Schäfer-Noske: Zwei Mal musste der Berliner Hauptbahnhof in den vergangenen Tagen gesperrt werden. In der Orkannacht war bekanntlich ein tonnenschwerer Stahlträger aus der Fassade gebrochen und aus 40 Metern Höhe abgestürzt. Die Schweißarbeiten zur Befestigung der über 100 weiteren Stahlträger waren noch nicht abgeschlossen, da warnte der Wetterdienst vor einem neuen schweren Sturm. Diesen Stürmen folgte ein Sturm der Entrüstung, und zwar nicht nur bei den Bahnreisenden. Wer hat Schuld an der mangelnden Sicherheit des Berliner Prestigebaus, lautet die Frage, die immer wieder gestellt wird. Architekt Meinhard von Gerkan erklärte, er habe für den Vorfall keine schlüssige Erklärung, warne aber vor voreiligen Schuldzuweisungen. Erst durch den Orkan war bekannt geworden, dass die Stahlträger nur lose auf den Verstrebungen lagerten - wie Regalbretter.
Frage an den ehemaligen Präsidenten der Bundesarchitektenkammer Peter Conradi! Wo kann denn die Verantwortung in diesem Fall liegen?
Conradi: Nun, da gibt es ein engmaschiges Netz von zahlreichen Beteiligten, einmal die Bauherrschaft, die hier nach einem Wettbewerb einen Architekten ausgesucht, der Architekt, der seinerseits dann einen Tragwerksplaner aussucht, der nicht nur ein Gehilfe ist, sondern bei einem solch schwierigen Bauwerk an der Gestalt mitarbeitet. Dann ist die Frage, wer hat die Ausführungsplanung, die Werkplanung gemacht, ich nehme an, noch der Architekt und der Tragwerksplaner. Dann ist die Frage, wer hat ausgeschrieben, wie ist es ausgeschrieben worden an die Baufirmen, wer hatte die Aufträge vergeben, wer hatte die Bauleiter und wer hat das überwacht und wer hat das Bauwerk am Schluss abgenommen. Halt! Einen habe ich vergessen: Zwischendrin muss der Bau natürlich vom Land Berlin genehmigt werden, das heißt, der braucht eine ganz normale Baugenehmigung, bei der dann auch die Statik geprüft wird. Sie sehen, also ein dichtes Netz von Beteiligten.
Schäfer-Noske: Aber wer überprüft denn letztendlich, ob so ein riesiges Gebäude sturmfest ist?
Conradi: Normalerweise wird eine Tragwerksplanung von einem Prüfingenieur überprüft, das heißt, ein unabhängiger Ingenieur prüft das, was der Tragwerksplaner vorgeschlagen hat, damit der Bauherr eine Sicherheit hat. Das Ding steht nachher und ist richtig gerechnet, und der Prüfingenieur teilt dann in dem Fall der Aufsichtsbehörde, also dem Land mit, ich habe das geprüft und das ist in Ordnung. Wie weit da jetzt im Einzelnen drin stand in dem Bauantrag, wie diese Träger da festgemacht sind, ob sie nur aufliegen oder verschraubt sind, das muss man feststellen, wie war das geplant. Das ist die erste Frage, da gibt es ja Pläne und Zeichnungen, wobei ich mir schon denken kann, dass ein zwei Tonnen schwerer Träger, der selber nichts zu tragen heißt, eigentlich ist es komisch, dass er Träger heißt, denn das ganze Ding ist ja außen nur für Show. Das Ganze simuliert ein tragendes Baugerüst um diesen Glasbau herum, und ich kann mir schon vorstellen, dass ein zwei Tonnen schwerer Träger nur aufliegt, weil kein Mensch annimmt, dass ein Sturm den runter wirft.
Schäfer-Noske: Das heißt, aus statischer Sicht wäre das eigentlich gar nicht zu beanstanden?
Conradi: Das weiß ich nicht. So genau kenne ich die statischen Vorschriften nicht, ob man den nun sichern muss. Nun muss man auch sehen, dass das Bauwerk ja arbeitet, das heißt bei Wärme und Kälte sich verändert, das heißt, der Stahl dehnt sich aus, zieht sich zusammen. Also wenn es angeschraubt würde, müsste es auf jeden Fall so angeschraubt werden, dass die Dehnungen oder die Schrumpfungen des Stahls aufgenommen werden, also mit langen Löchern, in denen die Schraube hin und her sich bewegen kann, oder auch Windlast, wenn das Gebäude sich bewegt, muss ja Spiel sein. Wenn jetzt, wie ich lese, nur eine Nase drüber geschweißt wird, dann ist das eine Sicherung gegen das Herausfallen, und wenn die fest genug angeschweißt ist und auch entsprechende Kraft hat, dann sollte das ausreichen.
Schäfer-Noske: Der Berliner Hauptbahnhof soll ja eine Milliarde Euro gekostet haben. Wie groß ist denn da normalerweise in einem solchen Fall der Sicherheitsetat, wenn man so will?
Conradi: Keine Ahnung. Das ist aber in den Kosten drin, also das ist beim Architekten, beim Tragwerksplaner und beim Prüfingenieur, das gehört überall dazu. Aber jetzt muss unabhängig geprüft werden, und da ist nach meiner Auffassung zuerst einmal das Land Berlin und die Stadt Berlin dran, die prüft, wie waren denn die Genehmigungsvorgänge, was haben uns die Freunde da vorgeschlagen, was hat der Prüfingenieur gesagt, haben wir das genehmigt. Das ist der eine Prüfungsgang, der zweite ist die Bahn als Bauherr, die ja auch haftet. Wenn da einer zu Tod gekommen wäre oder mehrere, dann würde ja die Bahn haften als Bauherr. Die Bahn muss intern prüfen, haben die das uns so vorgeschlagen oder haben wir was geändert, wen haben wir damit beauftragt. Das heißt, das wird ein schwieriger Prüfvorgang und da wird man, wenn man vernünftig ist und schnell machen will, alle Beteiligten an den Tisch holen und jedem sagen, bring du deine Unterlagen mit und jetzt wollen wir mal sehen, wo ist der eigentliche Knackpunkt, wer hat festgelegt, dass diese Träger eben nicht verschweißt, nicht verschraubt, auch nicht durch Nasen gesichert werden, sondern nur aufliegen, und entsprach das den Vorschriften oder war das ein Risiko?
Frage an den ehemaligen Präsidenten der Bundesarchitektenkammer Peter Conradi! Wo kann denn die Verantwortung in diesem Fall liegen?
Conradi: Nun, da gibt es ein engmaschiges Netz von zahlreichen Beteiligten, einmal die Bauherrschaft, die hier nach einem Wettbewerb einen Architekten ausgesucht, der Architekt, der seinerseits dann einen Tragwerksplaner aussucht, der nicht nur ein Gehilfe ist, sondern bei einem solch schwierigen Bauwerk an der Gestalt mitarbeitet. Dann ist die Frage, wer hat die Ausführungsplanung, die Werkplanung gemacht, ich nehme an, noch der Architekt und der Tragwerksplaner. Dann ist die Frage, wer hat ausgeschrieben, wie ist es ausgeschrieben worden an die Baufirmen, wer hatte die Aufträge vergeben, wer hatte die Bauleiter und wer hat das überwacht und wer hat das Bauwerk am Schluss abgenommen. Halt! Einen habe ich vergessen: Zwischendrin muss der Bau natürlich vom Land Berlin genehmigt werden, das heißt, der braucht eine ganz normale Baugenehmigung, bei der dann auch die Statik geprüft wird. Sie sehen, also ein dichtes Netz von Beteiligten.
Schäfer-Noske: Aber wer überprüft denn letztendlich, ob so ein riesiges Gebäude sturmfest ist?
Conradi: Normalerweise wird eine Tragwerksplanung von einem Prüfingenieur überprüft, das heißt, ein unabhängiger Ingenieur prüft das, was der Tragwerksplaner vorgeschlagen hat, damit der Bauherr eine Sicherheit hat. Das Ding steht nachher und ist richtig gerechnet, und der Prüfingenieur teilt dann in dem Fall der Aufsichtsbehörde, also dem Land mit, ich habe das geprüft und das ist in Ordnung. Wie weit da jetzt im Einzelnen drin stand in dem Bauantrag, wie diese Träger da festgemacht sind, ob sie nur aufliegen oder verschraubt sind, das muss man feststellen, wie war das geplant. Das ist die erste Frage, da gibt es ja Pläne und Zeichnungen, wobei ich mir schon denken kann, dass ein zwei Tonnen schwerer Träger, der selber nichts zu tragen heißt, eigentlich ist es komisch, dass er Träger heißt, denn das ganze Ding ist ja außen nur für Show. Das Ganze simuliert ein tragendes Baugerüst um diesen Glasbau herum, und ich kann mir schon vorstellen, dass ein zwei Tonnen schwerer Träger nur aufliegt, weil kein Mensch annimmt, dass ein Sturm den runter wirft.
Schäfer-Noske: Das heißt, aus statischer Sicht wäre das eigentlich gar nicht zu beanstanden?
Conradi: Das weiß ich nicht. So genau kenne ich die statischen Vorschriften nicht, ob man den nun sichern muss. Nun muss man auch sehen, dass das Bauwerk ja arbeitet, das heißt bei Wärme und Kälte sich verändert, das heißt, der Stahl dehnt sich aus, zieht sich zusammen. Also wenn es angeschraubt würde, müsste es auf jeden Fall so angeschraubt werden, dass die Dehnungen oder die Schrumpfungen des Stahls aufgenommen werden, also mit langen Löchern, in denen die Schraube hin und her sich bewegen kann, oder auch Windlast, wenn das Gebäude sich bewegt, muss ja Spiel sein. Wenn jetzt, wie ich lese, nur eine Nase drüber geschweißt wird, dann ist das eine Sicherung gegen das Herausfallen, und wenn die fest genug angeschweißt ist und auch entsprechende Kraft hat, dann sollte das ausreichen.
Schäfer-Noske: Der Berliner Hauptbahnhof soll ja eine Milliarde Euro gekostet haben. Wie groß ist denn da normalerweise in einem solchen Fall der Sicherheitsetat, wenn man so will?
Conradi: Keine Ahnung. Das ist aber in den Kosten drin, also das ist beim Architekten, beim Tragwerksplaner und beim Prüfingenieur, das gehört überall dazu. Aber jetzt muss unabhängig geprüft werden, und da ist nach meiner Auffassung zuerst einmal das Land Berlin und die Stadt Berlin dran, die prüft, wie waren denn die Genehmigungsvorgänge, was haben uns die Freunde da vorgeschlagen, was hat der Prüfingenieur gesagt, haben wir das genehmigt. Das ist der eine Prüfungsgang, der zweite ist die Bahn als Bauherr, die ja auch haftet. Wenn da einer zu Tod gekommen wäre oder mehrere, dann würde ja die Bahn haften als Bauherr. Die Bahn muss intern prüfen, haben die das uns so vorgeschlagen oder haben wir was geändert, wen haben wir damit beauftragt. Das heißt, das wird ein schwieriger Prüfvorgang und da wird man, wenn man vernünftig ist und schnell machen will, alle Beteiligten an den Tisch holen und jedem sagen, bring du deine Unterlagen mit und jetzt wollen wir mal sehen, wo ist der eigentliche Knackpunkt, wer hat festgelegt, dass diese Träger eben nicht verschweißt, nicht verschraubt, auch nicht durch Nasen gesichert werden, sondern nur aufliegen, und entsprach das den Vorschriften oder war das ein Risiko?