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"Das sind positive Signale"

Wie die neue Bundesregierung mit der Gentechnik in der Landwirtschaft umgeht, ist noch nicht ganz klar: Das Thema ist in der Öffentlichkeit heftig umstritten, Wissenschafts-Organisationen gehören meist zu den Befürwortern der Gentechnik. Zum Beispiel die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, die heute ihren zweiten Gentechnik-Bericht vorgelegt hat.

Von Dieter Nürnberger | 03.11.2009
    Der soeben veröffentlichte zweite Gentechnologiebericht nimmt Stellung zu den aktuellen Entwicklungen der Gentechnologie. Wobei sämtliche Bereiche eine Rolle spielen: Es geht somit auch um die molekulargenetische Diagnostik, es geht um die Stammzellenforschung, aber nicht zuletzt auch um die grüne Gentechnologie. Hier haben die Wissenschaftler festgestellt, dass sich dieser Markt international weiterhin sehr dynamisch entwickelt, dass aber Deutschland hierbei viele mögliche Innovationspotentiale ungenutzt lasse. Schuld daran sei eine fehlende konsistente Politik hierzulande, wie es heißt. Die Nutzung der grünen Gentechnik könnte dabei auch sehr zum Nutzen der Pflanzen eingesetzt werden, ist sich Günter Stock, der Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sicher.

    Man kann beispielsweise durch gentechnische Veränderungen die Schädlingsbekämpfung deutlich reduzieren. Ich glaube auch, dass gerade bei klimatischen Veränderungen sich die Bedürfnisse der Pflanzen verändern können. Das gilt für Nutzpflanzen, für alle möglichen Sorten an Pflanzen. Da ist es wichtig, dass wir den Pflanzen helfen, dass sie mit diesen Veränderungen entsprechend klar kommen.

    Man ist sich natürlich bewusst, dass die Gentechnologie mit ihren vielfältigen Anwendungsbereichen die Menschen polarisiert, teilweise würde die Gesellschaft sogar in zwei mehr oder weniger unversöhnliche Lager gespalten. Die eine Seite verweise auf die Möglichkeiten und Chancen, die andere auf die Risiken und Gefahren. Hier möchte die Wissenschaft zumindest zum Teil etwas versöhnen, nötig sei dafür aber erst einmal überhaupt die Möglichkeit ausprobieren zu können. Und daran hapere es in Deutschland, sagt Bernd-Müller Röber, er ist verantwortlich für das Kapitel Grüne Gentechnik:

    "Gerade, wenn es um die Züchtung neuer Pflanzensorten geht, müssen bestimmte Fragestellungen auch auf dem Feld ausprobiert werden können. Bei der üblichen Sortenprüfung ist es ja genauso. Dies findet ja auch an unterschiedlichen Standorten statt, in unterschiedlichen Klimaten und auch Böden. Das muss somit auch für Pflanzen gelten, die mittels gentechnischer Verfahren verändert wurden. Viele, was wir im Labor an interessanten Eigenschaften finden, Toleranz gegenüber Umweltstress beispielsweise, können wir in Deutschland derzeit auf dem Feld nicht prüfen. Das hängt mit der geringen Akzeptanz von Feldversuchen zusammen. Die werden ja immer zerstört. Da haben wir einen großen Nachholbedarf."

    In diesem Zusammenhang unterstellt man auch bestimmten Verbänden oder Organisationen in Deutschland eine Art Panikmache. Akademiepräsident Günter Stock zweifelt zudem auch ein wenig jene Zahlen an, die immer wieder die große Ablehnung durch die Bevölkerung ausdrücken sollen. Das helfe sachlich nicht weiter.

    "Wir haben schon Potenziale verschenkt. Akademien haben ja die Aufgabe kritisch hinzuschauen, das tun wir ja auch. Ich glaube aber nicht, dass die potenziellen Gefahren, die wir am grünen Tisch erfinden, die auch von Nicht-Fachleuten erfunden werden, dass wir dies zu einer Handlungsanleitung machen sollten. Wir schulden neuen Technologien eine seriöse Chancen-Risiken-Bewertung. Somit sollten wir nicht zu früh Hurra schreien, aber auch nicht zu früh Verbote aussprechen. Akademien sind hierfür besonders geeignet. Dies zeigt auf, wie wir mit neuen Technologien umgehen sollten."

    Die Wissenschaftler wünschen sich also vor allem eine Versachlichung der Diskussionen in Deutschland über die Chancen und Risiken der grünen Gentechnik. Positiv immerhin wird der neue Koalitionsvertrag bewertet - die Passagen über die Grüne Gentechnik weisen in die richtige Richtung, sagt Bernd Müller Röber, sie hätten aber auch noch konkreter sein können:

    "Es wird ja auch die Amflora-Kartoffel angesprochen. Anbau und Freisetzung sollen unterstützt werden. Das sind positive Signale. Insgesamt hätte ich mir aber eine stärkere Stellungnahme für die grüne Gentechnik, für eine moderne Biotechnologie im weiteren Sinne, gewünscht."

    Der Bericht ist somit ein Plädoyer der Wissenschaftler, den Anschluss an internationale Entwicklungen nicht zu verpassen.