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Das verstopfte Bohrloch

Energie.- Geothermie sollte dem Sitz der "Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe" in Hannover neue Wärme bringen. Um das Verwaltungsgebäude zu beheizen, wurde auf dem Betriebsgelände 3900 Meter tief gebohrt. Womit die Geologen allerdings nicht rechneten, war das Salz, das nun das Bohrloch verstopfte.

Von Michael Engel | 20.12.2011
    Es klingt wie ein Gewitter, was Spezialmikrofone hier aufzeichnen. In Wahrheit bilden sich aber Risse tief unten im Gestein. Es war im März dieses Jahres. In einer Tiefe von 3900 Metern presste Projektleiter Dr. Johannes Peter Gerling von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe 20.000 Kubikmeter Wasser mit einem Druck von 400 bar in das harte Sediment aus Buntsandstein. Bei diesem Verfahren – dem sogenannten "Fracking" - entstanden 500 Meter lange und 65 Meter hohe Risse im Gestein, riesige Flächen also, an denen sich das kalte Wasser aufheizt wie auf einer Herdplatte. Mit dem Wasser wollte man das Verwaltungsgebäude der Bundesanstalt in Hannover warm halten. Als das "Frac-Wasser" vor wenigen Tagen erstmals nach oben gepumpt wurde, war es zum Erstaunen der Geologen salzig – sehr salzig sogar:

    "Das heißt, circa 350 Gramm Salz pro Liter Wasser sind dort drin. Das ist vergleichbar mit dem toten Meer, aber das ist nicht ungewöhnlich für geologische Formationen. Bloß, da wir hier ein dichtes Gestein – und das haben wir durch mikroskopische Untersuchungen auch noch mal verifizieren können, also ein absolut dichtes Gestein gefract haben, war überhaupt nicht zu erwarten, dass wir dort Salz antreffen würden, und insofern – weiter die Überraschung: Wo kommt diese Riesenmenge an Salz her?"

    Das unter hohem Druck stehende Salzwasser ist in 3900 Metern Tiefe rund 160 Grad heiß. Oben am Bohrlochkopf sind es dagegen nur noch 40 Grad Celsius. Weil kälteres Wasser nicht mehr so viel Steinsalz lösen kann, ist ein großer Teil auf dem Weg nach oben einfach auskristallisiert und hat das Bohrloch nahezu komplett verstopft. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe stoppte dieser Tage den Testlauf. Woher das ganze Salz überhaupt kommt, ist völlig unklar.

    "Es gibt ja diesen geologischen Spruch 'Vor der Hacke ist es duster' oder die Bergleute sagen das ja. Und es ist immer so, wenn Sie von der Erdoberfläche vier Kilometer nach unten bohren, und im weiteren Umkreis gibt es bisher keine Bohrung, dann können Sie nicht alle geologischen Befunde, die Sie nachher antreffen, vorhersagen. De facto ist natürlich jede Bohrung immer noch eine Überraschung, und das gilt für die Öl- und Gasindustrie genauso."

    Bekannt war lediglich, dass einige Etagen über dem Buntsandstein eine dicke Formation aus Steinsalz liegt. Ob diese Schicht mit der "hydraulischen Rissbildung" – dem Fracking – angeknackst und ausgespült wurde, das sollen Analysen bis Ostern 2012 herausfinden. Probleme auch anderswo: Im Rheingraben – in Landau und Basel - hatte das "Fracking" Erdbeben ausgelöst . Auch in Potzham bei München hatten Erdstöße die Menschen verunsichert. In Staufen wölbte sich die Erde, weil eindringendes Grundwasser eine Schicht aus Gips aufquellen ließ. Trotz aller Rückschläge glauben Geologen an die Geothermie. Viele Projekte funktionieren bereits seit Jahren.

    "Ich würde nicht grundsätzlich Norddeutschland jetzt abschreiben, sondern ich könnte mir gut vorstellen, dass in Regionen, wo früher Erdgasfelder waren, dort haben Sie natürlich den Zustand, dass diese Stoffe den Porenraum offen gehalten haben, und da würde ich vermuten, hat man recht gute Chancen, wirtschaftlich Geothermie zu betreiben."

    Nur in Hannover wird das wohl nichts mehr werden. Es sei denn, das Salz würde ganz plötzlich und auf Nimmerwiedersehen verschwinden. 15 Millionen Euro wurden bereits verbaut. Weitere neun Millionen stehen noch zur Verfügung. Dr. Gerling will damit retten, was zu retten ist. Im Notfall könnte das Bohrloch freigespült werden, um Rohre bis hinunter zur tiefsten Stelle hinab zu lassen und damit wenigstens ein bisschen Wärme nach oben zu holen. Diese "Wärmesondenlösung" würde aber nur 20 Prozent der ursprünglich geplanten Wärmemenge fördern.