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Das Wattenmeer - weltweit einzigartiges Ökosystem

Das Wattenmeer erstreckt sich entlang der Nordseeküste von den Niederlanden über Deutschland bis nach Dänemark. Und, darin sind sich alle Experten einig, es ist eine ganz besondere Region, ein weltweit einzigartiges Ökosystem. Das Leben dort wird bestimmt durch Ebbe und Flut, die so genannten Gezeiten, die es zwar auch an allen anderen Meeresküsten gibt, aber nicht in diesem Ausmaß.

Annette Eversberg | 22.10.2003
    Weil das Wattenmeer so einzigartig ist, bedarf es eines besonderen Schutzes. Und weil es eine länderübergreifende Region ist und Umweltverschmutzungen und Folgen von menschlichen Eingriffen an den Grenzen nicht halt machen, muss der Schutz auch international abgestimmt werden. Diese Zusammenarbeit zwischen Dänemark, Deutschland und den Niederlanden gibt es beim Wattenmeer bereits seit 25 Jahren.

    Zum Jahrestag des Trilateralen Wattenmeerschutzes gibt es keinen Spatenstich. Dennoch gibt es etwas Neues: Die internationale Wattenmeerschule, getragen von Umwelt-, Landwirtschafts- und Kultusministerien Dänemarks, Deutschlands und den Niederlanden. Anja Szczesinski von der Schutzstation Wattenmeer hat das Projekt entwickelt:

    Die internationale Wattenmeerschule besteht aus drei Bereichen. Das ist zum einen ein bestehendes Netzwerk aus Umweltbildungszentren in der ganzen Wattenmeerregion, Niederlande, Deutschland, Dänemark. Diese Umweltbildungszentren entwickeln ein Curriculum für die internationale Wattenmeerschule, ganz speziell abgestimmt auf Schulklassen. Das ist der zweite Bereich, das internationale Bildungsprogramm und der dritte Bereich ein Austauschforum für Schulklassen aus den Wattenmeerländern, die eine Klassenfahrt in die Wattenmeerregion des jeweils anderen Landes machen.

    Junge Menschen sollen das Bewusstsein auch der kommenden Generationen dafür schärfen, dass das Wattenmeer nicht an den jeweiligen Landesgrenzen aufhört und dass es ein wertvoller Lebensraum ist. Das war vor 25 Jahren keineswegs klar. Landgewinnung und Eindeichungen gehörten zu den Maßnahmen, mit denen man massiv ins Wattenmeer eingriff. Die Fischerei wurde intensiv und bis zur Erschöpfung der Ressourcen vorangetrieben. Jeder arbeitete für sich. Heute blickt Ed Nijpels, Vorsitzender des Trilateralen Wattenmeerforums, beim Hafenausbau nicht nur in sein eigenes Heimatland, die Niederlande, sondern arbeitet auch für eine nachhaltige Form des Hafenausbaus in Dänemark:

    Wir müssen sehen, was die dänische Industrie wirklich braucht. Dann müssen wir das so anpassen, dass ein Hafenausbau umweltgerecht ist. Natürlich geht das nicht von heut auf morgen. Aber die positive Seite der trilateralen Zusammenarbeit ist, dass heute alle Seiten an einem Tisch sitzen und wir die Probleme gemeinsam lösen. Denn wir haben einen einzigartigen Naturraum, in dem aber zugleich viele Menschen leben und arbeiten müssen.

    Wattenmeerschutz ist daher immer auch ein Spagat zwischen den Interessen. Doch einen Grund, über mangelndes Umweltbewusstsein zu klagen, gibt es nicht. Denn jeder Eingriff ins Wattenmeer muss heute vor den Naturschützern und den Umweltbehörden Dänemarks, Deutschlands und der Niederlande gerechtfertigt werden. In den Niederlanden ist es gelungen, die Gasförderung im Wattenmeer einzuschränken. Und selbst im Falle der geplanten Erdölpipeline zwischen dem Festland und der Bohrplattform Mittelplate im schleswig-holsteinischen Wattenmeer konnten die Erdölfirmen nicht am Nationalparkamt vorbeiplanen. Auch wenn die Naturschutzverbände noch Einwände haben, betont Dr. Hans-Ulrich Rösner, Leiter des WWF-Büros im schleswig-holsteinischen Husum:

    Das ist ein weiterer doch recht großer Eingriff in das Wattenmeer, wie er eigentlich nicht vorkommen sollte, in einem Nationalpark und in einem europäischen Schutzgebiet. Das führt auch dazu, dass die Aussicht, die Ölförderinsel möglichst bald stilllegen zu können, wieder geringer wird. Weil die Investitionen auch wieder verdient werden müssen.

    Dafür gibt es ein Lob des WWF für die Einstellung der Jagd auf Enten und Gänse, die zu den etwa 10 Millionen Wat- und Wasservögeln zählen. Sie rasten im Wattenmeer aller drei Anrainerstaaten. Hans-Ulrich Rösner:

    Es gab einen gemeinsamen Beschluss, hier auszusteigen aus dieser Bejagung von diesen Enten und Gänsen. Und das ist das auch geschehen. Selbst in Dänemark, für das sozusagen von ihrer kulturellen Entwicklung her schwerer viel, weil sehr viel mehr Menschen auch im Wattenmeer gejagt haben, haben die Dänen da doch insgesamt eine konsequente Entscheidung getroffen. Das ist ein sehr sehr großer Fortschritt, wenn man das mit früher vergleicht.

    Dennoch gibt es Defizite: Mit der intensiven Muschelfischerei in den Niederlanden, die den Enten und Austernfischern die Nahrungsgrundlage raubt, mit dem geplanten Ausbau der Häfen von Rotterdam und Hamburg sind die Naturschützer nicht zufrieden. Deshalb ist es für Hans-Ulrich Rösner so wichtig, mit der internationalen Wattenmeerschule Wege für die Zukunft des trilateralen Wattenmeerschutzes aufzuzeigen. Nach dem Muster des deutsch-französischen Jugendaustauschs, der ebenfalls eine Erfolgsgeschichte geworden ist:

    Wir wollen, dass die nachwachsende Generation das schon lernt, was wir hier eigentlich machen, ein Verständnis für diese Gesamtregion, für diese wunderbare Wattenmeerregion entwickelt und das nicht nur im Herzen, sondern im Kopf hat, dass wir diesen Raum so erhalten wollen, wie er ist.