während die breite Masse der Südafrikaner das Nachsehen hatte. Klar ist jedoch selbst den Kritikern: Auf lange Sicht kommt Südafrika nicht darum herum, landlosen Farmarbeitern mit Land, Krediten und Vermarktungshilfen den Einstieg in die Landwirtschaft zu ermöglichen.