In "Bambiland", ihrem im vergangenen Jahr von Christof Schlingensief am Burgtheater uraufgeführten Stück über den Irakkrieg, untersuchte Elfriede Jelinek die mediale Kriegs-Berichterstattung und deren Wiederspiegelung in unserem Bewusstsein. Dabei montierte sie in einer Art literarischer Überblendung die CNN-Kriegsberichterstattung mit Zitaten aus den Persern des Aischylos. In ihrem neuen, zweiten Stück namens "Babel" versucht sie Schlussfolgerungen in einer Nachkriegsanalyse zu ziehen, indem sie nach den anthropologischen Ursachen des Krieges fragt.
Zugleich sucht sie nach Möglichkeiten, ein "Moralkunstwerk" zu schaffen. Elfriede Jelinek gräbt dazu mit Belesenheit und Besessenheit in den kulturellen und anthropologischen Abgründen der Menschheit und montiert einen dreiteiligen, monologischen Text zu einer ausgreifend mäandernden Assoziationsfolge über Gewalt, Sexualität und Religion.
Im ersten Monolog geht es um die kulturelle Einschreibung des Körpers, um Sexualität und Männerrollen. Heraus aus ihrer Misere findet eine untergangssüchtige Kassandra nur im Schritt zurück, in der Einverleibung des Menschen, also in der Selbstvernichtung im Kannibalismus.
Der zweite Monolog läßt eine Margit, die sowohl die Mutter des gekreuzigten Jesus wie die des Todespiloten Mohammed Atta ist, den ödipalen Mutter-Sohn-Konflikt und den Verlust des Sohnes als Held oder Märtyrer wiederum im Rückschritt zu lösen suchen. Also in der Einverleibung des Sohnes "wieder hinein in die Backröhre", wie es die Autoren formuliert. Ihr sexuell aufgeladener Text ist dabei voller aufdringlicher Variationen der Begriffe und Bilder von Röhren und Kolben. Ein Peter spricht den dritten Monolog. Weit ausgreifend und krass benennend geht es um die Folter- und Fotopraktiken von Lyndie England in Abu Ghraib. Es geht auch beispielhaft um die am Brückengeländer aufgehängten amerikanischen Soldaten. Konsequent wird nach der Wirkung von Bildern und nach der Funktion von Folter und Folterbildern gefragt. Körperzerstörung zwischen Jesus und Irak ist das Thema, und die Rollen von Söhnen werden in psychoanalytischer Tiefenerforschung zu ergründen gesucht.
Aus der sich im kalauernd wortspielerischen und redundanten Jelinek-Sound über 90 Seiten ausbreitenden Textfläche, die oft die gefährliche Grenze zur selbstverliebten Routiniertheit überschreitet, hat sich Regisseur Nicolas Stemann bei der Uraufführung im Wiener Akademietheater mit intellektueller kunsthandwerklicher Geschicklichkeit recht frei bedient. Er deutet den für zweieinviertel pausenlose Stunden neu montierten Text weder endgültig aus noch bebildert er ihn direkt, sondern er implantiert ihm Witz und Spielerei, ja, gelegentlich sogar Ironie.
Trotzdem bleibt es stets ein anstrengender Text, der sich vor allem Wissenden und Einverständigen entschließt. Aus der Bitte an das Publikum, die Handys aus zu schalten, entwickelt sich zu Beginn ein theoretischer Erklärtext über menschliche Immunsysteme. Zur Stimme aus dem Off suggerieren allein Lichtwechsel und Vorhangbewegungen Theatralik. Dann wird der gleiche Text mit neun kleinen Froschpuppen grotesk nachgespielt, bis wir zu einer Fernsehcomedy bei den Jelineks kommen. Vor dem Kruzifix an einer Blümchentapete, das vom Bild Mohammed Attas ersetzt wird, reflektiert die Mutter über das Verhältnis zum Sohn. Nicolas Stemann bebildert Jelineks Monolog mit acht Darstellern, einer Fülle von grellen Szenen und mit großem Bühnenaufwand. Geht es um die Macht der Bilder, präsentieren sich drei nackte Männer mit der Aufforderung ans direkt angesprochene Publikum, genau hin zu schauen. Dann verkleiden sie sich als Frauen.
Am Schluss werden Bühne und Schauspieler völlig von Blut überschwemmt. Dann wieder wird im schummrigen Rotlicht so sensibel wie ausgiebig von der Tötung und suchenden Zerstückelung einer Frau erzählt. Der kleine, häßliche Satyr Marsyas bläst Flöte und redet natürlich davon, jemandem einen zu blasen. Sein Wettstreit mit Apoll, der antikisch gewandet am Bühnenrand sitzt, während ein Gekreuzigter im Businessanzug vom Himmel schwebt, ist ein Sieger im künstlerischen Wettstreit. Daß die beiden Figuren zwei Metaphern für gegensätzliches künstlerischen Vermögen sind und dem Verlierer mit der Häutung das Bloßlegen des Kerns ein Akt geistiger Erkenntnis sein soll, geht in einem Bühnentrubel mit den nachgestellten Foltersituationen von Abu Ghraib unter, der durch brüllenden Sprechgesang des Marsyas und durch unentwegte Blendung des Publikums durch eine Scheinwerferbatterie bestimmt ist. Die aufwendige Inszenierung macht den Text weniger spiel- als goutierbar, Provokationspotential und Erkenntnisgewinn aber kann man ihr nicht recht zusprechen. Es ist ein Abend der Jelinek-Routine für ein geduldiges Publikum.
Zugleich sucht sie nach Möglichkeiten, ein "Moralkunstwerk" zu schaffen. Elfriede Jelinek gräbt dazu mit Belesenheit und Besessenheit in den kulturellen und anthropologischen Abgründen der Menschheit und montiert einen dreiteiligen, monologischen Text zu einer ausgreifend mäandernden Assoziationsfolge über Gewalt, Sexualität und Religion.
Im ersten Monolog geht es um die kulturelle Einschreibung des Körpers, um Sexualität und Männerrollen. Heraus aus ihrer Misere findet eine untergangssüchtige Kassandra nur im Schritt zurück, in der Einverleibung des Menschen, also in der Selbstvernichtung im Kannibalismus.
Der zweite Monolog läßt eine Margit, die sowohl die Mutter des gekreuzigten Jesus wie die des Todespiloten Mohammed Atta ist, den ödipalen Mutter-Sohn-Konflikt und den Verlust des Sohnes als Held oder Märtyrer wiederum im Rückschritt zu lösen suchen. Also in der Einverleibung des Sohnes "wieder hinein in die Backröhre", wie es die Autoren formuliert. Ihr sexuell aufgeladener Text ist dabei voller aufdringlicher Variationen der Begriffe und Bilder von Röhren und Kolben. Ein Peter spricht den dritten Monolog. Weit ausgreifend und krass benennend geht es um die Folter- und Fotopraktiken von Lyndie England in Abu Ghraib. Es geht auch beispielhaft um die am Brückengeländer aufgehängten amerikanischen Soldaten. Konsequent wird nach der Wirkung von Bildern und nach der Funktion von Folter und Folterbildern gefragt. Körperzerstörung zwischen Jesus und Irak ist das Thema, und die Rollen von Söhnen werden in psychoanalytischer Tiefenerforschung zu ergründen gesucht.
Aus der sich im kalauernd wortspielerischen und redundanten Jelinek-Sound über 90 Seiten ausbreitenden Textfläche, die oft die gefährliche Grenze zur selbstverliebten Routiniertheit überschreitet, hat sich Regisseur Nicolas Stemann bei der Uraufführung im Wiener Akademietheater mit intellektueller kunsthandwerklicher Geschicklichkeit recht frei bedient. Er deutet den für zweieinviertel pausenlose Stunden neu montierten Text weder endgültig aus noch bebildert er ihn direkt, sondern er implantiert ihm Witz und Spielerei, ja, gelegentlich sogar Ironie.
Trotzdem bleibt es stets ein anstrengender Text, der sich vor allem Wissenden und Einverständigen entschließt. Aus der Bitte an das Publikum, die Handys aus zu schalten, entwickelt sich zu Beginn ein theoretischer Erklärtext über menschliche Immunsysteme. Zur Stimme aus dem Off suggerieren allein Lichtwechsel und Vorhangbewegungen Theatralik. Dann wird der gleiche Text mit neun kleinen Froschpuppen grotesk nachgespielt, bis wir zu einer Fernsehcomedy bei den Jelineks kommen. Vor dem Kruzifix an einer Blümchentapete, das vom Bild Mohammed Attas ersetzt wird, reflektiert die Mutter über das Verhältnis zum Sohn. Nicolas Stemann bebildert Jelineks Monolog mit acht Darstellern, einer Fülle von grellen Szenen und mit großem Bühnenaufwand. Geht es um die Macht der Bilder, präsentieren sich drei nackte Männer mit der Aufforderung ans direkt angesprochene Publikum, genau hin zu schauen. Dann verkleiden sie sich als Frauen.
Am Schluss werden Bühne und Schauspieler völlig von Blut überschwemmt. Dann wieder wird im schummrigen Rotlicht so sensibel wie ausgiebig von der Tötung und suchenden Zerstückelung einer Frau erzählt. Der kleine, häßliche Satyr Marsyas bläst Flöte und redet natürlich davon, jemandem einen zu blasen. Sein Wettstreit mit Apoll, der antikisch gewandet am Bühnenrand sitzt, während ein Gekreuzigter im Businessanzug vom Himmel schwebt, ist ein Sieger im künstlerischen Wettstreit. Daß die beiden Figuren zwei Metaphern für gegensätzliches künstlerischen Vermögen sind und dem Verlierer mit der Häutung das Bloßlegen des Kerns ein Akt geistiger Erkenntnis sein soll, geht in einem Bühnentrubel mit den nachgestellten Foltersituationen von Abu Ghraib unter, der durch brüllenden Sprechgesang des Marsyas und durch unentwegte Blendung des Publikums durch eine Scheinwerferbatterie bestimmt ist. Die aufwendige Inszenierung macht den Text weniger spiel- als goutierbar, Provokationspotential und Erkenntnisgewinn aber kann man ihr nicht recht zusprechen. Es ist ein Abend der Jelinek-Routine für ein geduldiges Publikum.