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Das Wirtschaftswunder weicht der Realität

Eine Schließungswelle rollt durch das Perlflussdelta. Allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres haben offiziell 7.148 Firmen in Guangdong pleite gemacht. Hinzu kommen Standortschließungen und Produktionspausen. Jahrzehntelang war die südchinesische Provinz ein Mekka für die arbeitsintensive Billigproduktion: Spielzeuge, Textilien, Haushaltswaren, jede Art der Leichtindustrie.

Von Markus Rimmele | 20.12.2008
    Zu Hunderten kauern sie auf dem Bahnhofsvorplatz, verschwinden fast zwischen ihrem riesigen Schnürgepäck, und das schon im Dezember. Sie sammeln sich in Gruppen, rauchen, essen, schwatzen, hieven ihr Hab und Gut auf den Rücken, gehen schließlich ins Gebäude, steigen in Fernzüge. Eigentlich dürfte es hier am Hauptbahnhof von Guangzhou erst in sechs Wochen so aussehen, zum chinesischen Neujahrsfest, wenn alle nach Hause fahren. Die Szenerie ist ein Warnzeichen. Es ist etwas faul im Perlflussdelta. Die Wanderarbeiter reisen ab.

    "Wegen der Krise sollen wir in meiner Firma jetzt Urlaubstage nehmen. Ich mache das jetzt. Die haben wenige Aufträge und drosseln die Produktion. Wer nicht in Urlaub geht, wird rausgeschmissen. Die anderen können vielleicht nach ein, zwei Monaten weiterarbeiten."

    Wang Gang sitzt mit ein paar Freunden direkt am Bahnhofseingang, neben sich ein großer Rucksack mit seinen Habseligkeiten. Er hat jetzt eine 19-stündige Zugfahrt vor sich bis in seine Heimatprovinz Guizhou. Wang Gang ist zwanzig Jahre alt. Seit mehr als drei Jahren arbeitet er in den Fabriken hier unten in der Provinz Guangdong, zuletzt in der Handyproduktion in Shenzhen. Es sieht ganz schlecht aus in der Gegend, erzählt er. Viele seiner Freunde haben keinen Job mehr. Manche sind auf der Suche nach einem neuen, andere brechen die Zelte ab, so wie er.

    "Ich nehme jetzt zwar Urlaub, aber ich will nicht zurückkommen. Mein Vater hat ein Auto. Ich kann einen Führerschein machen und für ihn arbeiten. Der macht Einrichtungen."

    Neben Wang Gang lehnt die 19-jährige Wang Lin an der Wand. Sie begibt sich gleich auf eine mehr als 30-stündige Reise ins Heimatdorf in der Provinz Hubei. Wang Lin arbeitet in einer koreanischen Firma in Guangzhou, ebenfalls Handybranche. Mit vierzehn kam sie her, seither verdient sie Geld an den Fließbändern des Perlflussdeltas. Zum ersten Mal muss sie jetzt für zwei Monate in Zwangsurlaub.

    "Alle sind gerade in Panik wegen der Krise. Wir müssen ja alle von etwas leben. Das ist ein großer Druck. Wegen der Krise verlieren viele ihren Job. Und es ist schwer, einen neuen zu finden."

    Die Gruppe mit den jungen Arbeitern ist freundlich. Andere sind es nicht. An der ganzen Krise sind doch die Amerikaner Schuld, ruft einer wütend, und es wirkt, als wollte er den westlichen Journalisten gleich mitverantwortlich machen.

    Vergleich:
    Die Provinz Guangdong rund um das Perlflussdelta. Vor 30 Jahren eine rückständige, arme Region, heute die reichste Provinz Chinas, die 30 Prozent des chinesischen Exports erwirtschaftet. Damals Landwirtschaft, heute eines der größten Industriegebiete der Welt. Damals 52 Millionen Menschen, heute knapp 100 Millionen.

    Drei Jahrzehnte lang boomte die Provinz im Norden Hongkongs, wurde zur sprichwörtlichen Fabrik der Welt. Das Entwicklungstempo - historisch einmalig. Jetzt, 30 Jahre nach Beginn der chinesischen Öffnungspolitik, pünktlich zum Jahrestag, steckt die Region in tiefen Schwierigkeiten. Und das liegt nicht nur an der internationalen Finanzkrise, sagt Guo Wanda. Er ist der Vizepräsident des China Development Institute CDI in Shenzhen, einem wirtschaftspolitischen Think Tank.

    "Seit dem vergangenen Jahr haben hier die Gesamtkosten für die Unternehmen stark zugenommen. Die Löhne sind angestiegen. Dann gibt es ein neues Gesetz zum Schutz der Arbeiterrechte. Das verursacht Kosten, ebenso die neue Umweltgesetzgebung. Dazu drückt die Aufwertung des chinesischen Renminbi aufs Exportgeschäft. Und jetzt mit der weltweiten Finanzkrise ist auch noch die Nachfrage aus den USA und Europa eingebrochen. Es kam alles fast gleichzeitig. Kostenexplosion und Finanzkrise. Die Firmen im Perlflussdelta sagen: Der Winter kommt."

    Viele Firmen hat der wirtschaftliche Winter schon hinweggerafft. Besuch in Shenzhen, direkt an der Hongkonger Grenze gelegen. Stadtteil Baoan, wo die Fabriken sind. Totenstille hinter dem Werkstor von Peace Mark, einem Hongkonger Unternehmen. Noch im Oktober setzten hier mehr als 600 Arbeiter Armbanduhren zusammen. Jetzt sind alle entlassen. Hinter der Schranke sitzen nur noch ein paar dösende Wachleute. Bislang hat sich keiner die Mühe gemacht, das rote Banner über dem Eingang abzuhängen. "Unsere Produkte sind von bester Qualität. Und wir liefern immer rechtzeitig", steht da. In mehreren Fabriken der Nachbarschaft sieht es genauso aus. Ein Mann um die fünfzig kommt vorbei. Li Zhenzhen heißt er und stammt aus der Provinz Sichuan, sagt er.

    "Früher wurde in meiner Firma nach drei Monaten das Gehalt bezahlt. Nach viereinhalb Monaten hatte ich es aber letztens immer noch nicht. Da habe ich gekündigt. Ich habe aber nicht locker gelassen. Am Ende hat mein Chef gezahlt, aber weniger. Er sagte, das Geschäft läuft nicht gut."

    Eine Schließungswelle rollt durch das Perlflussdelta. Allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres haben offiziell 7.148 Firmen in Guangdong pleite gemacht. Hinzu kommen Standortschließungen und Produktionspausen. Jahrzehntelang war die südchinesische Provinz ein Mekka für die arbeitsintensive Billigproduktion: Spielzeuge, Textilien, Haushaltswaren, jede Art der Leichtindustrie. Pro Jahr 34 Millionen Mikrowellen, Kunstblumen im Exportwert von 300 Millionen Euro. Am heute hoch verschmutzten Perlfluss begann vor drei Jahrzehnten Chinas Wirtschaftswunder. Heute geht die Region durch den umfassendsten Strukturwandel ihrer Geschichte. Einen politisch gewollten Wandel allerdings. Michael Enright, Wirtschaftsprofessor an der Universität Hongkong.

    "Die neuen Umweltgesetze und das Arbeitsgesetz, das seit dem 1. Januar in Kraft ist, dürften den Menschen in anderen Ländern bekannt vorkommen. Die Regierung zwingt verschmutzende Industrien einfach, sauber zu werden. Und sie hat die Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt eingeschränkt. Firmen haben es nun mit schriftlichen Arbeitsverträgen zu tun. Viele Unternehmen konnten bislang je nach Auftragslage saisonal Arbeiter einstellen. Doch jetzt ist es viel schwieriger, Leute nur temporär in den Spitzenzeiten zu beschäftigen."

    Die ohnehin geringen Gewinnmargen in der Billigfertigung schrumpfen unter den neuen Bedingungen auf Null zusammen. Die Zeiten ungezügelter Umweltzerstörung und Sweatshop-Produktion gehen dem Ende zu in Guangdong. Es sollte eigentlich ein sanfter, allmählicher Wandel werden. Doch die internationale Finanzkrise hat das Fabrikensterben beschleunigt, mehr, als der Regierung in Peking und den Provinzialbehörden lieb ist. Das Gespenst sozialer Unruhen geht um. Als die Uhrenfabrik von Peace Mark in Shenzhen schloss, protestierten Hunderte Arbeiter und verlangten ausstehende Löhne. Manche Unternehmer, oft aus Hongkong, Taiwan, Südkorea, schließen über Nacht und machen sich einfach aus dem Staub. Von überall werden Proteste gemeldet.
    Die Arbeiter sind sich auch immer häufiger ihrer Rechte bewusst. Ein Stadtteilgericht von Dongguan, einer anderen 10-Millionen-Stadt im Perlflussdelta, hat einen neuen chinesischen Rekord aufgestellt. Jeder der dreizehn Richter muss in diesem Jahr statistisch gesehen 600 Fälle behandeln. Arbeiter klagen gegen ihre Chefs, wollen Monatslöhne, Überstunden, Abfindungen bezahlt bekommen. Die Krise ist nicht ungefährlich für Chinas soziale Stabilität. Michael Enright.

    "Die Krise hat dieses Potenzial, je nach dem wie die Behörden auf Proteste reagieren. Es ist beachtlich, wie etwa in Guangdong die Städte und die Provinzregierung einspringen, wenn Firmen zum Beispiel Pflichtabfindungen nicht bezahlen. Ohne viele Fragen zu stellen, leistet der Staat den Arbeitern Kompensation. Das schafft Vertrauen und zeigt den Arbeitern: Da ist eine Regierung, die uns beisteht und bereit ist zu handeln."

    Entschädigung ist das eine. Die Zukunft der arbeitslosen Wanderarbeiter das andere. Fürs erste fahren sie zurück in die alte Heimat. Der Bürgermeister von Chongqing in Zentralchina verkündet für Oktober allein 100.000 zurückgekehrte Wanderarbeiter. Die Provinz Hubei verzeichnet seit Beginn der Krise mehr als 300.000 Rückkehrer, erwartet eine ganze Million bis Chinesisch-Neujahr Ende Januar. Die chinesische Wirtschaft braucht ein Wachstum von sieben bis acht Prozent, um den ständigen Zufluss neuer Arbeitskräfte zu absorbieren. Im kommenden Jahr könnte das Wachstum unter diese Schwelle rutschen. Und schon jetzt strömen die Arbeiter aus den entwickelten Küstenregionen heraus, allen voran aus dem Perlflussdelta. Viele Heimkehrer werden ihren Familien in der Landwirtschaft helfen, abwarten, bis die Lage in der Industrie wieder besser wird. Städte wie Shenzhen spüren das längst.

    Vergleich:
    Shenzhen. 1980 ein Dorf mit 30.000 Menschen, heute eine Wolkenkratzermetropole mit 12 bis 14 Millionen Einwohnern, je nach Schätzung. Damals 8 Hotels, heute 500. Damals eine arme Häuseransiedlung ohne befestigte Straßen. Heute die Stadt mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen in Festlandchina und neben Berlin, Montreal, Buenos Aires die neue UN City of Design, eine Auszeichnung für das kreative Potenzial einer Stadt.

    "Die Leute haben heute weniger Geld, und viele ziehen weg, weil die Fabriken schließen. Die Mieten sinken jetzt. Früher hat ein Zimmer umgerechnet 80 Euro gekostet, jetzt nur noch 60. Und trotzdem will keiner mieten."

    Li Yunna beobachtet die Entwicklung in ihrem Viertel in Shenzhen mit Sorge. Sie arbeitet in einem kleinen Lebensmittelgeschäft, kennt die Menschen hier im Arbeiterviertel. Sie sieht zu, wie täglich Leute abreisen - nach Sichuan, nach Anhui, nach Hunan. Das gab es noch nie hier. Shenzhens kometenhafter Aufstieg begann 1980. Unter Deng Xiaoping wurde hier, direkt an der Hongkonger Grenze die erste Sonderwirtschaftszone Chinas gegründet. Guo Wanda vom China Development Institute:

    "Insgesamt wurden in China am Anfang vier Sonderwirtschaftszonen eingerichtet, drei davon im Perlflussdelta. So kam der Frühling nach Südchina. Mit der Öffnungspolitik kamen ausländische Investitionen aus den USA, Japan, Hongkong, Taiwan, Deutschland. In diesen Ländern wurde die Produktion zu teuer. Firmen verlegten die Fabriken ins Perlflussdelta. Gleichzeitig zogen die Menschen aus Chinas Binnenprovinzen in die Gegend, waren billige Arbeitskräfte. Shenzhen war in diesem Prozess am erfolgreichsten, weil es direkt bei Hongkong liegt."

    Mit seiner legendären Reise in den Süden im Jahr 1992 brachte Deng Xiaoping die Partei endgültig auf Linie beim wirtschaftlichen Reformkurs. Hoch betagt besuchte er die Sonderwirtschaftszonen im Süden, setzte damit ein Zeichen. Doch heute, 30 Jahre nach Dengs Neuorientierung, funktioniert die alte Wachstumszauberformel aus fremdem Kapital und billiger einheimischer Arbeitskraft nicht mehr. Das Perlflussdelta, und hier wieder allen voran Shenzhen, arbeiten längst an einer neuen. Und die heißt Hightech. Überschattet von der Krise der Leichtindustrie entsteht in der Region Zukunftsträchtiges. Michael Enright von der Universität Hongkong sieht die Entwicklung der Region deshalb gar nicht so düster, trotz der gegenwärtigen Probleme.

    "In den ersten acht Monaten dieses Jahres ging der Bekleidungsexport aus dem Perlflussdelta um fast 30 Prozent zurück. Gleichzeitig aber stieg der Export von Hightech-Produkten um fast 20 Prozent, und der von Automobilgütern um beinahe 70 Prozent. Die Kosten steigen in Südchina, also verdrängt die hochwertige, nicht überraschend, die Billigproduktion. Das ist international nur noch nicht so bekannt. Das liegt daran, dass sehr viele der Firmen in der Leichtindustrie aus Hongkong kommen. Und die sind sehr laut, üben Einfluss auf die Presse aus, um politisch etwas zu erreichen. Viele der expandierenden Firmen in Südchina aber kommen aus Korea, Japan, Europa, Nordamerika. Und die sind viel zurückhaltender, werden weniger beachtet von der internationalen Presse."

    Hongkong fängt hier an, in Lo Wu, dem meistfrequentierten Grenzübergang der Welt. Schilder, Pfeile, Bodenmarkierungen schleusen einen unaufhörlichen Menschenstrom durch das mehrstöckige Abfertigungsgebäude. Lange Schlangen bei den Passkontrollen für Ausländer. Hongkonger Bürger marschieren fast durch, halten nur den Daumen auf ein Glasfensterchen. Biometrische Erkennung. Sofort öffnet sich die Schranke. Auf der anderen Seite wartet ein Zug der Hongkonger U-Bahn. Das Perlflussdelta ist ohne Hongkong nicht vorstellbar. Und Hongkong nicht mehr ohne das Perlflussdelta.

    Vergleich:
    Die Grenze zwischen Shenzhen und Hongkong. 1978 drei Millionen Grenzübertritte in Lo Wu, heute pro Jahr 180 Millionen an fünf Übergängen. Damals eine schwer überwindbare Trennlinie, heute pro Jahr mehr als 6000 Wohnungskäufe von Hongkongern in Shenzhen. Damals eine Grenze zwischen arm und reich, heute ein Bruttoinlandsprodukt in Shenzhen, das schon ein Drittel von dem Hongkongs beträgt.

    Treffen des Bundes der Hongkonger Industrie, einer sehr mächtigen Lobbygruppe in der Stadt.

    "Die verarbeitende Industrie aus Hongkong hat als erste in China investiert. Heute produziert sie dort so ungefähr alles, was Sie in einem Warenhaus an Produkten finden. Wir betreiben etwa 70.000 Fabriken im Perlflussdelta und beschäftigen rund 10 Millionen Arbeiter. Wir machen 25-35 Prozent der Industrie dort aus."

    Clement Chen ist der Vorsitzende des Bundes. Er wird viel in der Presse zitiert in diesen Tagen. Seinen Verbandsmitgliedern geht es schlecht. Er kämpft für eine Teilrücknahme der neuen Arbeitsgesetze in Guangdong. Für Hongkong steht viel auf dem Spiel. Noch bis in die 80-er Jahre war die damals britische Kolonie selbst das Zentrum billiger Massenproduktion. Mit der Öffnung Chinas verlagerten Hongkongs Unternehmer die Fabriken ins Perlflussdelta, wo sie noch billiger produzieren konnten. Heute arbeiten nur noch knapp fünf Prozent der Hongkonger in der verarbeitenden Industrie. Die Stadt ist ein Dienstleistungs- und Logistikzentrum, eine Bürostadt. Im reichen Hongkong sitzen die Chefs, hinter der Grenze im schmuddeligen Perlflussdelta wird geschuftet. 25 Jahre lang war das die Arbeitsteilung. Bequem und lukrativ für Hongkong. Doch das System ist aus dem Gleichgewicht geraten. Traditionelle Hongkonger Billigproduktion hat keine Zukunft in der Region. Auch Clement Chen sieht das mittlerweile ein.

    "Die Unternehmen müssen jetzt hochwertigere Produkte herstellen, damit sie am Markt bleiben können. Das Ergebnis dieser Krise wird sehr hart sein. Wir müssen unser Bestes geben."

    Viele Fabriken werden wohl noch schließen müssen oder umziehen in Chinas arme Binnenprovinzen oder gar nach Vietnam, Kambodscha, Bangladesch. Hongkong selbst muss sich neu positionieren. Die Vorherrschaft in der Region schwindet. Mit sieben Millionen Einwohnern ist die Stadt viel kleiner als die aufstrebenden Delta-Metropolen Shenzhen, Guangzhou, Dongguan. Think Tanks auf beiden Seiten der Grenze entwerfen längst schon eine neue Zukunft. Für eine Hongkonger Sonderrolle ist da kein Platz mehr. Auf dem Programm steht eine neue Megalopolis im Perlflussdelta, ein Zusammenschluss von Hongkong und Shenzhen bis 2020. Die Regierungen auf beiden Seiten der Grenze unterstützen diese Vision. Milliarden fließen in die regionale Infrastruktur. Die wirtschaftlichen Verflechtungen sind ohnehin schon immens. Guo Wanda vom CDI in Shenzhen:

    "Die Metropolregion wird in ihrer Wirtschaftsleistung vergleichbar sein mit den anderen großen Megastädten der Welt, New York City oder Groß-London und anderen. Im Moment haben wir zwar Schwierigkeiten. Aber in 10, 15 Jahren wird es hier sehr gut aussehen."

    Und so ist die gegenwärtige Krise vielleicht nur ein Zeichen des Entwicklungsvorsprungs im Perlflussdelta. Die Billigproduktion verschwindet hier zuerst, da wo sie einst entstand. Der Ökonom Michael Enright sieht eine rosige Zukunft.

    "Schon heute ist das Perlflussdelta die 17.-größte Wirtschaft der Welt. In der Zukunft wird es weiterhin neben dem Jangtse-Delta die reichste Gegend Chinas sein. Es wird führend sein bei der Entwicklung von hochwertigen und Hightech-Industrien. Die Wirtschaft wird bei weitem vielfältiger und vollständiger sein als heute. Das Perlflussdelta bleibt eine der dynamischsten Wirtschaftsregionen der Welt."

    Selbst politisch könnte Chinas Süden eine Vorreiterrolle spielen. Hongkong trägt demokratische Prinzipien ins Perlflussdelta. Das politische Klima hier ist liberaler als im Rest des Landes. Schon heute ist es in Shenzhen durchaus möglich, mehr politische Öffnung zu fordern. Guo Wanda:

    "Wir stehen noch ganz am Anfang. Und es geht in kleinen Schritten. Ich hoffe, ich wünsche mir, dass wir in der Zukunft unser politisches System schneller entwickeln, mit Demokratie und vor allem einem unabhängigen Rechtssystem. Wenn wir ein transparenteres, effizienteres, demokratischeres Rechtssystem haben, dann wird das auch das politische System beeinflussen."

    Wang Lin, die junge Wanderarbeiterin am Bahnhof von Guangzhou, sieht die Zukunft gerade weniger positiv. Jetzt fährt sie erst mal zur Familie nach Hubei.

    "Ich weiß nicht, was ich tun soll und habe wirklich Angst. Hoffentlich geht das alles schnell vorbei und wir können wieder so leben wir vorher. In Hubei gibt es für mich nichts zu tun. Das belastet mich alles sehr."

    Die Rückkehr in den Süden könnte sich lohnen, trotz Krise. Am Perlfluss macht der Boom wohl nur eine Verschnaufpause.