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Das unterschätzte Alter der Erde

Geologie. - Wer über Erdwissenschaften und Geologie spricht, denkt oftmals noch an jene Forscher, die mit Geologenhammer ins Gebirge ziehen und Gesteinsbrocken abklopfen und analysieren. Doch Geologie und die verwandten Wissenschaften wie Geophysik und Geochemie haben nur noch marginal etwas mit Steinklopfen zu tun. Das Zauberwort heißt Isotope, also Atome ein und desselben Elements, die unterschiedlich viele Neutronen und damit auch verschiedene Massen besitzen. Isotope sind die Geschichtsbücher der Erde und des Sonnensystems, mit ihrer Hilfe lassen sich Fragen wie die Entstehung der Planeten, der Beginn des Lebens oder Klimaschwankungen in der Vergangenheit erklären. Das ist erst dank modernster Geräte wie hochauflösender Massenspektrometer möglich. Die neuen Untersuchungstechniken führen zu derart erstaunlichen Ergebnissen, dass Jahrzehnte alte Theorien plötzlich umgestoßen werden. "Nichts gilt mehr!" Auch auf der Goldschmidtkonferenz über Geochemie, die gestern im schweizerischen Davos begonnen hat, gibt es einige Überraschungen.

19.08.2002
    Von Sabine Goldhahn

    Bisher erklärte man die Entstehung der Sonne damit, dass in einer benachbarten Galaxie eine Supernova explodierte, die eine so starke Druckwelle von Gas und Staub verursachte, dass schließlich unter dem Einfluss der Gravitation unsere Sonne entstand. Das wurde schon längst nachgewiesen. Aber die Lebenszeit der untersuchten Beryllium-Nuklide ist so kurz, dass die Supernova früher stattgefunden haben muss. Oder die Nuklide wurden von der Sonne in einem sehr frühen Stadium selbst gebildet. Das stellt natürlich die Theorie über die Sonnenentstehung in Frage. So könnte die Sonne auch durch eine andere Art von Stern, beispielsweise einen roten Riesen, entstanden sein

    Wenn Alex Halliday von der Eidgenössisch Technischen Hochschule Zürich über Isotope spricht, könnte er eine Neuigkeit nach der anderen vorstellen. Der Chairman der Goldschmidt-Konferenz hat in seinem Zürcher Labor selbst eines der modernsten Massenspektrometer der Welt. Dort werden winzigste Gesteinsproben chemisch zerlegt, um die genaue Isotopen-Zusammensetzung herauszufinden. Denn sie ist der Schüssel zum Geschichtsbuch des Sonnensystems. Darin hat jedes Isotop eine Art Zeichen hinterlassen, das sich genau datieren und physikalischen oder chemischen Prozessen zuordnen lässt. So reicht der Nachweis bestimmter Isotope, um ganze Theorien auf den Kopf zu stellen. Beispielsweise jene vom Alter der Erde, das nach bisherigen Berechnungen 4,5 Milliarden Jahre beträgt. Das heißt, nach der Entstehung des Sonnensystems sind nochmals circa 60 Millionen Jahre vergangen, ehe sich die Erde gebildet hat. Jetzt hat allerdings Thorsten Kleine, Mineraloge an der Universität Münster, die Isotope Wolfram und Hafnium in Gesteinsproben von der Erde und in Meteoriten untersucht:

    Was wir herausgefunden haben ist, dass es ungefähr 30 Millionen Jahre gedauert hat, bis sich auf Planeten ein metallischer Kern gebildet hat, und dieses Ereignis der Kernbildung ist wahrscheinlich das letzte große Ereignis im gesamten Prozess der Planetenentstehung, das heißt, dass wir eigentlich zeigen konnten, dass sich nach 30 Millionen Jahren die Planeten des Sonnensystems gebildet hatten.

    Die Erde ist also wesentlich älter als bisher gedacht. Der Münsteraner Carsten Münker erklärt, wie er und sein Kollege diesen Zusammenhang entdeckt haben.

    Wir haben uns also zwei chemische Elemente angeschaut, das ist einmal das Hafnium und einmal das Wolfram, und beide verhalten sich sehr unterschiedlich. Wolfram geht sehr gerne in Metall und das Hafnium geht nicht gerne in Metall. Das heißt, wenn sie einen Kern bilden und eine Silikathülle in Planeten, dann wird das Wolfram erst mal in den Erdkern hineingehen und das Hafnium wird in der Hülle bleiben von diesem Planeten, und wir haben jetzt am Anfang des Sonnensystems eine Zerfallsreihe gehabt, dass ein Isotop des Elementes Hafnium zu einem Isotop des Elementes Wolfram zerfallen ist. Wir konnten jetzt eben nachweisen, dass dieser Zerfall noch aktiv war, als sich der Erdkern vom Erdmantel getrennt hat.

    Da bei der Kernbildung das gesamte Wolfram aus dem Mantel in den Kern gewandert ist, hätte im Mantel gar kein Wolfram mehr nachweisbar sein dürfen. Nur, wenn durch die Kernbildung weiterhin Wolfram aus Hafnium entsteht, kann das Wolfram im Mantel nachgewiesen werden. Das genügte den Forschern, um das Erdalter neu zu berechnen

    Das Sonnensystem war sehr heiß, ist abgekühlt, man hat jetzt diese kleinen Staubkörnchen, und aufgrund der Anziehungskraft ballen diese sich zu kleinen Himmelskörpern zusammen, die nennt man Planetisimale, und die akkumulieren sich wiederum zu Planeten. Und durch die Wärme, die bei diesem Prozess entsteht, fängt der Planet an aufzuschmelzen, und wir trennen bei dieser Aufschmelzung Metall von Silikat. Das Metall hat eine höhere Dichte und sinkt ab, während das Silikat sich oben, sich in so einer Art Magmaozean anhäuft und nach einer Zeit hat man dann eben diesen metallischen Kern gebildet und man hat obendrauf, zumindest in der frühen Geschichte der Planeten, Ozeane aus flüssigem Magma, die dann aber sehr schnell abgekühlt sind, und dann auch Kruste gebildet haben. Und das war die Voraussetzung, dass sich später einmal frühes Leben gebildet haben könnte.