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Das Tal der toten Krokodile

Biologie. - Im vergangenen Sommer machte das Krokodilsterben im Krüger-Nationalpark weltweit Schlagzeilen. Innerhalb weniger Monate verendeten mindestens 150 Krokodile - ein Sechstel der Gesamtpopulation im Park. Noch immer rätseln Experten über die Ursache.

Von Dagmar Röhrlich |
    Die Olifants-Schlucht ist ein Paradies für Krokodile. Sie können auf warmen Sandbänken ruhen oder in tiefen Fluss-Becken nach riesigen Welsen schnappen. Kein Wunder, dass sich dort im Grenzgebiet von Südafrika und Mosambik um die 500 Großechsen wohl fühlen - oder besser: wohl fühlten, denn seit Mai 2008 lauert die Schlange im Paradies:

    "Seitdem haben wir rund 150 tote Krokodile gezählt, aber das sind nur die, die wir wirklich gefunden haben. Die Olifants-Schlucht liegt in einem sehr abgelegenen Teil des Krüger-Parks, und Kadaver werden schnell von anderen Krokodilen aufgefressen. Die wirkliche Zahl der toten Tiere könnte etwa doppelt so hoch liegen."

    Danie Pienaar ist Leiter des Wissenschaftsdienstes der Südafrikanischen Nationalparks. 2008 könnte damit bis zu einem Drittel aller fortpflanzungsfähigen Krokodile des gesamten Krüger-Parks verendet sein:

    "Wenn Sie einen so großen Teil einer Population verlieren, hat das ganz sicher keine natürlichen Ursachen. Krokodile sterben, aber nicht annähernd in diesem Ausmaß."

    Die Tiere verenden langsam an einer qualvollen Krankheit, erklärt Krügerpark-Tierarzt Markus Hofmeyr:

    "Wir haben Pansteatitis diagnostiziert, eine Entzündung des Fettgewebes. Sie entsteht, weil der Körper seinen Vorrat an Antioxidantien wie Vitamin A und E aufgebraucht hat und sich selbst angreift. Das Körperfett verhärtet und wird gelb, die Tiere sterben. Leider können wir hier den Auslöser der Erkrankung nicht finden."

    Ein Auslöser wäre große Mengen an verdorbenem Fisch als Futter. So verendeten in dem mehr als 200 Kilometer flussaufwärts gelegenen Loskop-Stausee rund 160 Krokodile, nachdem säurehaltige Abwässer aus dem Bergbau ein Fischsterben ausgelöst hatten:

    "Im Krüger Park gab es aber kein solches Fischsterben. Wir haben vielleicht drei tote Welse gesehen. Trotzdem könnten die Fische etwas damit zu tun haben, denn sie sind krank, zeigen Auffälligkeiten an Kiemen, Leber und roten Blutkörperchen. Mit dem Fluss stimmt etwas nicht. Im Februar 2008 nahmen wir in der Olifantsschlucht bei einer Markierungsaktion Blutproben von Krokodilen. Schon damals waren die Werte der Antioxidantien niedrig."

    Drei Monate später setzte die Sterbewelle ein. In Wasser- und Sedimentproben aus dem Olifants finden sich zwar viele Schadstoffe, aber die Werte sind allesamt niedrig:

    "Den internationalen Gesundheitsstandards zufolge dürfte es bei diesen Werten keine Probleme geben. Deshalb versuchen wir mehr über die Langzeiteffekte dieser Schadstoffe zu erfahren und über ihre Wechselwirkungen. "

    Um das akute Sterben zu stoppen, ergriffen die Ranger Notmaßnahmen. So verbrannten sie so schnell es ging die Kadaver der verendeten Echsen. Markus Hofmeyr:

    "Krokodile sind kannibalistisch und verspeisen tote Artgenossen. Wenn sie ein an Pansteatitis gestorbenes Krododil fressen, werden auch bei ihnen die Reserven an Antioxidantien aufgebraucht und die Entzündung des Fettgewebes beginnt."

    Um die Krokodile auch von den kranken Fischen abzuhalten, schossen ihnen die Ranger Nilpferde als Alternative. Das durchbrach anscheinend den Teufelskreis und beendete das akute Sterben. Aber die Ursache ist nicht beseitigt, fürchtet Danie Pienaar. Sein Verdacht:

    "Es scheint eine Verbindung zum benachbarten Massingir-Staudamm in Mosambik zu geben, der 2007 aufgestockt wurde. Das veränderte die Strömungsverhältnisse und erstmals überhaupt verschlammt die Olifantsschlucht. Aber wir wissen nicht, ob das so schnell so viele Krokodile tötet und wenn ja, wie."

    Sicher ist: Der Staudamm verändert die Olifantsschlucht rapide. Innerhalb der nächsten ein, zwei Regenzeiten dürfte aus dem artenreichen Fluss mit Stromschnellen und tiefen Wasserlöchern ein flaches Schlammgewässer werden, in dem kaum Fische leben, so Pienaar. Das wäre das Ende der zweitgrößten Krododilpopulation in ganz Afrika.