"Ich war damals 15 Jahre alt, und ich erinnere mich, dass es ein ganz besonders harter Winter war. Wir haben dann aus lauter Not Dinge getan, von denen uns später der damalige Kardinal Frings sozusagen dispensiert hat. Es ging in der Hauptsache um das Stehlen von Briketts, von Heizmaterial. Das wurde nachher so populär, dass ein ganz bestimmter Terminus daraus entstanden ist: Man sprach vom Klütte-'Fringsen'."
Johannes Sievers, der hier aus seinem Leben erzählt, arbeitete später in der Kölner Erzbischöflichen Diözesanbibliothek. So wie er retteten sich unzählige Deutsche 1946/47 über den kältesten Winter der Nachkriegszeit. Einer von ihnen beschrieb, wie der Kohlenklau funktionierte.
"In dem kalten Winter gingen die Leute dann, sobald der gefüllte Kohlenzug das Betriebsgelände verlassen hatte, und bestiegen dann in der Langsamfahrt die Waggons und haben dann Kohlen runtergeschaufelt von dem Waggon einfach an die Böschung. Und an der Böschung standen dann zumeist schon die Familienangehörigen und haben in Handwagen und Karren die Kohlen aufgesammelt und nach Hause gefahren."
In der britischen Besatzungszone, zu der Köln gehörte, waren für jeden Haushalt 15 Zentner Kohle vorgesehen. Bei weitem nicht genug, fand Joseph Kardinal Frings, der gleich nach dem Krieg mit den alliierten Siegermächten in Kontakt getreten war. Seit 1942 Kölner Erzbischof und 1946 zum Kardinal berufen, ließ Frings seine Beziehungen spielen. Dass er damit auch die Kirche politisch wieder in Position brachte, war ein willkommener Nebeneffekt.
Bei jeder Gelegenheit mahnte Frings eine bessere Versorgung mit Kohlen an. Viele Menschen, vor allem die Älteren, plagte ein schlechtes Gewissen, wenn sie zur Selbsthilfe griffen.
"Ich habe denn nun an dem Silvesterabend gewissermaßen eine Gewissenserforschung mit den Leuten gehalten. Und beim siebten Gebot, da habe ich gesagt: Wir leben in einer Zeit, wo die öffentliche Gewalt mehr Recht über das Eigentum hat als in gewöhnlichen Zeiten, weil heute die Not so groß ist. Und dann habe ich weiter gesagt: Auch der Einzelne, wenn er in Not ist, kann er, um sein Leben und seine Gesundheit zu erhalten, das nehmen, was er dazu nötig hat. Wer aber mehr tut als das, der versündige sich gegen das siebte Gebot und der werde einmal Rechenschaft dafür vor dem Herrgott ablegen müssen. Dann haben die Zeitungsleute mir den Streich gespielt und haben nur den einen Satz: Man dürfe in der Not, um Leben und Gesundheit zu erhalten, sich was nehmen. Und das haben sie veröffentlicht, alles andere nicht. Davon stammt dann der Ausdruck 'Fringsen', und auf die Art bin ich in den Duden geraten."
Die weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt gewordene Predigt vom 31. Dezember 1946 sollte also keineswegs ein Freibrief zum Diebstahl sein.
"Aber das ging dann wie ein Lauffeuer durch die ganze Diözese. Und überall wurden tapfer Kohlen geklaut."
Frings kam deswegen in erhebliche Schwierigkeiten.
"Kardinäle sind nicht sakrosankt","
tobte General Brian Robertson, stellvertretender Gouverneur der Britischen Zone. Frings, selber geborener Rheinländer, zog sich geschickt aus der Affäre. Entweder stellte er sich dumm:
""Was ich sagte, ist die Lehre der katholischen Moraltheologie."
Oder er ergriff die Flucht nach vorn:
"Ich selbst würde mir von den Waggons die Briketts holen, wenn ich kein Heizmaterial hätte. Dass kein Hausbrand ausgegeben wird, halte ich besonders wegen der starken Kälte in diesem Jahre für ein Vergehen gegen die Menschlichkeit."
Selbst General Robertson sah schließlich ein, dass es im katholischen Rheinland nicht opportun gewesen wäre, einen leibhaftigen, beim Volk zudem so beliebten Kardinal zum Beispiel mit einer Polizeieskorte vorzuladen. Aber auch Kardinal Frings äußerte sich nicht mehr zum Klütten-Klau. So ließen beide Seiten die Sache im Sande verlaufen.
Johannes Sievers, der hier aus seinem Leben erzählt, arbeitete später in der Kölner Erzbischöflichen Diözesanbibliothek. So wie er retteten sich unzählige Deutsche 1946/47 über den kältesten Winter der Nachkriegszeit. Einer von ihnen beschrieb, wie der Kohlenklau funktionierte.
"In dem kalten Winter gingen die Leute dann, sobald der gefüllte Kohlenzug das Betriebsgelände verlassen hatte, und bestiegen dann in der Langsamfahrt die Waggons und haben dann Kohlen runtergeschaufelt von dem Waggon einfach an die Böschung. Und an der Böschung standen dann zumeist schon die Familienangehörigen und haben in Handwagen und Karren die Kohlen aufgesammelt und nach Hause gefahren."
In der britischen Besatzungszone, zu der Köln gehörte, waren für jeden Haushalt 15 Zentner Kohle vorgesehen. Bei weitem nicht genug, fand Joseph Kardinal Frings, der gleich nach dem Krieg mit den alliierten Siegermächten in Kontakt getreten war. Seit 1942 Kölner Erzbischof und 1946 zum Kardinal berufen, ließ Frings seine Beziehungen spielen. Dass er damit auch die Kirche politisch wieder in Position brachte, war ein willkommener Nebeneffekt.
Bei jeder Gelegenheit mahnte Frings eine bessere Versorgung mit Kohlen an. Viele Menschen, vor allem die Älteren, plagte ein schlechtes Gewissen, wenn sie zur Selbsthilfe griffen.
"Ich habe denn nun an dem Silvesterabend gewissermaßen eine Gewissenserforschung mit den Leuten gehalten. Und beim siebten Gebot, da habe ich gesagt: Wir leben in einer Zeit, wo die öffentliche Gewalt mehr Recht über das Eigentum hat als in gewöhnlichen Zeiten, weil heute die Not so groß ist. Und dann habe ich weiter gesagt: Auch der Einzelne, wenn er in Not ist, kann er, um sein Leben und seine Gesundheit zu erhalten, das nehmen, was er dazu nötig hat. Wer aber mehr tut als das, der versündige sich gegen das siebte Gebot und der werde einmal Rechenschaft dafür vor dem Herrgott ablegen müssen. Dann haben die Zeitungsleute mir den Streich gespielt und haben nur den einen Satz: Man dürfe in der Not, um Leben und Gesundheit zu erhalten, sich was nehmen. Und das haben sie veröffentlicht, alles andere nicht. Davon stammt dann der Ausdruck 'Fringsen', und auf die Art bin ich in den Duden geraten."
Die weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt gewordene Predigt vom 31. Dezember 1946 sollte also keineswegs ein Freibrief zum Diebstahl sein.
"Aber das ging dann wie ein Lauffeuer durch die ganze Diözese. Und überall wurden tapfer Kohlen geklaut."
Frings kam deswegen in erhebliche Schwierigkeiten.
"Kardinäle sind nicht sakrosankt","
tobte General Brian Robertson, stellvertretender Gouverneur der Britischen Zone. Frings, selber geborener Rheinländer, zog sich geschickt aus der Affäre. Entweder stellte er sich dumm:
""Was ich sagte, ist die Lehre der katholischen Moraltheologie."
Oder er ergriff die Flucht nach vorn:
"Ich selbst würde mir von den Waggons die Briketts holen, wenn ich kein Heizmaterial hätte. Dass kein Hausbrand ausgegeben wird, halte ich besonders wegen der starken Kälte in diesem Jahre für ein Vergehen gegen die Menschlichkeit."
Selbst General Robertson sah schließlich ein, dass es im katholischen Rheinland nicht opportun gewesen wäre, einen leibhaftigen, beim Volk zudem so beliebten Kardinal zum Beispiel mit einer Polizeieskorte vorzuladen. Aber auch Kardinal Frings äußerte sich nicht mehr zum Klütten-Klau. So ließen beide Seiten die Sache im Sande verlaufen.