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Das Virus, der Terror und die Politik

Während die Bundesregierung die Existenz einer Vorlage des Bundesgesundheitsministeriums vom August vergangenen Jahres bestätigte, wonach der Irak im Besitz von Pockenerreger ist, relativierte sie doch die akute Gefahr. Immerhin sollen bis Anfang April 70 Millionen Impfstoffdosen angeschafft werden, hieß es im Gesundheitsministerium. Zum Jahresende würden 100 Millionen Dosen zur Verfügung stehen. Derweil laufen bei den telefonischen Beratern am Robert-Koch-Institut in Berlin die Drähte heiß.

William Vorsatz |
    Die häufigsten Fragen beunruhigter Bürger: Wo kann ich mich impfen lassen? Warum wird noch nicht vorbeugend geimpft? Ich habe eine bestimmte Krankheit, ist die Impfung da gefährlich? Die Unwissenheit ist groß, kein Wunder, gelten Pocken doch seit 25 Jahren als ausgerottet. Und nun sind sie plötzlich wieder allgegenwärtig. Nicht wirklich, sondern als diffuse Bedrohung. Sollten allerdings Bioterroristen damit angreifen, dann drohen katastrophale Epidemien. Dr. Klaus Riedmann vom Robert-Koch-Institut:

    Sie gehören mit zu den gefährlichsten Erregern, die wir kennen. Weil sie zum einen sehr ansteckend sind, zum andern eben auch von Mensch zu Mensch übertragbar, das heißt, selbst wenn der Erreger nur an einer Stelle ausgebracht wird, kann natürlich ein Infizierter weitere Menschen damit anstecken. Und so zu Verbreitung diese Krankheit beitragen.

    Modelle zeigen: eine infizierte Person steckt in der Regel 15 bis 20 weitere an, wenn sie nicht sofort isoliert wird. Besonders fatal: bisher waren Pocken nicht heilbar. Und weil das Virus nach weltweiten Anstrengungen irgendwann als besiegt galt, fehlen heute neuere, wirksame Therapien. Einzige Strategie bis zur Ausrottung in den 70er Jahren waren prophylaktische Massenimpfungen. Und wo diese nicht möglich waren, wenigstens eine Schutzimpfung aller irgendwie gefährdeten Personen. Genauso verfahren jetzt die USA, indem sie Militär und medizinisches Personal impfen. Ab nächstem Jahr wollen sie diese Prophylaxe auch allen übrigen Bürgern auf freiwilliger Basis anbieten. Doch unter Amerikas Ärzten regt sich bereits Widerstand. Denn die Impfung hat es in sich.

    Also der Pockenimpfstoff, der verwendet wird, ist ein Lebendimpfstoff, und daher mit etlichen Risiken behaftet, ein Risiko besteht natürlich darin, dass auch dieses so genannte Vakziniavirus, aus dem der Impfstoff hergestellt wird, weiter übertragbar ist, d. h. man muss, wenn man frisch geimpft ist, die Impfstelle entsprechend gut mit Kleidung bedecken, um so einer Weiterverbreitung vorzubeugen, des Weiteren hat der Impfstoff selbst erhebliche Nebenwirkungen, dazu gehört eine Gehirnhautentzündung, oder so genannte Impfpocken, das heißt, dass man nicht nur eine Impfpustel entwickelt, sondern fast wie die echten Pocken und deswegen ist heutzutage ohne reale Bedrohung die Empfehlung einer Impfung der Gesamtbevölkerung nicht zu befürworten.

    Bei jeder 1000. Impfung sollen Komplikationen auftreten. Israel impft wegen der Irakkrise gerade sein gesamtes Militär und schlägt Alarm: das Risiko habe sich nach ersten Erfahrungen sogar als weitaus höher erwiesen. Experten rechnen mit ein bis drei Todesfällen auf eine Millionen Immunisierungen. Interessant könnte der Einsatz von MVA, dem sogenannten Modifizierten Vakzinavirus Ankara, sein. MVA, in den 70er Jahren von der Bayrischen Impfanstalt entwickelt, ist zwar nicht so wirksam, aber ungefährlicher. Gut für Personen mit geschwächtem Immunsystem und als Vorimpfung vier Tage vor der Hauptimmunisierung. Obwohl die Bayern damals gute Erfahrungen gemacht haben, fehlen auch hier die für eine Neuzulassung notwendigen weiteren epidemiologischen Studien. Für wen machen Impfungen nun zum jetzigen Zeitpunkt Sinn? Die Antwort ist sehr subjektiv und hängt vom Betrachter ab: wie hoch schätzt er die Wahrscheinlichkeit eines Pockenangriffs ein? Zweifelsfrei ist: es hat Jahrzehnte lang weltweit keinen Pockenfall mehr gegeben. Noch ist die Bedrohung also nicht konkret. Sollte sie es aber werden, muss blitzschnell gehandelt werden. Dafür liegt ein sogenannter "Pocken-Alarmplan" bereit. Wenn die Krankheit irgendwo in der Welt erneut ausbricht, werden auch hierzulande medizinisches Personal, Polizei und Feuerwehr geimpft. Beim ersten Pockenfall in Deutschland gilt:

    Zuerst würde sofort alles in Bewegung gesetzt werden, um entsprechende Kontaktpersonen zu ermitteln, zu impfen und gegebenenfalls auch zu isolieren, sprich in eine Isolierstation verbringen, und einen Teil zu Behandlung eben, die Infizierten und einen Teil zur Beobachtung, und des Weiteren würde man versuchen, durch so genannte Ringimpfungen der Ausbreitung einer möglichen Epidemie vorzubeugen. Sollte das nicht erfolgreich sein, also sprich die Epidemie sich ausbreiten, dann wäre die letzte Möglichkeit, die Gesamtbevölkerung zu impfen.

    Momentan jedoch ist noch keiner der gehorteten Impfstoffe bei uns zugelassen, freiwillige Schutzimpfungen für jedermann sind also bisher sowieso nicht möglich.

    Weitere Informationen: Robert-Koch-Institut

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