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Das Tabu des Scheiterns aufbrechen

In Berlin schaut die Konferenz Failcon auf die Schattenseite von Existenzgründung, über das auf anderen Start-Up-Konferenzen nur ungern gesprochen wird: dem Scheitern. Die Teilnehmer wollen aus Fehlern lernen.

Von Mirko Heinemann | 15.11.2012
    Auf dem Podium steht Gabriel Yoran und erzählt, wie er mit seinem Unternehmen aka-aki baden gegangen ist. Die Internetplattform machte sich die Standortfunktion von Smartphones zunutze, um Menschen mit ähnlichen Interessen in der Nähe ausfindig zu machen. In diesem Sommer wurde der Dienst geschlossen. Kein Drama für Gabriel Yoran – er ist als Geschäftsführer seiner Softwarefirma Steganos gut abgesichert.

    Und Absicherung ist wichtig, denn beim Gründen solcher Unternehmen ist das Scheitern wahrscheinlicher als der Erfolg.

    "Wenn man ein Startup startet, hat man 90 Prozent Scheiter-Wahrscheinlichkeit. Und wenn man die auf 70 Prozent reduzieren kann, weil man Dinge besser macht oder Dinge gehört hat, mit anderen Unternehmern gesprochen hat, ist das doch klasse."

    Gunnar Berning wird heute ebenfalls auf der Failcon sprechen. Gemeinsam mit zwei anderen hat er twago gegründet, eine Internetplattform, die Aufträge für kreative Dienstleister vermittelt. Im Frühjahr fiel der Hauptinvestor aus, dessen Konten wegen einer Steuerprüfung eingefroren worden waren. Obwohl twago keinerlei Schuld traf, musste die Firma Insolvenz anmelden.

    "In Deutschland hat das Thema Insolvenz ja immer noch so was Negatives. Oh, man hat schlecht gewirtschaftet. Was natürlich auch häufig der Fall ist. Aber man muss das schon sehr differenziert betrachten."

    Ein differenzierte Betrachtung des Scheiterns – nichts weniger hat sich die heutige Failcon vorgenommen, die der Entrepreneurs Club gemeinsam mit den Business Angels Berlin ausrichtet. Ein halbes Dutzend Referenten und noch einmal ein Dutzend Diskussionsteilnehmer sind eingeladen, knapp 100 Teilnehmer sind gekommen. Die Veranstalter ließen sich von ähnlichen Veranstaltungen inspirieren, die bereits in San Francisco, Singapur und Paris stattgefunden haben.

    "Es gibt ja immer die Gründerveranstaltungen, wo erfolgreiche Gründer sind. Und die reden dann über ihren Erfolg, aber im Grunde weiß keiner im Nachhinein, warum man erfolgreich war. Man lernt viel mehr in den Phasen, wo es schwierig ist."

    Bernd Monitor vom Business Angel Club Berlin wird heute über Team Building diskutieren. Andere Fragen, etwa die Wahl der Investoren oder die Neuausrichtung des Geschäftsmodells in der Krise, sollen auf der Failcon auch noch angesprochen werden. Im Zentrum aber steht die Analyse der Fehler, die Besucher besonders interessiert.

    - Mann: "Zu realisieren, dass man gescheitert ist und warum man gescheitert ist und die Fehler zu erkennen und die entsprechenden Konsequenzen daraus zu ziehen, ist extrem wichtig. Sonst läuft man das nächste Mal in die gleichen Fehler rein."
    - Mann: "Speziell in Berlin ist es auch nicht so verkehrt, weil es hier viele Start-Ups gibt, die auf Schall und Rauch existieren und die vielleicht mehr gehypt werden als notwendig."
    - Frau: "Ich denke, was das Wichtigste ist, dieses Tabu aufzubrechen. Das Tabu des Scheiterns oder Misserfolgs."

    Gescheiterte Gründer hätten in Deutschland einen schweren Stand, heißt es hier immer wieder, ihr Image sei schlecht. In den USA sei das anders, sagt Bernd Monitor. Dort würde man Scheitern eher als Erfahrung verbuchen und es noch einmal versuchen.

    "Die Erfahrung des Scheiterns ist ja fundamental. Und letztendlich lerne ich Sachen dabei. Es zeigt sich auch, dass viele von den erfolgreichen Gründern vorher kleinere oder andere Projekte hatten, wo sie gescheitert sind."

    Für Gunnar Berning und seine Firma twago nahm alles noch ein gutes Ende. Die Gründer haben es geschafft, binnen neun Wochen neue Investoren zu finden. Heute ist das Unternehmen aus dem Gröbsten raus, es hat 50 Mitarbeiter und wächst schnell. Im Nachhinein findet Berning sogar, dass die Krise ihr Gutes hatte.

    "Ich habe daraus gelernt, dass man fast alles schaffen kann, wenn man nur möchte. Ich hab daraus gelernt, dass man auch ein Team dazu motivieren kann, obwohl alle Anzeichen auf Negativ stehen, ein komplettes Team zu halten. Ich hab daraus gelernt, dass es auf jedem Hierarchielevel in der Firma Leute gibt, die können da gut mit umgehen und andere, die können gar nicht damit umgehen."

    Dass jeder seine eigene Art hat, mit einer Krise umzugehen, das zeigen die Redebeiträge. Endgültig Gescheiterte findet man hier jedenfalls nicht. Wer sich auf der Bühne der Failcon präsentiert, hat zu guter Letzt doch eine Erfolgsgeschichte vorzuweisen.