Beim Gründervater der Modernen Olympischen Spiele hatten Frauen keinen guten Stand. Pierre de Coubertin hätte am liebsten keine Frau im Sportdress gesehen.
"Das erste und wesentliche Charakteristikum des antiken und auch des modernen Olympionismus ist es, eine Religion zu sein."
Zu dieser Religion erhielten Frauen nur zögerlich Zugang: 1900, bei den Spielen in Paris, spielten einige wenige Tennis und Golf, vier Jahre später schossen in St. Louis Frauen auch mit dem Bogen. 1908 kam der Eiskunstlauf dazu. Von den Kernsportarten der Spiele – Laufen, Werfen und Springen – hielt das IOC sie lange fern. Die Leichtathletik galt als ausgesprochen unfraulich. In den 1920er Jahren wuchs jedoch der Druck der Weltfrauensportbewegung, die besonders in Frankreich von Alice Milliat angeführt wurde, berichtet Sporthistorikerin Gertrud Pfister.
"Dieser Verband wurde 1921 gegründet, hat in der Folgezeit Frauenweltspiele organisiert und hat sogar dem Internationalen Olympischen Komitee gedroht, eigene große Olympische Spiele für Frauen zu veranstalten. Diese französische Frauensportvereinigung, und auch die internationale, haben sich besonders dafür eingesetzt, dass leichtathletische Wettkämpfe für Frauen zugelassen werden würden."
Die Weltfrauensportbewegung forderte zwölf Leichtathletik-Disziplinen im Olympiaprogramm, das IOC hielt dagegen. Schließlich lief es auf den Kompromiss von fünf Frauenwettbewerben hinaus. Die Männer hingegen kämpften 1928 in 22 Disziplinen! Sehr ungleich im Verhältnis zum heutigen Proporz "23 zu 24". Seit dem 29. Juli 1928 durften Frauen also endlich im 100m- und 800m-Lauf antreten, sowie im Hochsprung und Diskuswerfen, ferner in der 4x100m-Staffel. Bei der damals längsten Laufstrecke für Frauen hatte Lina Radke vom VfB Breslau im Ziel drei Meter Vorsprung . Die 24-Jährige mit dem adretten Bubikopf wurde mit Weltrekord von 2:16,8 Minuten zur ersten deutschen Olympiasiegerin in der Leichtathletik, so Reporter Gustav Schwenk.
"Sie war als eine der wenigen auf den 800m-Lauf vorbereitet, da sie ja vorher schon 1926 deutsche Meisterin über 1000m war. Und 1927 war sie auch die erste deutsche Meisterin über 800m, weil man diesen Wettbewerb eingeführt hat bei deutschen Meisterschaften, da er olympisch wurde. Es war sicherlich ihr Karrierehöhepunkt, auch weil dann die 800m als unfraulich verboten wurden."
Der Sieglauf von Lina Radke hatte ein denkwürdiges Nachspiel, wie ein Beobachter andeutet:
"Leider haben sich die betreffenden Siegerinnen nach dem 800m-Lauf mehr oder weniger erschöpft – menschlich absolut verständlich - ins Gras geworfen. Und das wurde damals als so undamenhaft empfunden, dass man sagte, solche Bilder sollen sich nicht wiederholen."
Das IOC nahm den Anblick keuchender Frauen als Beweis dafür, dass die Distanz zu anstrengend für sie sei. Deswegen wurden die 800m bis einschließlich 1956 aus dem Olympiaprogramm verbannt! Eine herbe Konsequenz - besonders für die deutsche 800m-Siebte von 1928, Marie Dollinger. Die Nürnbergerin stellte 1931 – auf den Tag genau drei Jahre nach Radkes Olympiasieg – deren 800m-Weltrekord ein. 1932 fehlten jedoch die 800m im Programm von Los Angeles. Dollinger wurde die einzige deutsche Leichtathletin, die vor dem Zweiten Weltkrieg dreimal an Olympischen Spielen teilnahm. Doch blieb ihr – aus sehr unterschiedlichen Gründen - stets eine Medaille verwehrt, berichtet Gustav Schwenk, der sie persönlich kannte:
"Die jüngste von den deutschen Läuferinnen, es gab vier, war Marie Dollinger, die dann später eine sehr gute Sprinterin und eigentlich der große Pechvogel in der Leichtathletik war. Einmal, weil sich später heraus stellte, dass sie, wie sie zweimal Vierte war, jeweils einmal eine Läuferin vor ihr war, die später bei einem Überfall auf einen Supermarkt ums Lebens kam, und bei der Obduktion hat man festgestellt, sie war ein Mann. (Und sie hätte zwei Medaillen gehabt.) Und dann hat sie in Berlin 1936 den Stab zum letzten Wechsel in der viermal 100m-Staffel mit zehn Metern Vorsprung gebracht. Aber die Dame, die ihn übernehmen sollte, hat ihn fallen gelassen, so dass sie dort um den Olympiasieg gekommen ist."
Übrigens: Frust gab es bei den Spielen von 1928 in Amsterdam auch im Publikum. Eigentlich wollten die Zuschauer nach Herzenslust Fotos von den Wettkämpfen machen, berichtet Sporthistoriker Karl Lennartz.
"Merkwürdig war, dass es bei den Spielen zum ersten Mal so etwas gab wie Alleinvertretungsansprüche einer Firma. Eine holländische Firma hatte die Rechte an den Fotos gekauft, so dass die Zuschauer daran gehindert wurden, die Fotoapparate mit ins Stadion zu nehmen."
"Das erste und wesentliche Charakteristikum des antiken und auch des modernen Olympionismus ist es, eine Religion zu sein."
Zu dieser Religion erhielten Frauen nur zögerlich Zugang: 1900, bei den Spielen in Paris, spielten einige wenige Tennis und Golf, vier Jahre später schossen in St. Louis Frauen auch mit dem Bogen. 1908 kam der Eiskunstlauf dazu. Von den Kernsportarten der Spiele – Laufen, Werfen und Springen – hielt das IOC sie lange fern. Die Leichtathletik galt als ausgesprochen unfraulich. In den 1920er Jahren wuchs jedoch der Druck der Weltfrauensportbewegung, die besonders in Frankreich von Alice Milliat angeführt wurde, berichtet Sporthistorikerin Gertrud Pfister.
"Dieser Verband wurde 1921 gegründet, hat in der Folgezeit Frauenweltspiele organisiert und hat sogar dem Internationalen Olympischen Komitee gedroht, eigene große Olympische Spiele für Frauen zu veranstalten. Diese französische Frauensportvereinigung, und auch die internationale, haben sich besonders dafür eingesetzt, dass leichtathletische Wettkämpfe für Frauen zugelassen werden würden."
Die Weltfrauensportbewegung forderte zwölf Leichtathletik-Disziplinen im Olympiaprogramm, das IOC hielt dagegen. Schließlich lief es auf den Kompromiss von fünf Frauenwettbewerben hinaus. Die Männer hingegen kämpften 1928 in 22 Disziplinen! Sehr ungleich im Verhältnis zum heutigen Proporz "23 zu 24". Seit dem 29. Juli 1928 durften Frauen also endlich im 100m- und 800m-Lauf antreten, sowie im Hochsprung und Diskuswerfen, ferner in der 4x100m-Staffel. Bei der damals längsten Laufstrecke für Frauen hatte Lina Radke vom VfB Breslau im Ziel drei Meter Vorsprung . Die 24-Jährige mit dem adretten Bubikopf wurde mit Weltrekord von 2:16,8 Minuten zur ersten deutschen Olympiasiegerin in der Leichtathletik, so Reporter Gustav Schwenk.
"Sie war als eine der wenigen auf den 800m-Lauf vorbereitet, da sie ja vorher schon 1926 deutsche Meisterin über 1000m war. Und 1927 war sie auch die erste deutsche Meisterin über 800m, weil man diesen Wettbewerb eingeführt hat bei deutschen Meisterschaften, da er olympisch wurde. Es war sicherlich ihr Karrierehöhepunkt, auch weil dann die 800m als unfraulich verboten wurden."
Der Sieglauf von Lina Radke hatte ein denkwürdiges Nachspiel, wie ein Beobachter andeutet:
"Leider haben sich die betreffenden Siegerinnen nach dem 800m-Lauf mehr oder weniger erschöpft – menschlich absolut verständlich - ins Gras geworfen. Und das wurde damals als so undamenhaft empfunden, dass man sagte, solche Bilder sollen sich nicht wiederholen."
Das IOC nahm den Anblick keuchender Frauen als Beweis dafür, dass die Distanz zu anstrengend für sie sei. Deswegen wurden die 800m bis einschließlich 1956 aus dem Olympiaprogramm verbannt! Eine herbe Konsequenz - besonders für die deutsche 800m-Siebte von 1928, Marie Dollinger. Die Nürnbergerin stellte 1931 – auf den Tag genau drei Jahre nach Radkes Olympiasieg – deren 800m-Weltrekord ein. 1932 fehlten jedoch die 800m im Programm von Los Angeles. Dollinger wurde die einzige deutsche Leichtathletin, die vor dem Zweiten Weltkrieg dreimal an Olympischen Spielen teilnahm. Doch blieb ihr – aus sehr unterschiedlichen Gründen - stets eine Medaille verwehrt, berichtet Gustav Schwenk, der sie persönlich kannte:
"Die jüngste von den deutschen Läuferinnen, es gab vier, war Marie Dollinger, die dann später eine sehr gute Sprinterin und eigentlich der große Pechvogel in der Leichtathletik war. Einmal, weil sich später heraus stellte, dass sie, wie sie zweimal Vierte war, jeweils einmal eine Läuferin vor ihr war, die später bei einem Überfall auf einen Supermarkt ums Lebens kam, und bei der Obduktion hat man festgestellt, sie war ein Mann. (Und sie hätte zwei Medaillen gehabt.) Und dann hat sie in Berlin 1936 den Stab zum letzten Wechsel in der viermal 100m-Staffel mit zehn Metern Vorsprung gebracht. Aber die Dame, die ihn übernehmen sollte, hat ihn fallen gelassen, so dass sie dort um den Olympiasieg gekommen ist."
Übrigens: Frust gab es bei den Spielen von 1928 in Amsterdam auch im Publikum. Eigentlich wollten die Zuschauer nach Herzenslust Fotos von den Wettkämpfen machen, berichtet Sporthistoriker Karl Lennartz.
"Merkwürdig war, dass es bei den Spielen zum ersten Mal so etwas gab wie Alleinvertretungsansprüche einer Firma. Eine holländische Firma hatte die Rechte an den Fotos gekauft, so dass die Zuschauer daran gehindert wurden, die Fotoapparate mit ins Stadion zu nehmen."