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"Das sind richtige Oasen"

Geologie.- Neulich brach vor der Westküste der USA und Kanadas ein Vulkan aus - unter Wasser. Das Magma hat den dortigen Meeresboden stark verändert. Gerhard Bohrmann vom Zentrum für marine Umweltwissenschaften der Uni Bremen erläutert im Interview, wo Unterwasser-Vulkane vorkommen und wie sie das Ökosystem Tiefsee bereichern können.

16.08.2011
    Jochen Steiner: Wenn an Land ein Vulkan ausbricht, dann ist das oft ziemlich spektakulär und manchmal auch gefährlich für die Menschen vor Ort. Wenn im Meer ein Vulkan ausbricht, bekommen das meist nur ein paar Wissenschaftler mit. Wie neulich, als ein Unterwasser-Vulkan am Juan-de-Fuca-Rücken ausbrach, vor der Westküste der USA und Kanadas. Die Forscher erkannten nach dem Ausbruch ihr Beobachtungsgebiet am Meeresboden nicht wieder - so stark hatte das Magma die Umgebung verändert. Vor der Sendung konnte ich mit Gerhard Bohrmann sprechen. Er ist Meeresgeologe am Zentrum für marine Umweltwissenschaften an der Uni Bremen. Und ich habe ihn gefragt, ob solche Ausbrüche von Unterwasservulkanen ein seltenes Ereignis sind.

    Gerhard Bohrmann: Nein, sie sind ein ständiges Ereignis. Der Juan-de-Fuca-Rücken ist ja Teil des ozeanischen Rückensystems auf der Erde im Ozean - 60.000 Kilometer lang. Und die Platten treten auseinander, sie divergieren also. Und entlang dieser Plattenkränze kommt es also ständig zu Vulkanismus.

    Steiner: Wo befinden sich denn diese Unterwasser-Vulkane, wenn man die ganze Erde betrachtet?

    Bohrmann: Also die meisten Vulkane entlang des mittelozeanischen Rückens. Und dann zu einem geringeren Anteil in den Tiefseeebenen, vor allem im Pazifik kennen wir das. Da gibt es sehr viele Tiefseeberge. Und diese Tiefseeberge sind in den allermeisten Fällen einzelne Vulkane, die an sogenannten heißen Flecken entstanden sind. Wir sprechen auch von Hotspots. Das ist Magmenmaterial, das ist also ein Magma, was sehr tief, und zwar nicht nur aus der Kruste, sondern aus dem Erdmantel kommt, also aus der Schicht, die darunter liegt. Und solche heißen Flecken werden also in 2900 Kilometern Tiefe generiert. Und das Material steigt dann auf und sie bekommen dann innerhalb einer solchen Platte einen solchen Vulkan. Hawaii ist das schönste Beispiel, was wir kennen. Und diese Vulkane sind dann also sehr aktiv. Aber es ist nur ein geringer Anteil - etwa fünf Prozent des Vulkanismus im Ozean ist dadurch gekennzeichnet.

    Steiner: Viele dieser Unterwasser-Vulkane sind ja in einer sehr großen Wassertiefe zu finden. Wie schaffen Sie es denn, diese Vulkane in dieser großen Tiefe zu erforschen?

    Bohrmann: Das ist eine besondere Herausforderung an die Meeresforschung. Wir operieren ja auf Schiffen und setzen also von unseren Schiffen Tiefseeroboter ein. Es gibt auch einige Nationen, die haben Tiefseetauchboote, mit denen wir dann am Meeresboden in 4000 bis 5000 Metern Wassertiefe so etwas untersuchen können.

    Steiner: Was war denn Ihre persönlich spannendste Expedition? Was würden Sie sagen?

    Bohrmann: Eine spannende Aktion, die mir noch sehr gut in Erinnerung ist, ist, dass wir im Jahre 2004 im Golf von Mexiko sogenannte Asphalt-Vulkane untersuchen konnten in 3000 Meter Wassertiefe. Dort tritt also in Form eines Vulkans - das ist jetzt kein magmatischer Vulkan, wo also flüssige Lava gebildet wird, aber das sind Tiefseeberge, die aufgrund von Salzstöcken im Untergrund gebildet werden. Und dort tritt an der Kuppel eines solchen Salzstockes flüssiger Asphalt aus, der nun den Meeresboden wie eine Asphaltstraße überdeckt. Und wir damals den Begriff Asphalt-Vulkanismus auch eingeführt, weil eben das Phänomen, das wir dort gefunden haben, sehr ähnlich einem magmatischen Vulkan auch ist.

    Steiner: In welcher Weise beeinflussen denn diese Unterwasser-Vulkane den Lebensraum dort unten am Meeresboden?

    Bohrmann: Sie sind sehr, sehr wichtige Stellen im Ozean, wo wir eine Wechselwirkung zwischen dem Meeresboden und dem Meerwasser haben. Viele chemische Stoffe, die also in das Meerwasser gegeben werden, treten an solchen Vulkanen aus der Kruste heraus. Und wir haben gerade am mittelozeanischen Rücken, wo wir also sehr hoch liegende Magmenkammern haben, die liegen also in zwei, drei Kilometern direkt unter dem Meeresboden, haben wir eine intensive Wechselwirkung mit dem Meerwasser. Und es gibt dort Hydrothermalquellen, die also typische Phänomene des Vulkanismus sind. Und diese Hydrothermalquellen liefern chemische Energie für chemisches Leben. Sie haben ja in der Tiefsee kein Sonnenlicht, sondern dort haben sie chemosynthetisches Leben, was nun durch solchen Vulkanismus natürlich gefördert wird.

    Steiner: Wie müssen wir uns denn dieses Leben vorstellen? Was lebt denn an Unterwasser-Vulkanen?

    Bohrmann: Das sind richtige Oasen, muss man sagen. Das sind also große Besiedlungen durch Muschel oder Bartwürmer, die nun alleine auch gar nicht existieren können. Es ist also eine vollkommene Symbiose, die wir dort finden.