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"Das wichtigste Problem ist die Wilderei"

Der WWF-Experte, Volker Homes, fordert vom Tiger-Gipfels in St. Petersburg mindestens 90 Millionen US-Dollar jährlich für den Artenschutz von Tigern. Homes hält die hohe Summe für gerechtfertigt, weil mit dem Schutz der Tiere auch andere Arten der jeweiligen Region gerettet werden können.

Volker Homes im Gespräch mit Theo Geers | 22.11.2010
    Theo Geers: Nun ist der Tiger aber auch ein sehr symbolträchtiges Tier, und deshalb fragte ich vor der Sendung Volker Homes, den Artenschutzexperten beim WWF Deutschland, ob auch das erklärt, warum sich plötzlich Politiker wie Herr Putin des Tigers annehmen.

    Volker Homes: Ich glaube schon, dass es auch damit zu tun hat, denn wer einmal Kinderaugen vor Käfigen mit Tigern gesehen hat, im Zoo, der weiß, wie emotional das Ganze ist, und der Tiger gehört sicherlich zu den charismatischsten Arten, die wir weltweit überhaupt kennen.

    Geers: Wie viele Tiger leben denn noch in freier Wildbahn? Wo leben sie und wo sind sie besonders bedroht?

    Homes: Wir gehen davon aus, dass es vielleicht nur noch 3200 Tiger sind, die in der Wildnis leben. Das ist wirklich viel weniger, als heutzutage in Käfigen leben. Die leben nur in Asien. Der Lebensraum hat sich auf vielleicht zehn Prozent von dem reduziert, wo der Tiger früher mal war. Ganz besonders bedrohlich ist es jetzt schon für einige der Unterarten, beispielsweise in Sumatra.

    Geers: Nun soll ja in St. Petersburg ein Aktionsplan verabschiedet werden zur Rettung des wild lebenden Tigers. Was ist denn das Ziel?

    Homes: Der Aktionsplan soll vor allem dafür sorgen, dass wir jetzt einen Wendepunkt in der Bestandsentwicklung bekommen. Während wir in den letzten 100 Jahren ja immer einen Verlust an Tigern hatten und jetzt nur noch 3200 Tiger leben, soll es zu einer Wende kommen, und wir wollen, dass innerhalb der nächsten zwölf Jahre sich diese Anzahl jetzt wieder verdoppelt.

    Geers: Das wären dann gut 6000 Tiger oder 6400 Tiger nach Adam Riese. Würde das reichen, um die Tiger-Population in der Welt zu halten, oder wäre sie dann immer noch bedroht?

    Homes: Ich denke, dass es immer noch kritisch ist, aber wenn es so weitergeht, wie es im Moment anhält, dann werden wir von diesen sechs Unterarten, die wir jetzt noch haben, innerhalb der nächsten zehn Jahre weitere verlieren, und man darf nicht vergessen, dass drei Unterarten bereits ausgestorben sind in der Vergangenheit.

    Geers: Wie wollen Sie denn konkret die Verdoppelung des Tiger-Bestandes von jetzt 3200 auf dann über 6000 Tiere erreichen? Wie wollen Sie da hinkommen?

    Homes: Die größten Bedrohungen sind der Verlust der Lebensräume und dass sich die Tiger gar nicht mehr treffen, weil die Lebensräume so zersplittert und zerstückelt sind, dass wir das dringend aufhalten müssen und dass man Lebensräume hat, die groß genug sind. Das wichtigste Problem, was wir im Moment haben, ist aber die Wilderei. Das heißt, Menschen gehen in den Wald, setzen Schlingen aus, fangen den Tiger, töten ihn beziehungsweise erschießen ihn. Das sind die wichtigsten Probleme, die wir erst mal abstellen müssen, damit der Tiger überhaupt eine Chance hat, sich wieder zu erholen.

    Geers: Wenn Sie dem Tiger neue Lebensräume schaffen wollen, oder erhalten wollen, dann kostet das Geld. Wie viel Geld braucht man für diese Aktion, was schätzen Sie?

    Homes: Es ist schwierig, sich auf eine Zahl festzulegen, aber im Moment gehen wir davon aus, dass mindestens 90 Millionen US-Dollar pro Jahr zur Verfügung gestellt werden müssen, um die wichtigsten Notmaßnahmen in den Beständen, die wirklich jetzt überlebensfähig sind, einzuleiten. Das könnte sein, dass das in Zukunft noch mehr Geld werden wird.

    Geers: Wer soll das bezahlen?

    Homes: Man wird sich auf diesem Tiger-Gipfel gerade über diese Finanzierungsmechanismen auch unterhalten müssen, und es sind ja sehr viele Länder, die sich gerade in der Entwicklung befinden, die also selber das Geld nicht aufbringen können, und insofern ist es wichtig, dass es Geberländer auch am Tisch gibt wie die Europäische Union, wie die Mitgliedsstaaten der EU, oder auch die USA und Japan, die bereit sind, für den Schutz einer der charismatischsten Arten auch Geld auf den Tisch zu legen.

    Geers: So viel Geld, 90 Millionen Euro pro Jahr für die Tiger, ist das nicht auch ein bisschen viel in Zeiten von Hartz IV und Ähnlichem?

    Homes: Ich denke schon, dass das gerechtfertigt ist, weil wir müssen einfach klar sein darüber, dass diese Arten für immer aussterben. Da gibt es dann auch kein zurück mehr von diesem Punkt. Und man schützt ja mit den Tigern nicht nur den Tiger selbst, sondern auch die Tiger-Wälder. Diese Wälder, die haben eine unglaubliche ökologische Funktion, beispielsweise den Klimawandel zu mindern zumindest, oder auch Trinkwasser für die ansässige Bevölkerung in der Region zu stellen, oder die Menschen leben von den Heilpflanzen, die sie aus diesen Wäldern gewinnen. Also mit dem Tiger rettet man praktisch als einen Schirm die ganzen Arten, die auch dort in dieser Region vorkommen.

    Geers: 90 Millionen Dollar im Jahr für den Erhalt des Tigers. Das war Volker Homes, Artenschutzexperte beim WWF Deutschland.