Die bis dahin unauffällige Hausfrau und Mutter B.S. erscheint im August 1935 aufgelöst beim Dauerdienst der Frankfurter Staatspolizei. In ihrer Paranoia meint sie, die Beamten auf gefährliche Machenschaften einer geheimen Instanz aufmerksam machen zu müssen. Dabei prägt sie ein ungeheuerliches Wort: das "Umstellformat". Dieser Ausdruck entzieht sich einer logischen Deutung, wodurch er um so vielsagender und bedrohlicher wirkt. Auch der protokollarisch anmutende, kühle Text bietet keine Erklärung an.
Die Vokabel vom "Umstellformat" lässt sich nicht nur auf eine "Gleisänderung" im Leben der Kranken, sondern ebenso auf die Umstellung des öffentlichen Lebens ab 1933, auf den Paradigmenwechsei durch die Diktatur anwenden. Das "Umstellformat" wird so zum heimlich-unheimlichen Zentrum der spröden Erzählung. Dieses eine Wort macht ihr Geheimnis aus. wenn aus dem Polizeiprotokoll zitiert wird: "Durch Augenhypnose habe das Umstellformat zuerst sie und dann die anderen, die sich als Ärzte und Schwestern ausgaben, in die Gewalt genommen. Frau S. begann wild zu gestikulieren und behauptete, sie habe ein Ferngespräch, das Umstellformat sage, ihr Mann könne sie vergessen, sie würde hier nicht mehr herauskommen."
An dieser Stelle kommt B. S-- zum Zeitpunkt des Krankheitsausbruchs 39 Jahre alt, das einzige Mal mit ihrer symbolträchtigen Vision als Subjekt zu Wort. Anschließend verschwindet sie, wie von ihr vorhergesagt, mit der Diagnose "paranoide Schizophrenie" endgültig hinter Anstaltsmauern. Sie wird zur Aktennotiz vier verschiedener Kliniken in Hessen und schließlich 1943 zum staatlichen Mordopfer- Die Rechnung für die anonyme Urnenbestattung ging an die Hinterbliebenen.
Gut sechzig Jahre später machen sich Tochter und Enkelin, eine Psychiaterin, von Österreich nach Deutschland auf, um ein verdrängtes Lebensende zu rekonstruieren. Bezeichnenderweise ist die erste Station ihrer Reise das Nürnberger Reichsparteitagsgelände. Sie stellen sich einer Schuld oder zumindest einem Versäumnis ~ B.S.' Tochter träumt von der singenden Mutter, ein Traum, der sie nicht schlafeil lässt. Als Kontrast und Ergänzung entwirft Melitta Breznik eine nicht ganz schlüssige Binnenhandlung; Die Erzählerin erinnert sich an ihre Zeit als Austauschschülerin in Norwegen. Sie fährt dorthin und nimmt die Gespräche mit dem Vater der Gastfamilie wieder auf. Er war einst als Sympathisant der deutschen Besatzer verfemt worden.
Diese zweifache Vergangenheitsbewältigung ist sehr vordergründig, ja schematisch gestaltet. Sorgsam werden Gefühle ausgespart, so dass sie zu einer immer größeren Leerstelle anwachsen. Ihre stärksten Momente hat die erdenschwere Moritat, wenn sie sich Bilder und Szenen gestattet: eine Photographie der Großmutter im zerknitterten Anstaltshemd mit der Aufschrift "Klinik, Abteilung K" etwa, oder ein Erlebnis der Enkelin aus der eigenen beruflichen Praxis: Hinter der Panzerglasscheibe der psychiatrischen Ambulanz beobachtet die Erzählerin eine verwirrte junge Frau. Mit einem Mal hört sie sich selbst "Umstellformat" sagen. Dieser Begriff entfaltet einen beunruhigenden sprachlichen Mehrwert, eine Sogwirkung. Dennoch kann ein Wort keine ganze Erzählung tragen, sei sie auch noch so redlich und thematisch ehrenwert.