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Das verflixte siebte Jahr

Umwelt. - Am 16. Februar 2005 wird das Kioto-Protokoll völkerrechtlich in Kraft treten. Doch schon blicken Experten weiter in die Zukunft. Denn seit Montag treffen sich internationale Klimaforscher, Politiker und Beobachter in Buenos Aires zur 10. Teilnehmerkonferenz "". Dabei wird auch darum gestritten, welche klimawirksamen Maßnahmen mit Bonusleistungen vergütet werden sollen und welche nicht. Unterdessen arbeiten Experten an neuen, verfeinerten Modellen.

    Engagierte sich jede Nation so im Klimaschutz wie bei der Anschaffung leistungsfähigster Supercomputer, dann bereitete die Atmosphärenüberwärmung Experten wie Erich Roeckner kaum so viel Kopfzerbrechen. Zwar schlucken die Tag und Nacht arbeiteten Apparate selbst Unmengen an Elektrizität, doch kein Klimaforscher möchte die unermüdlichen Rechner mehr missen. Kritiker mäkeln allerdings, die darauf abgearbeiteten Modelle lieferten kaum verlässliche Daten zu zukünftigen Klimaentwicklungen. "Kein Modell ist perfekt, sondern immer nur ein grobes Abbild der Natur", räumt auch der Forscher vom Max-Planck-Institut für Meteorologie, selbst stolzer "Besitzer" eines neuen Supercomputers ein. Doch Roeckner hat wenig Zweifel daran, dass die Berechnungen hinreichend verlässliche Aussagen zu Trends der Entwicklungen in Atmosphäre, Ozean und Biosphäre liefern, um Klima-Szenarien für dieses Jahrhundert darauf zu stützen. Die elektronischen Orakel, deren Aussagen angesichts von Messfehlern und Standardabweichungen mitunter etwa so nebulös anmuten wie jene aus Delphi, prognostizieren heute nur ein vages Bild vom Klima der Zukunft. Um eine beachtliche Spanne von 1,5 bis 6 Grad Celsius könne sich die bodennahe Luft in diesem Jahrhundert erwärmen, prophezeit eine Studie der Vereinten Nationen.

    Aus gutem Grund wollen es Roeckner und seine Kollegen genauer wissen: "Wir beginnen in der Klimaforschung eigentlich gerade erst, alle Wechselwirkungen im gesamten Erdsystem zu verstehen. Denn dazu gehörten ja auch die Biologie und die Chemie und wie alle Komponenten dabei zusammenwirken." Der Hamburger ist überzeugt, dass man noch einige Überraschungen erleben werde, wenn weiter fossile Brennstoffe wie bisher verbrannt würden. Nur schnellere Hardware und bessere Modelle könnten hier feinere Details prognostizieren. Darin fänden dann auch wichtige Kohlendioxid produzierende Faktoren wie Industrie, Verkehr und Landwirtschaft sowie Senken des Klimagases wie etwa Wälder und andere Land-Ökosysteme Berücksichtigung. Doch das sei die Fragestellung für die kommenden Jahrzehnte, unterstreicht Erich Roeckner. Bereits früher, nämlich 2007, schlägt wieder die Stunde der Forscher in der Debatte um das Klima der Zukunft. Denn dann erscheint der nächste Report des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen der Vereinten Nationen, IPCC. Seine Berichte repräsentieren jeweils den Stand der Klimaforschung. Für diesen maßgebenden Bericht rechnet auch der Computer des Hamburger Max-Planck-Instituts. Dabei wirft das Elektronenhirn bereits etwas Licht in die Zeit jenseits des Jahres 2300.

    "Solche langfristigen Simulationen untersuchen etwa, wie sich die Erwärmung entwickelt, wenn die Kohlendioxidkonzentration ab einem bestimmten Zeitpunkt konstant bleibt, also die Emissionen abgeschaltet werden." Nahe liegt, dass sich das Klimasystem Erde dann verhält wie ein Supertanker, der nach Stillstand seiner Maschinen noch lange vorwärts schiebt - eine Vollbremsung scheint indes wenig wahrscheinlich. Erich Roeckner sieht die Sache allerdings optimistischer: "Unsere Rechnungen zeigen, dass die Entwicklung dann sehr schnell abknickt, wenn die Kohlendioxid-Konzentrationen schlagartig eingefroren werden." Daher lohne es immer, Emissionen zu reduzieren, ermuntert der Experte die Entscheidungsträger.

    [Quelle: Volker Mrasek]