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"Das wundervolle Zwischending"

So ein schrulliger Titel für so einen ulkigen Text; und schon der Plot ist ziemlich komisch - junges Paar mit ganz viel künstlerischen Rosinen im Kopf und ganz wenig Erfolg damit entschließt sich gerade und in wachsender Not kurz vor Ausbruch von "Hartz 4", nunmehr (und wo schon kein anderes Thema den Durchbruch bringt) das eigene, mehr oder minder verkorkste Zusammenleben zum Forschungsobjekt für einen irgendwie experimental-dokumentarischen Film zu deklarieren: Johann und Anne also wie weiland John Lennon selig und Yoko Ono sozusagen in der Einraumsozialwohnung irgendwie im dritten Hinterhof. Der Ton jedoch, der zwischen den beiden Zeit- und Zimmergenossen von heute eingerissen ist nach sieben gemeinsamen Jahren, unterscheidet sich dann doch recht deutlich vom ewigen Schmuse- und Sing-Sang-Lächeln der Hippie-Ikonen damals: hier wird Tacheles gesprochen: mal von ihm und mal von ihr.

    Ein bisschen Zimmerschlacht, ein wenig "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" - die Liebe sei halt kein Ruhekissen, meint er; aber auch kein Nagelbrett, kontert sie. So fetzen und fixieren die beiden einander auf engstem Raum und wissen manchmal kaum, wie und was mit ihnen geschieht dabei; viel Zeit zum Atemholen bleibt ohnehin nicht. Nur ab und an scheinen diese beiden Quäl- und Selbst-Quäl-Geister innezuhalten: wie in schlichtem Staunen über den mitunter blanken Blödsinn, der nach all der Zeit miteinander zum Anlass für Streit oder sonstwas werden kann.

    Ob sie noch im wirklichen oder schon im verfilmten Alltag agieren, darf übrigens immer mal wieder absichtsvoll unklar bleiben - die junge Regisseurin Charlotte Roos, zuvor beim Bochumer 50-Jahre-Schauspielhaus-Fest und beim Start des aktuellen Teams am Züricher Theater Neumarkt aufgefallen, verzichtet zum Glück ganz grundsätzlich auf alles modische Kamera- und Mikrophon-Getue; und verlässt sich auf die innere Wirkung und Bindekraft eines ganz-ganz kleinen Kammerspiels; nur ein paar schnelle Lichtwechsel helfen mal hinüber und herüber zwischen Film und Wirklichkeit, Alptraum und Traum. Zufrieden werden die ineinander verbissenen Liebenden und Leidenden wohl eher nicht mehr sein; zufrieden mit beidem, Leben und Liebe, Alltag und Traum. Dazwischen übrigens ist wohl all das, was "Das wundervolle Zwischending" sein und bedeuten kann.

    Aber dann. Dann schaut immer mal wieder Bertram vorbei. Der kommt vom Amt und ist so eine Art Sozial-Detektiv. Sie beziehen Sozialhilfe? fragt er; und: Fühlen Sie sich dazu berechtigt? Was hat die Gesellschaft davon, dass sie Sie alimentiert? Klingt schrecklich herzlos, hat aber herzlichste Folgen - Bertram stellt sich zwar zunächst ein bisschen dämlich an und dummerhaft, aber er weiß eben auch, wo überall Fördermittel für den Film abzugreifen wären. Und Anne, Film-Profi, die sie sein will, ist für derlei Lockung zu haben: Prompt führt sie den dicklichen kleinen Schnüffler vom Amt gar als spannungssteigernde Figur in den Film-Plot ein: Damit der ulkige Rivale die Story von John und Yoko im Hinterhof endlich mal voran und auch zu Ende bringt. Ob dann tatsächlich die alte Liebe aus ist oder doch nur der Film, ob nicht vielleicht sogar die ganze flinke Fabel, inklusive Amtmann, nur der schrullige Einfall dreier verkrachter Filmstudenten gewesen sein könnte, die am Schluss mit munterem "Was machen wir jetzt?" aufbrechen zum nächsten schrägen Scherz - Heckmanns und Roos lassen noch das Finale hübsch wackelig in der Schwebe; welche Pointe letztlich die schönere wäre, dürfen wir uns selber aussuchen.

    Ein Hauch von Nichts und bestenfalls viel heiße Luft - so besingt das Stück sich selbst. Heckmanns steckt voll von derart entspannten Selbstironien; Roos nutzt sie für allerhand scharf gezeichnete Abstürze aus den Charakter-Klischees. Vielleicht ist ja "Das wundervolle Zwischending" tatsächlich mal der Glücksfall intelligenten Boulevard-Handwerks aus einheimischer Text-Produktion. Und die erste Probe aufs Exempel gelingt in Hannover nach zeitweiligem Wackeln zuvor schlussendlich beinahe furios: weil Mila Dargies, Christian Erdmann und Matthias Buss sich mit Heckmanns-Ironie bis kurz vor die Grenzen der Überlast wagen, und weil das Inszenierungsteam um Charlotte Roos dem kleinen Text vertraut, ihn nicht auf- und mit Brimborium überlädt. Witzig und frech, ein bisschen gaga und ein bisschen verzweifelt ist er sowieso, und immer und für jeden ein bisschen anders, "Das wundervolle Zwischending" eben.

    Dann ist nach bestenfalls 60 Minuten alles schon wieder vorbei, aber gerade weil es im Grunde auch immer so weiter gehen könnte. Dieses war der jüngste Streich, und der nächste folgt (hoffentlich) gleich.