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Das Vaterspiel

Josef Haslingers neuer Roman besticht durch die geschickte Kombination jener Elemente, die auch schon "Opernball" zu einem Erfolg gemacht haben: Ein politischer Stoff wird effektvoll in Szene gesetzt, thrillerhafte Komponenten verknüpfen sich mit der Schilderung privater Schicksale, die den Leser und die Leserin zur Identifikation einladen. Im Zentrum des Buchs steht ein junger Mann names Rupert Kramer. Ein Versager, zumindest auf den ersten Blick. Rupert stammt aus dem sozialdemokratischen Parteiadel Wiens. Sein Großvater ist dereinst noch im KZ Dachau gesessen, sein Vater hat es vom Vorsitzenden der Jungsozialisten zum österreichischen Verkehrsminister gebracht. Mit dem Aufstieg des Vaters waren freilich auch tiefgreifende Veränderungen im Lebensstil der Familie Kramer verbunden. Man wohnte jetzt nicht mehr im Meidlinger Gemeindebau, sondern in einer schmucken Designervilla im Wienerwald - umgeben von Indoor-Pool, drei Badezimmern, einer Heimsauna und einem falschen Picasso. Rupert, der Sohn, haßt seinen halbkorrupten Minister-Dad aus ganzem Herzen. Auch mit dreißig hat Rupert noch keine Berufsausbildung, er schlägt sich die Nächte vor seinem Computer um die Ohren und entwickelt dabei ein abstruses "Vatervernichtunsspiel".

Günter Kaindlsdorfer |
    Josef Haslinger kann trotzdem auf eigene Erfahrungen zurückgreifen, schließlich beobachtet er das Wirken der österreichischen Sozialdemokratie seit vielen Jahren und Jahrzehnten mit kritischer Distanz. Sein Buch gerät zur sarkastischen Abrechnung mit einer Partei, die durch zahlreiche Skandale und Affärchen den Weg für Jörg Haider erst geebnet hat, eine Partei, die - in bürokratischer Leblosigkeit erstarrt - den Kontakt zu ihren potentiellen Wählern verloren hat.

    Die Machtergreifung der blau-schwarzen Koalition im Februar hat die österreichischen Sozialdemokrate in ihren Grundfesten erschüttert. Obwohl es eine breite Protestbewegung gegen die neue Regierung gibt und die Performance vor allem der FPÖ-Minister alles andere als berauschend ist, vermag die SPÖ daraus kein Kapital zu schlagen. Im Gegenteil: Die Umfragewerte sinken. Derzeit hält die Partei, die es unter Kreisky auf eine Wählerzustimmung von mehr als fünfzig Prozent brachte, bei gerade mal dreißig Prozent.

    Die sozialdemokratische Familiengeschichte ist allerdings nur ein Handlungsstrang in Haslingers neuem Buch. Als Rupert Kramer, der Sohn des Wiener Ministers, von einer Freundin mit unklaren Andeutungen nach New York eingeladen wird, wächst sich die etwas betuliche Sozialisten-Saga zum packenden Zeitgeschichte-Thriller aus. Rupert Kramer fliegt nach Long Island und trifft dort einen litauischen Kriegsverbrecher, der sich seit 32 Jahren in einem Kellerverschlag verborgen hält. Der handwerklich geschickte junge Mann aus Wien soll mithelfen, das Versteck des Schächters wohnlicher zu gestalten.

    Er habe sich für die litauische Zeitgeschichte interessiert, erklärt Josef Haslinger, weil sie verblüffende Parallelen zur österreichischen aufweise. Da wie dort ein unguter Hang zur Verdrängung, da wie dort eine verhängnisvolle Neigung, die historische Schuld kleinzureden. Haslinger hat die historischen Fakten mit viel Geschick in die Handlung seines Buchs eingebaut. Herausgekommen ist ein vielleicht nicht brillanter, aber ein solid konstruierter und absolut lesenswerter Spannungsroman.

    Mit seinem Bestseller "Opernball" ist Josef Haslinger vor gut fünf Jahren aus der ersten österreichischen Autorenliga sozusagen in die Champions-League der europäischen Literatur aufgestiegen. Das Buch liest sich spannend und interessant, ohne die "Opernball"-Masche weiterzuknüpfen. Man muß kein Prophet sein, um dem "Vaterspiel" einen achtbaren Erfolg auf den Bestsellerlisten des Bücherherbsts 2000 vorherzusagen.