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"Das sind enorme Mengen"

Zwischen 30 und 100 Millionen Tonnen CO2 könnten die russischen Torfbrände allein in die Atmosphäre gepustet haben. Weltweit brennen jährlich riesige Torfflächen. Deren Einfluss sei in keinem Klimamodell berücksichtigt, sagt Felix Grützmacher.

26.08.2010
    Susanne Kuhlmann: Extreme Hitze und wochenlange Luftbelastung wegen der Wald- und Torfbrände haben in Russland viele Menschen das Leben gekostet. Jetzt ist die Zeit der akuten Gefahr vorüber, aber es zeigt sich, dass die Feuerkatastrophe langfristig auch Folgen für die Umwelt haben wird. Allein die Torfbrände setzten erhebliche Mengen an Kohlendioxid frei. Das Geo-Bio-Center der Ludwig-Maximilians-Universität in München hat in diesem Zusammenhang erste Satellitendaten ausgewertet. – Am Telefon ist Felix Grützmacher, Moorexperte beim Naturschutzbund NABU. Herr Grützmacher, was wissen Sie denn über die Langzeitauswirkungen der Torfbrände?

    Felix Grützmacher: Guten Tag, Frau Kuhlmann, erst mal. Wie Sie auch schon gesagt haben, haben wir jetzt erste Angaben darüber, wie die langfristigen Folgen sich nun gestalten können. Die Mitarbeiter um Herrn Professor Siegert von der Ludwig-Maximilians-Universität haben anhand von Satellitendaten, die die Temperatur- und die Luftbilder wiedergegeben haben, herausgefunden, dass 30 bis 100 Millionen Tonnen während nur weniger Wochen dieser Torfbrände in die Atmosphäre gelangt sein können, und das ist eine Nachricht wert, wenn man bedenkt, dass das Maximalszenario von 100 Millionen Tonnen in etwa dem gesamten Ausstoß des PKW-Verkehrs in Deutschland eines Jahres entspricht.

    Kuhlmann: Die Schwankungsbreite ist ja noch relativ groß zwischen diesen beiden Zahlen?

    Grützmacher: Genau. Die Wissenschaftler von dem Geo-Bio-Center haben zwei Szenarien ausgerechnet. Die Daten wurden anhand einer Bodenkarte, die die Torf- und Moorverbreitung in Russland recht gut beschreibt, rübergelegt und man hat anhand von Erfahrungswerten, die aus vergleichbaren Ereignissen schon vorliegen, ausgerechnet, wie sich die Emissionen anhand unterschiedlicher Tiefe der Torfbrände gestalten könnten. Dort hatte man ein sehr konservatives Szenario ausgerechnet, das mit 30 Millionen Tonnen zusätzlicher CO2-Belastung zu Buche schlägt, und ein Maximalszenario, das mit 100 Millionen Tonnen. Das ist die Schwankungsbreite, in der wahrscheinlich die tatsächlichen Emissionen liegen.

    Kuhlmann: Welche Folgen könnte das denn haben?

    Grützmacher: Das hat natürlich auf das Klima langfristig eine erwärmende Folge. Wir haben natürlich nicht nur in Russland Moorbrände, sondern auch überall auf der Welt. Besonders in den tropischen Gegenden haben wir zum Beispiel allein im Jahr 2007 aus den indonesischen Mooren eine Emission von 600 Millionen Tonnen. Das sind enorme Mengen, die bisher in keinem Klimamodell berücksichtigt sind. Insofern ist es notwendig, darauf hinzuweisen, dass es hier noch weiteren Forschungsbedarf gibt und dass die konkreten Folgen berechnet werden müssen.

    Kuhlmann: In Russland brannte ja Torf, also trockengelegte Moore. Wie ist es denn eigentlich um die Moore, die wir in Deutschland haben, bestellt?

    Grützmacher: Ja, leider nicht viel besser. In Deutschland waren wir diesbezüglich auch sehr fleißig in den vergangenen 150 Jahren. Von den ehemals 1,5 Millionen Hektar Mooren, die wir in Deutschland hatten, sind heute nur noch in etwa fünf Prozent naturnah oder natürlich, sprich 95 Prozent sind mittlerweile abgetorft, landwirtschaftlich genutzt, bebaut oder als Verkehrsfläche halt genutzt. Das sind Zahlen, die zeigen, wie viel wir hier auch in Deutschland noch machen müssen.

    Kuhlmann: Wo findet man denn noch intakte Moore und was lebt dort?

    Grützmacher: Leider sind die Moore nur noch vereinzelt in einem sehr guten Zustand in Deutschland und auch nur noch in kleinen Gebieten, in Teilgebieten. Wir haben in Niedersachsen noch einige naturnahe Hochmoore, die noch nicht landwirtschaftlich genutzt sind, oder vom Torfabbau bedroht sind, aber auch besonders in Mecklenburg-Vorpommern gibt es noch große Niedermoor-Komplexe, die zum Teil auch noch landwirtschaftlich genutzt sind, wo sich aber eine Extensivierung oder eine Überführung in einen natürlichen Zustand in jedem Fall lohnen würde. Zum einen natürlich für das Klima, weil dadurch der trockengelegte Torf, der dann oxidiert wird und als Kohlendioxid sozusagen zur Erderwärmung beiträgt, gesichert wird, und zum anderen natürlich hat das ganz viele positive Effekte auf unzählige Tier- und Pflanzenarten.

    Kuhlmann: Danke schön! – Wie wirken sich Torfbrände in Russland auf die Umwelt aus und welche Rolle spielen Moore im Ökosystem? Darüber sprach ich mit Felix Grützmacher vom NABU. Ihnen danke schön nach Berlin.

    Grützmacher: Ja. Ich danke Ihnen!