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"Das sind sehr harte und traurige Zahlen"

Heribert Scharrenbroich von Care Deutschland hat unterstrichen, dass 32.000 Kinder im Niger nach übereinstimmender Auffassung der Hilfsorganisationen durch Hunger medizinisch bedroht seien. Hilfen aus dem Ausland kämen derzeit zwar im Süden und der Mitte des Landes an, nicht aber in den Tuareg-Gebieten des Norden.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Es gibt keine Hungerkatastrophe in Niger. Das behauptet ein Mann, der es eigentlich wissen sollte: der Präsident des Landes. Anderslautende Berichte seien reine Propaganda erklärte er dieser Tage aufgebracht. Das wiederum macht Leute wütend, die sich um die tatsächlichen Hungeropfer kümmern, Vertreter internationaler Hilfsorganisationen zum Beispiel und zu ihnen gehört Heribert Scharrenbroich, er ist Vorstandsmitglied von Care Deutschland und war gerade dort im Niger. Was macht Ihre Organisation dort, wenn es doch gar keine Hungerkatastrophe geben soll?

    Heribert Scharrenbroich: Unsere Organisation hat über 50 Verteilzentren im Land aufgebaut, von denen ich einige gesehen habe, und wir unterstützen zum Beispiel auch Organisationen wie "Ärzte ohne Grenzen", damit nicht so viele Kinder medizinisch versorgt werden müssen. 32.000 Kinder sind nach übereinstimmenden Auffassungen der Hilfsorganisationen medizinisch bedroht durch Hunger und der Herr Präsident sollte doch zur Kenntnis nehmen, dass es inzwischen nach einer Meldung der Weltgesundheitsbehörde vom vergangenen Freitag 61 Cholerafälle gibt, dass es bereits zehn Tote in der Region von Tahua gibt. Das sind sehr harte und traurige Zahlen.

    Durak: Wenn denn schon der Präsident anderer Meinung ist als Sie, wie läuft denn die Zusammenarbeit von Care Deutschland beispielsweise und anderen Organisationen mit den Behörden dort.

    Scharrenbroich: Eine Organisation wie Care Deutschland ist bereits seit 30 Jahren im Niger tätig, andere Organisationen, die wie wir in der Aktion "Deutschland hilft" zusammengeschlossen sind, sind vor Ort. Wir haben jetzt auch einen Mitarbeiter aus Deutschland dorthin geschickt, um zu sehen, dass die Hilfe auch wirklich ankommt. Das ist uns wichtig und Care gehört zu den großen Hilfsorganisationen, die von dem Welternährungsprogramm beauftragt worden sind, die Nahrungsmittel, die jetzt endlich im Land ankommen, zu verteilen.

    Durak: Und wie arbeiten Sie mit den Behörden zusammen?

    Scharrenbroich: Es gibt ein Komitee der Regierung, in dem sitzen die größten Geldgeber und Nichtregierungsorganisationen zusammen und stellen den Bedarf fest und wir müssen allerdings auch beobachten, dass die Hilfe jetzt inzwischen im Süden des Landes ankommt und in der Mitte, aber noch nicht im Norden, und das ist ein besonders großes politisches Problem, weil dort die Tuareg wohnen, mit denen wir seit langem zusammenarbeiten, die den Frieden wollen, aber in den 90er-Jahren gab es dort große Unruhe und jetzt stellen die Tuareg fest, dass Hilfe im Süden ankommt, aber sie vergessen werden. Deswegen hat Care Deutschland 100.000 Euro zur Verfügung gestellt für Nahrungsmittel für die Tuareg.

    Durak: Die Nahrungsmittel kommen dann dort auch wirklich an? Wie sorgen Sie dafür?

    Scharrenbroich: Indem wir selber jetzt einen Mitarbeiter dorthin geschickt haben, außerdem haben wir eine gute, bewährte Zusammenarbeit mit den Tuareg. Wir kaufen die Nahrungsmittel im Land oder in Nachbarstaaten. Wir konzentrieren uns allerdings auch auf Zusatznahrung für Kinder und wir haben inzwischen gute Spendeneinnahmen. Care Deutschland ist sehr glücklich, dass wieder die Spendenbereitschaft der deutschen Bürger gewachsen ist. Wir haben eine halbe Million Euro an Spenden erhalten, aber wir brauchen noch mehr, denn es ist ein langfristiges Problem. Die Nahrungsmittel brauchen wir jetzt bis die Ernte im Oktober eingefahren wird, aber die Ernte wird sehr karg sein, weil vielfach Saatgut aufgegessen worden ist, die Viehbestände sind wahnsinnig dezimiert und man muss, um solche Katastrophen für die Zukunft zu vermeiden, die Getreidebanken wieder auffüllen und man muss die Bewässerungsanlagen wieder aufbauen.

    Durak: Herr Scharrenbroich, die Spendenbereitschaft der Deutschen hat also nicht unter dem Tsunami-Ereignis gelitten. Wie erklären Sie sich eigentlich, dass die Spendenbereitschaft im Prinzip anhält bei den Deutschen, die doch geziehen werden, muffelig zu sein, zu jammern, zu klagen und der Geiz-ist-geil-Generation anzugehören.

    Scharrenbroich: Ich glaube erstens, die Tsunami-Katastrophe hat sehr viele Leute wachgerüttelt, die Medien waren sehr hilfreich, indem sie informieren, und ich glaube auch das Vertrauen in die deutschen Hilfsorganisationen ist relativ groß, erstens, weil sie seriös arbeiten, und zum anderen, weil diese Privatspenden an Nichtregierungsorganisationen wichtig sind, um Lücken zu schließen. Das Welternährungsprogramm schickt Tonnen von Getreide dorthin, aber in manchen Lücken, die einfach dort sind, die werden geschlossen erst von den Nichtregierungsorganisationen, oder zum Beispiel Care war bereits im Juli - oder was heißt "bereits" - immerhin im Juli vor Ort und hat Nahrungsmittel verteilt im größeren Umfang, während die Welternährungsorganisation erst jetzt am 6. August mit ihren Tonnen von Getreide angekommen ist.

    Durak: Wie können Sie kurz gefragt dafür sorgen, dass nur wenig von einem Euro Spendengeld für Verwaltung verwendet werden muss?

    Scharrenbroich: Die meisten deutschen Hilfsorganisationen wie auch Care und die ADH- Organisation haben das deutsche Spendensiegel und werden vom deutschen Institut untersucht und jedes Jahr geprüft, dass wir nicht zu viel für die Verwaltungskosten ausgeben.

    Durak: Wie viel ist nicht zu viel?

    Scharrenbroich: Das liegt zwischen 15 und 25, 27 Prozent.