Benedikt Schulz: Wo liegt eigentlich Italien? Eine einfache Frage, klar, im Süden. Mal angenommen, wir befinden uns in Kairo: Wo liegt Italien? Klar, im Norden. Klingt immer noch einfach. Aber solche Perspektivwechsel, die fallen vielen Schülerinnen und Schülern heutzutage schon schwerer. Das ist ein Ergebnis einer Studie des Geografiedidaktikers Thomas Lamkemeyer aus Soest. Im Rahmen seiner Dissertation hat er die Geografiekenntnisse von Schülerinnen und Schülern untersucht. Die Frage: Über welche topografischen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen Schüler nach zehn Jahren, also bis zum Ende der Sekundarstufe I? Mit ihm bin ich jetzt verbunden, guten Tag, Herr Lamkemeyer!
Thomas Lamkemeyer: Guten Tag!
Schulz: Ihre Bilanz ist nicht gerade aufmunternd. Sie nennen die Ergebnisse teilweise erschreckend. Woran genau mangelt es bei den heutigen Schülern?
Lamkemeyer: Zum einen geht um das Basiswissen, das Stadt-Land-Fluss-Wissen. Zum anderen aber auch so um die Kartenkompetenz, wie können Schülerinnen und Schüler mit einer Karte arbeiten, umgehen. Und wie ist das systemische Wissen der Schülerinnen und Schüler ausgeprägt, das heißt, wie sind sie in der Lage, Regionen, Staate, Städte in ein bestimmtes System wie zum Beispiel Klimazonen einzuordnen? Beim Basiswissen, beim Stadt-Land-Fluss-Wissen war das Wissen zum Teil erschreckend. So konnten sie zum Beispiel die Kontinente der Welt zum Teil nicht zuordnen, in einer Karte zuordnen, nach Namen zuordnen, der Lage zuordnen, beziehungsweise nur ein Drittel der Schülerinnen und Schüler war in der Lage, die Weltmeere zu verorten. Wesentlich besser ist die Fähigkeit, geografische Gegebenheiten, Regionen in bestimmte Raster zuzuordnen. Fast jeder zweite Schüler ist in der Lage, Regionen in verschiedene Raster wie zum Beispiel Zeitzone oder Klimazone einzuordnen. Hier zeigt sich, dass der Geografieunterricht sehr positiv auf das Wissen der Schülerinnen und Schüler wirkt. Der dritte spannende Bereich ist der Bereich der Kartenkompetenz. 75 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler waren zwar in der Lage, sehr einfache Karten zu lesen, die Karten aber interpretatorisch zu nutzen, das heißt, unter bestimmten Fragestellungen auszuwerten, waren sie nicht in der Lage.
Schulz: Jetzt ist das ja schon ein relativ breites Bild. Man kann jetzt nicht sagen, die Schülerinnen und Schüler heutzutage haben keine Ahnung mehr, es ist ein breites Ergebnis. Wie erklären Sie sich Ihre Ergebnisse?
Lamkemeyer: Zum einen liegt das sicherlich an der Schwerpunktlegung im Unterricht. Da, wo speziell im Fachunterricht in den Schulen die Schwerpunkte drauf gelegt wurden, da sind die Ergebnisse auch besser. Zum Beispiel bei der Fähigkeit, geografische Gegebenheiten in räumliche Ordnungsraster einzuordnen, das ist ein großes Thema in der Sekundarstufe I, das systemische Wissen von Schülerinnen und Schülern aufzubauen. Es geht nicht mehr nur darum, Stadt-Land-Fluss-Wissen zu vermitteln, sondern wirklich ein Anwendungswissen zu vermitteln in den Schulen.
Schulz: Sie sind selbst auch Erdkundelehrer. Wie muss denn der Unterricht geändert werden, wie müssen die Lehrpläne geändert werden, damit das Ergebnis einfach besser wird?
Lamkemeyer: Wichtig ist, dass der Unterricht in allen Schulformen kompetenzorientiert vermittelt wird. Das heißt, die Schülerinnen und Schüler müssen ganz genau wissen, was von ihnen verlangt wird. Die müssen sehr konkrete Zielvorgaben haben und so müssen auch Schulbücher zum Beispiel gestaltet werden, sie müssen individuelle Förderaufgaben haben, Schüler-aktivierend sein, die müssen so gestaltet sein, dass die Schülerinnen und Schüler wissen, warum sie was lernen, wissen, warum das geografische Wissen, räumliche Orientierungskompetenz wichtig für ihr eigenes Leben ist. Das wird zurzeit gemacht von Hochschulen, es wurden Bildungsstandards entwickelt, die jetzt implementiert werden in den Schulen. Aber das dauert natürlich seine Zeit.
Schulz: Wenn ich das jetzt im Unterricht so mache, was hilft mir dann später, auf der Landkarte Madrid und Mailand zu unterscheiden?
Lamkemeyer: Es reicht nicht nur zu wissen, wo was liegt, das kann jedes Navigationssystem, das kann Google Earth auch, da gebe ich das kurz ein. Aber das ist nicht das geografische Wissen, was heute verlangt wird. Heute ist es wichtig, dass man mit dem Stadt-Land-Fluss-Wissen weiterarbeiten kann, das ist nur die Grundlage, es ist nur ein kleiner Teil der räumlichen Orientierungskompetenz. Man muss das Wissen anwenden können.
Schulz: Über die räumliche Orientierungskompetenz, heißt, über die topografischen Kenntnisse von Schülerinnen und Schülern und notwendige Änderungen im Erdkundeunterricht habe ich gesprochen mit Thomas Lamkemeyer. Seine Dissertation ist erschienen im ISB-Verlag. Herr Lamkemeyer, vielen Dank für das Gespräch!
Lamkemeyer: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Thomas Lamkemeyer: Guten Tag!
Schulz: Ihre Bilanz ist nicht gerade aufmunternd. Sie nennen die Ergebnisse teilweise erschreckend. Woran genau mangelt es bei den heutigen Schülern?
Lamkemeyer: Zum einen geht um das Basiswissen, das Stadt-Land-Fluss-Wissen. Zum anderen aber auch so um die Kartenkompetenz, wie können Schülerinnen und Schüler mit einer Karte arbeiten, umgehen. Und wie ist das systemische Wissen der Schülerinnen und Schüler ausgeprägt, das heißt, wie sind sie in der Lage, Regionen, Staate, Städte in ein bestimmtes System wie zum Beispiel Klimazonen einzuordnen? Beim Basiswissen, beim Stadt-Land-Fluss-Wissen war das Wissen zum Teil erschreckend. So konnten sie zum Beispiel die Kontinente der Welt zum Teil nicht zuordnen, in einer Karte zuordnen, nach Namen zuordnen, der Lage zuordnen, beziehungsweise nur ein Drittel der Schülerinnen und Schüler war in der Lage, die Weltmeere zu verorten. Wesentlich besser ist die Fähigkeit, geografische Gegebenheiten, Regionen in bestimmte Raster zuzuordnen. Fast jeder zweite Schüler ist in der Lage, Regionen in verschiedene Raster wie zum Beispiel Zeitzone oder Klimazone einzuordnen. Hier zeigt sich, dass der Geografieunterricht sehr positiv auf das Wissen der Schülerinnen und Schüler wirkt. Der dritte spannende Bereich ist der Bereich der Kartenkompetenz. 75 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler waren zwar in der Lage, sehr einfache Karten zu lesen, die Karten aber interpretatorisch zu nutzen, das heißt, unter bestimmten Fragestellungen auszuwerten, waren sie nicht in der Lage.
Schulz: Jetzt ist das ja schon ein relativ breites Bild. Man kann jetzt nicht sagen, die Schülerinnen und Schüler heutzutage haben keine Ahnung mehr, es ist ein breites Ergebnis. Wie erklären Sie sich Ihre Ergebnisse?
Lamkemeyer: Zum einen liegt das sicherlich an der Schwerpunktlegung im Unterricht. Da, wo speziell im Fachunterricht in den Schulen die Schwerpunkte drauf gelegt wurden, da sind die Ergebnisse auch besser. Zum Beispiel bei der Fähigkeit, geografische Gegebenheiten in räumliche Ordnungsraster einzuordnen, das ist ein großes Thema in der Sekundarstufe I, das systemische Wissen von Schülerinnen und Schülern aufzubauen. Es geht nicht mehr nur darum, Stadt-Land-Fluss-Wissen zu vermitteln, sondern wirklich ein Anwendungswissen zu vermitteln in den Schulen.
Schulz: Sie sind selbst auch Erdkundelehrer. Wie muss denn der Unterricht geändert werden, wie müssen die Lehrpläne geändert werden, damit das Ergebnis einfach besser wird?
Lamkemeyer: Wichtig ist, dass der Unterricht in allen Schulformen kompetenzorientiert vermittelt wird. Das heißt, die Schülerinnen und Schüler müssen ganz genau wissen, was von ihnen verlangt wird. Die müssen sehr konkrete Zielvorgaben haben und so müssen auch Schulbücher zum Beispiel gestaltet werden, sie müssen individuelle Förderaufgaben haben, Schüler-aktivierend sein, die müssen so gestaltet sein, dass die Schülerinnen und Schüler wissen, warum sie was lernen, wissen, warum das geografische Wissen, räumliche Orientierungskompetenz wichtig für ihr eigenes Leben ist. Das wird zurzeit gemacht von Hochschulen, es wurden Bildungsstandards entwickelt, die jetzt implementiert werden in den Schulen. Aber das dauert natürlich seine Zeit.
Schulz: Wenn ich das jetzt im Unterricht so mache, was hilft mir dann später, auf der Landkarte Madrid und Mailand zu unterscheiden?
Lamkemeyer: Es reicht nicht nur zu wissen, wo was liegt, das kann jedes Navigationssystem, das kann Google Earth auch, da gebe ich das kurz ein. Aber das ist nicht das geografische Wissen, was heute verlangt wird. Heute ist es wichtig, dass man mit dem Stadt-Land-Fluss-Wissen weiterarbeiten kann, das ist nur die Grundlage, es ist nur ein kleiner Teil der räumlichen Orientierungskompetenz. Man muss das Wissen anwenden können.
Schulz: Über die räumliche Orientierungskompetenz, heißt, über die topografischen Kenntnisse von Schülerinnen und Schülern und notwendige Änderungen im Erdkundeunterricht habe ich gesprochen mit Thomas Lamkemeyer. Seine Dissertation ist erschienen im ISB-Verlag. Herr Lamkemeyer, vielen Dank für das Gespräch!
Lamkemeyer: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.