Archiv


Das Wesen der Planeten

Geophysik. - Die Erde hat es, Mars hatte es vor vier Milliarden Jahren, Venus hat es nicht – aber der kleine Merkur, der hat es wieder: ein Magnetfeld. Zwar sind alle erdähnlichen Planeten aus demselben Rohmaterial um die junge Sonne herum entstanden und sind sozusagen verwandt – trotzdem haben sie höchst unterschiedliche Eigenschaften und bilden eine sehr heterogene "Familie".

    von Dagmar Roehrlich

    Francis Nimmo vom Geologischen Institut des University College in London:

    Wir glauben, dass diese Planeten alle mehr oder weniger aus dem gleichen Material bestehen wie die Erde: aus einem Gesteinsmantel und einem Eisenkern. Auf der Erde verursacht die Bewegung im geschmolzenen Eisenkern den Dynamoeffekt und damit das Magnetfeld. Wir nehmen an, dass auch Merkur einen solchen bewegten Eisenkern hat, der sein Magnetfeld verursacht. Die Frage ist: Warum hat Merkur, der so viel kleiner ist als die Erde und deshalb schnell abgekühlt sein müsste, heute noch einen geschmolzenen Eisenkern?

    Merkurs Magnetfeld ist hundertmal schwächer als das irdische. Wahrscheinlich, schließt der Geologe, hat Merkur einen flüssigen Eisenkern, der sich aber nur langsam durch bewegt. Um zu verstehen, was im sonnennächsten Planeten passiert, versucht man, von der Erde für Merkur zu lernen.

    Auf der Erde scheint das Problem in Folgendem zu liegen: Damit sich das Eisen im geschmolzenen Teil des Kerns bewegt, muss sich der Kern abkühlen. Dieser Wärmeentzug treibt die Konvektionsbewegung im flüssigen Erdkern an. Wird der Kern kühler, wird er fest, das heißt, der Anteil des mobilen Eisens sinkt. Um ein Magnetfeld zu erzeugen, muss sich der Kern recht schnell abkühlen. Die Erde ist viereinhalb Milliarden Jahre alt und hat ein Magnetfeld. Entweder wäre der Erdkern noch sehr jung, oder er kühlte sich zu langsam ab, um ein Magnetfeld zu erzeugen. Das passt nicht zusammen.

    Für die Erde bieten zusätzliche Wärmequellen in Form von radioaktiven Elementen im Inneren des Kerns eine Lösung – allen voran das radioaktive Kaliumisotop. Sie wirken wie ein Frostschutzmittel und heizen das Eisen auf, halten es beweglich. Durch die irdische Plattentektonik wird die Hitze des Kerns schnell abgeleitet und der Dynamo in Gang gehalten. Der Wärmeaustausch geschieht im Grenzbereich zwischen dem flüssigen Äußeren Erdkern und dem festen Mantel. Kontrolliert werde die Abkühlung und damit der Dynamo durch das Geschehen im Erdmantel, so Francis Nimmo.

    Der Erdmantel kontrolliert, ob der Dynamo arbeitet oder nicht: Der Erdmantel kühlt sich durch Konvektionsbewegungen in ihm sehr schnell ab. Diese Bewegung, die Plattentektonik, die die Kontinente über die Erdkruste bewegt und dabei viel Energie verbraucht, ist ein sehr effizienter Weg, den Kern abzukühlen und den Geodynamo anzutreiben.

    Auf Merkur gibt es diese Mechanismen nicht. Er besteht nur aus Kern und dem unteren Stockwerk des Mantels. Es gibt keine Plattentektonik, und auch das radioaktive Kalium fehlt. Es ist wohl bei Merkurs Entstehung verbrannt. Statt dessen wirkt die nahe Sonne.

    Die Sonne quetscht und streckt Merkur. Auf ihm gibt es gewaltige Gezeiten, viel gewaltigere als auf der Erde. Es könnte also sein, dass der Merkur-Dynamo eben durch diese Gezeitenkräfte der Sonne angetrieben wird, weil sein Kern immer wieder durchgeknetet wird. Das könnte den Kern flüssig und den Dynamo damit aktiv halten.

    Im Grunde hätte das Magnetfeld des Merkur damit also eine ähnliche Ursache wie der Vulkanismus von Jupitermond Io. Erde und Merkur – beide haben einen Dynamo im Inneren – aber der Motor, der ihn treibt, der ist unterschiedlich.