Ralf Krauter: Bevor wir in den Orbit und die Tiefen des Alls blicken, wenden wir uns aber einem ganz irdischen Problem zu - einem Problem, das allein in Europa rund 65 Millionen Menschen plagt. Stichwort: Nickelallergie. Wer beim Tragen eines neuen Gürtels oder eines Schmuckstücks plötzlich Entzündungssymptome auf der Haut spürt, also etwa Rötungen, brennen und Juckreiz, leidet vermutlich an ihr. Obwohl die Nickelallergie eine besonders weit verbreitete Form von Kontaktallergie ist, war bislang unklar, wie genau das Metall die schmerzhafte Entzündungsreaktion auslöst. Forscher um den Dermatologen Professor Matthias Goebeler von der Universität Gießen schreiben heute allerdings im Fachmagazin "Nature Immunology", man habe einen der Schlüsselfaktoren der überschießenden Immunantwort Dingfest gemacht. Herr Goebeler, warum löst Nickel so häufig Kontaktallergien aus?
Matthias Goebeler: Nickel ist mit Abstand das häufigste Kontaktallergen in den Industriestaaten. Man schätzt, dass in Deutschland bis zu 20 Prozent der Frauen und bis zu sechs Prozent der Männer sensibilisiert sind auf Nickel. Eine wichtige Erklärung dafür könnte sein, dass Nickel sehr häufig vorkommt. Es ist das fünfthäufigste Element auf der Erde. Es ist in vielen Dingen des täglichen Lebens enthalten - in Geldmünzen, in Modeschmuck, in Schnallen von Gürteln oder Uhren oder von BHs. Und deswegen hat der Mensch ziemlich viel Kontakt mit Nickel und das kann bei bestimmten Personen dazu führen, dass sich eine Nickelallergie ausbilden kann.
Krauter: Was genau passiert da, wenn sich so eine Allergie ausprägt? Der genaue Mechanismus war bisher unklar. Sie haben jetzt aber wichtige neue Einblicke gewonnen.
Goebeler: Man weiß seit vielen, vielen Jahren, dass Kontaktallergien Spättyp-Reaktionen sind, bei denen bestimmte weiße Blutkörperchen, die T-Lymphozyten, eine Rolle spielen und letztendlich das Geschehen unterhalten. Was bisher aber nicht bekannt war, war der Mechanismus, wie in der Frühphase eines Allergens eine Allergie, ein Ekzem entstehen kann. Und da haben wir jetzt einen Rezeptor entdeckt, der direkt Nickel binden kann und daraufhin bestimmte Signalkaskaden im Körper in Gang setzt, die zu einer Entzündung führen.
Krauter: Dieser Rezeptor, den Sie entdeckt haben, ist kein ganz Unbekannter. Man hatte den als Allergologe eigentlich schon länger auf dem Schirm. Kann man das so sagen?
Goebeler: Ja, das ist ein Rezeptor, der bereits vor zwölf Jahren entdeckt worden ist - und zwar als einer der ganz wichtigen Rezeptoren zur Wahrnehmung von mikrobiellen Pathogenen, von bestimmten Bakterienbestandteilen. Jetzt ist aber das erste Mal gezeigt worden, dass dieser Rezeptor nicht nur für Bakterien und dergleichen eine Rolle spielt, sondern offenbar auch für zumindest manche Allergene. Das war am Ende doch einigermaßen überraschend.
Krauter: TLR 4 - wir können das Kürzel einmal nennen, so heißt dieser Rezeptor im Fachjargon - wie genau sind Sie darauf gekommen, welche Rolle der bei Nickelallergien spielt, wie hat man das untersucht?
Goebeler: Wir haben bereits schon vor vielen Jahren festgestellt, dass Nickel an einzelnen isolierten Zellen in der Zellkultur dazu führt, Entzündungsphänomene hervorzurufen. Und die Frage: Wie geht sowas? Und über viele Jahre haben wir versucht, die Signalkaskaden, die Nickel in solchen Zellen in Gang setzt, aufzudröseln, und haben am Ende gesehen, dass ganz entscheidend hierfür ein Rezeptor ist, den man als TLR 4 bezeichnet, den Toll-like-Rezeptor 4.
Krauter: Jetzt kennt man den Rezeptor, weiß, dass da irgendwie aus dem Nickelschmuckstück herausgelöste Ionen andocken können und diese immunologische Kaskade starten können. Heißt das denn jetzt auch, dass es möglich wäre, diesen Rezeptor vielleicht zu blockieren, dass da die spannende Frage die Patienten haben: Gibt's vielleicht neue Ansätze für Therapien oder Medikamente?
Goebeler: Wir wissen jetzt relativ genau, auf welche Weise, an welchen Stellen des Rezeptors Nickel bindet. Und die Idee wäre, Hemmer, Antagonisten, zu entwickeln, die relativ spezifisch mit dieser Erkennungsstelle von Nickel an dem Rezeptor interferieren, ohne dafür die Aktivierbarkeit durch Bakterien zu verhindern, was ja nicht gewünscht ist, weil wir ja weiter eine funktionierende Bakterienabwehr haben möchten. Und die Hoffnung in den nächsten Jahren ist, ganz spezifische Antagonisten zu entwickeln, die die Erkennung von Nickel durch diesen Rezeptor blockieren.
Krauter: Das Ergebnis wäre dann, wenn das so klappt, wie sie es beschrieben, Medikamente, die ohne Nebenwirkungen Nickelallerige bekämpfen könnten, richtig?
Goebeler: Das ist eine gut Frage. Medikamente ohne Nebenwirkungen sind sicherlich extrem selten, haben auch häufig keine Hauptwirkung. Auf jeden Fall ist die Hoffnung, gezielter agieren zu können als früher, ohne jetzt halt zahlreiche andere Prozesse mit zu blockieren. Das ist zumindest die mittel- bis langfristige Hoffnung, die wir haben.
Krauter: Mittel- bis langfristig heißt: Welchen Zeithorizont würden Sie denn sehen?
Goebeler: Das wird sicherlich noch einige Jahre dauern, bis wir da konkrete Inhibitoren in der Hand haben und die auch letztendlich an Menschen anwenden können.
Matthias Goebeler: Nickel ist mit Abstand das häufigste Kontaktallergen in den Industriestaaten. Man schätzt, dass in Deutschland bis zu 20 Prozent der Frauen und bis zu sechs Prozent der Männer sensibilisiert sind auf Nickel. Eine wichtige Erklärung dafür könnte sein, dass Nickel sehr häufig vorkommt. Es ist das fünfthäufigste Element auf der Erde. Es ist in vielen Dingen des täglichen Lebens enthalten - in Geldmünzen, in Modeschmuck, in Schnallen von Gürteln oder Uhren oder von BHs. Und deswegen hat der Mensch ziemlich viel Kontakt mit Nickel und das kann bei bestimmten Personen dazu führen, dass sich eine Nickelallergie ausbilden kann.
Krauter: Was genau passiert da, wenn sich so eine Allergie ausprägt? Der genaue Mechanismus war bisher unklar. Sie haben jetzt aber wichtige neue Einblicke gewonnen.
Goebeler: Man weiß seit vielen, vielen Jahren, dass Kontaktallergien Spättyp-Reaktionen sind, bei denen bestimmte weiße Blutkörperchen, die T-Lymphozyten, eine Rolle spielen und letztendlich das Geschehen unterhalten. Was bisher aber nicht bekannt war, war der Mechanismus, wie in der Frühphase eines Allergens eine Allergie, ein Ekzem entstehen kann. Und da haben wir jetzt einen Rezeptor entdeckt, der direkt Nickel binden kann und daraufhin bestimmte Signalkaskaden im Körper in Gang setzt, die zu einer Entzündung führen.
Krauter: Dieser Rezeptor, den Sie entdeckt haben, ist kein ganz Unbekannter. Man hatte den als Allergologe eigentlich schon länger auf dem Schirm. Kann man das so sagen?
Goebeler: Ja, das ist ein Rezeptor, der bereits vor zwölf Jahren entdeckt worden ist - und zwar als einer der ganz wichtigen Rezeptoren zur Wahrnehmung von mikrobiellen Pathogenen, von bestimmten Bakterienbestandteilen. Jetzt ist aber das erste Mal gezeigt worden, dass dieser Rezeptor nicht nur für Bakterien und dergleichen eine Rolle spielt, sondern offenbar auch für zumindest manche Allergene. Das war am Ende doch einigermaßen überraschend.
Krauter: TLR 4 - wir können das Kürzel einmal nennen, so heißt dieser Rezeptor im Fachjargon - wie genau sind Sie darauf gekommen, welche Rolle der bei Nickelallergien spielt, wie hat man das untersucht?
Goebeler: Wir haben bereits schon vor vielen Jahren festgestellt, dass Nickel an einzelnen isolierten Zellen in der Zellkultur dazu führt, Entzündungsphänomene hervorzurufen. Und die Frage: Wie geht sowas? Und über viele Jahre haben wir versucht, die Signalkaskaden, die Nickel in solchen Zellen in Gang setzt, aufzudröseln, und haben am Ende gesehen, dass ganz entscheidend hierfür ein Rezeptor ist, den man als TLR 4 bezeichnet, den Toll-like-Rezeptor 4.
Krauter: Jetzt kennt man den Rezeptor, weiß, dass da irgendwie aus dem Nickelschmuckstück herausgelöste Ionen andocken können und diese immunologische Kaskade starten können. Heißt das denn jetzt auch, dass es möglich wäre, diesen Rezeptor vielleicht zu blockieren, dass da die spannende Frage die Patienten haben: Gibt's vielleicht neue Ansätze für Therapien oder Medikamente?
Goebeler: Wir wissen jetzt relativ genau, auf welche Weise, an welchen Stellen des Rezeptors Nickel bindet. Und die Idee wäre, Hemmer, Antagonisten, zu entwickeln, die relativ spezifisch mit dieser Erkennungsstelle von Nickel an dem Rezeptor interferieren, ohne dafür die Aktivierbarkeit durch Bakterien zu verhindern, was ja nicht gewünscht ist, weil wir ja weiter eine funktionierende Bakterienabwehr haben möchten. Und die Hoffnung in den nächsten Jahren ist, ganz spezifische Antagonisten zu entwickeln, die die Erkennung von Nickel durch diesen Rezeptor blockieren.
Krauter: Das Ergebnis wäre dann, wenn das so klappt, wie sie es beschrieben, Medikamente, die ohne Nebenwirkungen Nickelallerige bekämpfen könnten, richtig?
Goebeler: Das ist eine gut Frage. Medikamente ohne Nebenwirkungen sind sicherlich extrem selten, haben auch häufig keine Hauptwirkung. Auf jeden Fall ist die Hoffnung, gezielter agieren zu können als früher, ohne jetzt halt zahlreiche andere Prozesse mit zu blockieren. Das ist zumindest die mittel- bis langfristige Hoffnung, die wir haben.
Krauter: Mittel- bis langfristig heißt: Welchen Zeithorizont würden Sie denn sehen?
Goebeler: Das wird sicherlich noch einige Jahre dauern, bis wir da konkrete Inhibitoren in der Hand haben und die auch letztendlich an Menschen anwenden können.