Manfred Götzke: Tag der Abreise ist heute in Kairo – gemeint ist von den demonstrierenden Ägyptern die Abreise von Präsident Mubarak – und bis jetzt wissen wir ja überhaupt nicht, wie das Ganze heute Abend ausgeht. Wer aber auf jeden Fall heute abreisen wird, ist Volkmar Kabisch. Er studiert Islamwissenschaften und macht zurzeit einen Arabisch-Sprachkurs beim DAAD in Kairo. Und der DAAD hat diesen Freitag für alle deutschen Stipendiaten ebenfalls zum Tag der Abreise erklärt – denn für Ausländer ist es seit ein paar Tagen einfach zu gefährlich in Kairo.
Ich habe Volkmar Kabisch kurz vor der Sendung gefragt, ob er sich in den Straßen Kairos noch sicher fühlt.
Volkmar Kabisch: Bis vor zwei Tagen habe ich mich noch sehr sicher gefühlt, mittlerweile ist das nicht mehr so. Ich war heute noch in meiner Wohnung in Mohandessin, in einem Stadtteil im Westen der Stadt, und habe die Wohnung aufgelöst. Und dort ist es aus meinem Gefühl heraus nicht mehr sicher für Ausländer. Zuvor war ich auch auf Demonstrationen, es gab diesen "Marsch der Millionen" am Dienstag, es war Volksfeststimmung auf diesem Tahrir-Platz im Zentrum Kairos, aber das ist eben am Mittwochabend dann vor allem eskaliert und jetzt nicht mehr sicher.
Götzke: Sie werden heute ausreisen mit allen DAAD-Stipendiaten – wollen Sie eigentlich ausreisen oder würden Sie lieber die Demonstration, diesen Umbruch hautnah miterleben?
Kabisch: Bis vor Kurzem dachte ich, ich würde ihn gerne hautnah miterleben, weil das ist natürlich etwas, worauf viele hier in Ägypten lange, lange gewartet haben, dass sozusagen das Volk aufsteht und Flagge zeigt, aber mittlerweile ist mehr Angst dazugekommen, und ich glaube, es ist besser mittlerweile, gerade für einen Ausländer, der auch so aussieht wie ein Ausländer, auszureisen.
Götzke: Das heißt, Sie haben tatsächlich hautnah miterlebt, wie Ausländer Probleme bekommen haben von den marodierenden Gruppen?
Kabisch: Ja, am gestrigen Tag sind zwei Kommilitonen von mir auf dem Weg zum DAAD in Zamalek, so einer Nil-Insel, die relativ sicher ist, verhaftet worden von der Armee, und das sind alles so Indizien, wo es eben nicht mehr sicher ist und das Sicherheitsgefühl einfach nicht mehr da ist. Bisher war es so, dass Ausländer, gerade Deutsche, sehr, sehr gut angesehen waren und alle wollten gleich der beste Freund sein, aber mittlerweile hat sich das irgendwie so ein bisschen gedreht. Das ist mein Eindruck.
Götzke: Wie erleben Sie das unter Ihren ägyptischen Kommilitonen, gibt es da auch Leute, die mit Mubaraks Rückzug auf Raten einverstanden sind oder ihn sogar noch unterstützen?
Kabisch: Ägyptische Kommilitonen habe ich nicht in dem Sinne, weil ich nicht direkt an der Universität war, sondern es ist ein Spezialsprachkurs für deutsche Islamwissenschaftler und findet auf dem Gelände des DAAD in Kairo statt. Allerdings haben wir natürlich arabische Lehrer, und da ist es so gewesen, dass die – aus meiner Sichtweise – bis vor einem Monat noch grundsätzlich apolitisch waren und sich eigentlich gar nicht interessiert haben beziehungsweise immer sagten, ja, wir können eh nichts daran ändern und demonstrieren bringt gar nichts, und die haben jetzt mehrere Tage auf dem Tahrir-Platz im Zentrum übernachtet und für Freiheit gekämpft.
Götzke: Was erhoffen sich Ihre Lehrer oder auch junge ägyptische Bekannte von Ihnen von einem Regimewechsel? Glauben sie, dass sich die Perspektiven verbessern?
Kabisch: Die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt man ja immer, und ich glaube, so sehen die das auch. Und was mir von allen gesagt wurde – sowohl von Freunden als auch von meinen Lehrern und den Leuten, mit denen man sich unterhält auf der Straße –, ist: Es kann nur besser werden. Das ist irgendwie der Tenor, zumindest unter denen, die diese Demonstrationen unterstützen. Es gibt auch nach wie vor viele Leute, die sich da eher bedeckt halten, oder jetzt auch immer mehr Leute, die das System Mubarak unterstützen, weil es eben diese Sicherheit bietet und man Geld verdienen kann.
Götzke: Sie waren ja in den vergangenen Tagen fast von der Außenwelt abgeschlossen, es gab kein Internet, es gab kein Handynetz – wie hat das Ihre Familie, die ja jetzt schon in Deutschland ist, so erlebt?
Kabisch: Am Anfang, als das Handynetz abgestellt wurde, war das erst mal ein Schock, weil damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet, und irgendwie ist man ja auf jeden Fall auf das Handynetz angewiesen, um mit Freunden und auch mit der Familie in Deutschland Kontakt zu halten. Und ich bin dann mit meinem Mitbewohner am Freitagabend, als das Handynetz abgestellt war, zu einem Hotel geschlichen, schon nach Beginn der Ausgangssperre, um international telefonieren zu können, weil das Festnetztelefon funktionierte – wir hatten aber keins, vor allem keins, was ins Ausland telefonieren kann. Das war schon sehr bedrückend irgendwie, die Familie auf diesem Weg informieren zu müssen, dass alles gut ist, wenn man im Hinterkopf hat, in Deutschland läuft die "Tagesschau" und die Nachrichten laufen und sie hören Böses und hören nichts von uns hier. Wir konnten sie dann aber glücklicherweise erreichen. Allerdings, auf dem Weg sind uns die Plünderer in die Arme gelaufen, so 13-jährige Kerle, die unter den Armen große Klamotten hatten, die sie aus irgendeinem Geschäft geholt haben, und diese Schaufensterfiguren, sind da umhergerannt – das war schon eine bedrückende Situation.
Ich habe Volkmar Kabisch kurz vor der Sendung gefragt, ob er sich in den Straßen Kairos noch sicher fühlt.
Volkmar Kabisch: Bis vor zwei Tagen habe ich mich noch sehr sicher gefühlt, mittlerweile ist das nicht mehr so. Ich war heute noch in meiner Wohnung in Mohandessin, in einem Stadtteil im Westen der Stadt, und habe die Wohnung aufgelöst. Und dort ist es aus meinem Gefühl heraus nicht mehr sicher für Ausländer. Zuvor war ich auch auf Demonstrationen, es gab diesen "Marsch der Millionen" am Dienstag, es war Volksfeststimmung auf diesem Tahrir-Platz im Zentrum Kairos, aber das ist eben am Mittwochabend dann vor allem eskaliert und jetzt nicht mehr sicher.
Götzke: Sie werden heute ausreisen mit allen DAAD-Stipendiaten – wollen Sie eigentlich ausreisen oder würden Sie lieber die Demonstration, diesen Umbruch hautnah miterleben?
Kabisch: Bis vor Kurzem dachte ich, ich würde ihn gerne hautnah miterleben, weil das ist natürlich etwas, worauf viele hier in Ägypten lange, lange gewartet haben, dass sozusagen das Volk aufsteht und Flagge zeigt, aber mittlerweile ist mehr Angst dazugekommen, und ich glaube, es ist besser mittlerweile, gerade für einen Ausländer, der auch so aussieht wie ein Ausländer, auszureisen.
Götzke: Das heißt, Sie haben tatsächlich hautnah miterlebt, wie Ausländer Probleme bekommen haben von den marodierenden Gruppen?
Kabisch: Ja, am gestrigen Tag sind zwei Kommilitonen von mir auf dem Weg zum DAAD in Zamalek, so einer Nil-Insel, die relativ sicher ist, verhaftet worden von der Armee, und das sind alles so Indizien, wo es eben nicht mehr sicher ist und das Sicherheitsgefühl einfach nicht mehr da ist. Bisher war es so, dass Ausländer, gerade Deutsche, sehr, sehr gut angesehen waren und alle wollten gleich der beste Freund sein, aber mittlerweile hat sich das irgendwie so ein bisschen gedreht. Das ist mein Eindruck.
Götzke: Wie erleben Sie das unter Ihren ägyptischen Kommilitonen, gibt es da auch Leute, die mit Mubaraks Rückzug auf Raten einverstanden sind oder ihn sogar noch unterstützen?
Kabisch: Ägyptische Kommilitonen habe ich nicht in dem Sinne, weil ich nicht direkt an der Universität war, sondern es ist ein Spezialsprachkurs für deutsche Islamwissenschaftler und findet auf dem Gelände des DAAD in Kairo statt. Allerdings haben wir natürlich arabische Lehrer, und da ist es so gewesen, dass die – aus meiner Sichtweise – bis vor einem Monat noch grundsätzlich apolitisch waren und sich eigentlich gar nicht interessiert haben beziehungsweise immer sagten, ja, wir können eh nichts daran ändern und demonstrieren bringt gar nichts, und die haben jetzt mehrere Tage auf dem Tahrir-Platz im Zentrum übernachtet und für Freiheit gekämpft.
Götzke: Was erhoffen sich Ihre Lehrer oder auch junge ägyptische Bekannte von Ihnen von einem Regimewechsel? Glauben sie, dass sich die Perspektiven verbessern?
Kabisch: Die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt man ja immer, und ich glaube, so sehen die das auch. Und was mir von allen gesagt wurde – sowohl von Freunden als auch von meinen Lehrern und den Leuten, mit denen man sich unterhält auf der Straße –, ist: Es kann nur besser werden. Das ist irgendwie der Tenor, zumindest unter denen, die diese Demonstrationen unterstützen. Es gibt auch nach wie vor viele Leute, die sich da eher bedeckt halten, oder jetzt auch immer mehr Leute, die das System Mubarak unterstützen, weil es eben diese Sicherheit bietet und man Geld verdienen kann.
Götzke: Sie waren ja in den vergangenen Tagen fast von der Außenwelt abgeschlossen, es gab kein Internet, es gab kein Handynetz – wie hat das Ihre Familie, die ja jetzt schon in Deutschland ist, so erlebt?
Kabisch: Am Anfang, als das Handynetz abgestellt wurde, war das erst mal ein Schock, weil damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet, und irgendwie ist man ja auf jeden Fall auf das Handynetz angewiesen, um mit Freunden und auch mit der Familie in Deutschland Kontakt zu halten. Und ich bin dann mit meinem Mitbewohner am Freitagabend, als das Handynetz abgestellt war, zu einem Hotel geschlichen, schon nach Beginn der Ausgangssperre, um international telefonieren zu können, weil das Festnetztelefon funktionierte – wir hatten aber keins, vor allem keins, was ins Ausland telefonieren kann. Das war schon sehr bedrückend irgendwie, die Familie auf diesem Weg informieren zu müssen, dass alles gut ist, wenn man im Hinterkopf hat, in Deutschland läuft die "Tagesschau" und die Nachrichten laufen und sie hören Böses und hören nichts von uns hier. Wir konnten sie dann aber glücklicherweise erreichen. Allerdings, auf dem Weg sind uns die Plünderer in die Arme gelaufen, so 13-jährige Kerle, die unter den Armen große Klamotten hatten, die sie aus irgendeinem Geschäft geholt haben, und diese Schaufensterfiguren, sind da umhergerannt – das war schon eine bedrückende Situation.