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Das weiße Dach Afrikas

Umwelt. - Schon seit mindestens 150 Jahren schwindet die Eiskappe des Kilimandscharo - vielleicht sogar länger. Im vergangenen Jahr dämpften ergiebige Schneefälle die Schmelze am "Weißen Gipfel" Afrikas. Doch Experten sehen darin keine Umkehr des Phänomens.

Von Dagmar Röhrlich | 17.04.2007
    Einer von zwei Touristen soll wegen des Schnees zum Kilimandscharo kommen – so sagen es Umfragen. Afrikas höchster Berg erhebt sich als Einzelgänger rund 6000 Meter über die schönsten Nationalparks des Kontinents, und ganz oben auf seiner Spitze glitzert das Eis. Zumindest noch, denn die Gletscher auf dem Kilimandscharo schrumpfen seit langem. Thomas Mölg von der Universität Innsbruck:

    "Man weiß aus den ersten Berichten, die vom Kilimandscharo durch Naturwissenschaftler gemacht worden sind, dass der Rückgang etwa um 1880 eingesetzt hat."

    Seither war das ewige Eis auf dem Berggipfel auf dem Rückmarsch: Es fällt einfach nicht genug Schnee, um es zu erhalten:

    "Was wir auch herausgefunden haben: Es ist hauptsächlich der Luftfeuchtigkeitstransport vom Indischen Ozean nach Ostafrika, der sich im 20. Jahrhundert abgeschwächt hat."

    Der Grund liegt weit weg im Indischen Ozean. Von dort stammt die feuchte Luft, die den Schnee bringt. Allerdings läuft der Feuchtigkeitstransport über dem Indischen Ozean normalerweise nach Osten, in Richtung Indonesien: Dort ist das Wasser wärmer als vor Ostafrika, und so wehen die Winde in diese Richtung. Alle paar Jahre gibt es aber so etwas wie einen El Nino, und das Meer vor Afrika ist wärmer. Das treibt die Winde dann in die andere Richtung und die feuchte Luft fließt nach Westen. In solchen Jahren schneit es dann selbst auf der Spitze des Kilimandscharos in 6000 Metern Höhe reichlich. Aber diese Duschen – im Fachjargon "Event" genannt – sind selten geworden.

    "Wir haben aber über die Simulation mit einem globalen Klimamodell herausgefunden, dass die Frequenz vor 1880 etwa drei Events pro Jahrzehnt war."

    Jetzt ist es nur noch ein Event pro Jahrzehnt. Dem Gipfelgletscher fehlt der Nachschub. 2006 allerdings gab es wieder eine solche "Dusche". Bis zum Gipfel hinauf fiel viel Schnee, die Gletscher legten zu. Thomas Mölg:

    "Wenn wir ein Jahr mit sehr hohem Schneefall haben, wie es eben 2006 war, eine Ausnahme in den letzten Jahrzehnten, dann kann der Gletscher über das Jahr gesehen auch mehr Masse einnehmen als er verliert. Und im Jahr 2006 war das zwischen 0,5 und 0,8 m Oberflächenanstieg."

    Der Schneefall bringt eine Atempause – mehr nicht. Für den Gletscher auf dem Gipfelplateau gibt es wohl keine Rettung. Dieser Gletscher sitzt wie ein riesiger, festgefrorener Eisblock mit senkrecht abfallenden Wänden auf dem abgeplatteten Berg. Diese senkrechten Wände sind sein Problem. Ihretwegen profitiere er nicht vom Schneefall, erklärt Georg Kaser von der Universität Innsbruck:

    "Solange die existieren, wird es ein Rückschreiten geben, weil man dort ja keinen Niederschlag anhaften kann. Das würde ja gegen die Schwerkraft gehen. Wir können also nur Masse verlieren. Und wenn sie ein Bankkonto haben, in dem plötzlich der Arbeitgeber sagt, ich zahle nicht mehr ein, und sie nehmen fröhlich weiter heraus, wie sie es gewohnt waren, dann wird es halt irgendwann einmal zu Ende sein."

    Die senkrechten Wände machen den Plateaugletscher für die Forscher zu einem Rätsel: Warum gibt es ihn überhaupt? Wie konnte überhaupt jemals so viel Schnee so hoch hinauf gepumpt werden, dass ein mächtiger Gletscher wachsen konnte? So scheint der Gipfelgletscher ein Relikt aus der jüngsten Eiszeit zu sein. Und lange wird er sich nicht mehr halten, in 30 bis 40 Jahren wird er verschwunden sein. Ganz grau ist der Kilimandscharo dann aber nicht, denn auch an seinen Hängen gibt es Gletscher, erklärt Thomas Mölg:

    "Was jene am Hang machen, wissen wir noch nicht genau. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass diese die Plateaugletscher überdauern und somit der Berg nicht ganz eisfrei wird, auch gegen Mitte des 21. Jahrhunderts."

    Überhaupt: Das Schwinden der Gletscher stört die Touristen - für die Menschen, die dort leben, ist das ewige Eis unwichtig. Anders als in den Alpen, wo die Gletscher wichtige Wasserspeicher sind, übernehmen am Kilimandscharo die Bergwälder diese Rolle: Sie erhalten in allen Jahren viel Regen – und sie speichern ihn:

    "Das ist Niederschlag, der in den Bergtropenwald fällt, und der Bergtropenwald an diesen Hängen des Kilimandscharo, das ist der eigentliche Spieler im Wasserkreislauf dort, und auf den müssen sie sehr aufpassen. "

    So ist am Kilimandscharo nicht das Abschmelzen der Gletscher fatal, sondern das Abholzen des Bergwaldes.