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Das zweite Album von Liima
Improvisation statt Tüftelei

Die dänischen Indiehelden Efterklang basteln sonst fein ziselierten Pop. Nun erscheint "1982", ihr zweites Album mit dem finnischen Künstler Tatu Rönkkö. Als Liima haben sich die fünf rasantes Arbeiten verordnet. Und Erstaunliches dabei gelernt.

Von Bernd Lechler |
    Violinist Peter Broderick, Sängerin Katinka Fogh Vindelev, Bassgitarrist Rasmus Stolberg, Sänger Casper Clausen, Schlagzeuger Tatu Ronkko und Keyboarder Mads Brauer (v. l. n. r.) der dänischen Band Efterklang bei einem Konzert in Budapest am 1. Dezember 2012.
    Gehen unter dem Namen "Liima" mit ihrem bereits zweiten Album neue musikalische Wege: Die Band Efterklang, wie sie ursprünglich heißt, bei einem Konzert in Budapest. (picture alliance / dpa / Balazs Mohai)
    Dieses Album stellt existenzielle Fragen! Blickt in die Zukunft und reflektiert die Vergangenheit! Das steht jedenfalls im Info. Etwas enttäuschend, wenn dann die Band erst mal überlegen muss, was an 1982 noch mal so besonders war. Ein Song heiße halt so, ihr Sänger sei da geboren und der PC war "Person des Jahres".
    "Als Kinder hatten wir diese sehr kurzlebigen digitalen Gadgets, die dann immer raffinierter wurden. Ich fand Computer toll, die waren wie ein Tor in eine andere Realität."
    Geschenkt. Dass "1982" kein echtes Konzeptalbum ist, signalisiert schon der zweite Track namens "David Copperfield": Charles Dickens veröffentlichte seinen Roman schließlich nicht 1982, sondern 1849. Aber der ist eh nicht gemeint. Sondern der zaubernde Entertainer. Aus auch gar nicht so existenziellen Gründen.
    "Der Arbeitstitel war "Harry Potter". So nennen wir Mats manchmal, wegen seiner runden Brille - und weil seine Synth-Sounds manchmal die reinste Zauberei sind. Aber bei unserem Label City Slang haben sie uns abgeraten: Der Name sei geschützt. Dann entdeckte Casper, dass ein anderer, wenngleich nicht echter Zauberer, nämlich David Copperfield, ein Einzelkind ist. Und eine zentrale Zeile in dem Song lautet: 'Ich würde mich ja gern benehmen, aber ich bin Einzelkind'."
    Mit den Ohren des Publikums hören
    Diese perlenden Arpeggios klingen auch eher nach den Siebzigern, nach analoger Ära. Und nach Improvisation satt Tüftelei.
    "Unser Produzent Chris sagte: 'Probier doch mal ein langes Intro, mal sehen, was passiert.' Das tat ich. Nur ein Take, irgendwann stiegen die anderen mit ein. Das heißt, die standen alle um mich rum, wir haben das nicht hinterher zusammengebaut. So was schafft eine ganz besondere Spannung."
    Sänger Casper Clausen (l) und Bassgitarrist Rasmus Stolberg der dänischen Indie-Rock Band Efterklang bei einem Konzert in Budapest am 1. Dezember 2012.
    Sänger Casper Clausen (l) und Bassgitarrist Rasmus Stolberg der dänischen Indie-Rock Band Efterklang bei einem Konzert in Budapest. (picture alliance / dpa / Balazs Mohai)
    Sie haben ihre Arbeitsmethode vom ersten Album beibehalten: Vier mal eine Woche Klausur (in London, Kopenhagen, Portugal, Berlin), meist in Hotels, immer ohne vorgefasste Ideen oder Songfragmente. Stattdessen improvisieren, schreiben, aufnehmen - und am Ende mit dem Material ein Konzert geben.
    "Das ist wie ein Examen. Du musst fertig werden, du kannst nicht endlos frickeln und sagen: Mal sehen, wie das nächste Woche wirkt. Nein, du musst zusammen entscheiden, was in dem Moment am meisten überzeugt. So ein Auftritt pusht einen also, aber er gewährt auch Einblicke. Denn wenn man einen Song vor Publikum spielt, das ist, als hörte man ihn mit dessen Ohren. Die Leute hören ihn zum ersten Mal, und das überträgt sich, selbst wenn du ihn schon 25 mal gespielt hast. Und du merkst: 'Ah, diese eine Stelle, die mir so wichtig schien, ist gar nicht wichtig. Auf dieses andere Element müssen wir uns konzentrieren!'"
    "Auf einmal hast du Freunde auf der ganzen Welt"
    Über die Songtexte können wir nicht viel reden, denn Sänger und Texter Casper Clausen gibt anderswo Interviews. Entstanden sind die meisten aber bei Liimas letzter Arbeitswoche in Berlin. Ein Teil der Band hat einige Jahre dort gelebt, und auch wenn sie Kopenhagens Musikszene preisen und schon lange ein Label dort betreiben: Die Zeit im viel internationaleren Berlin nähre sie noch heute.
    "Was passiert, wenn Musiker aus dem Ausland nach Berlin gehen? Sie sind alle neu in der Stadt. Alle suchen Freunde und Mitmusiker und Leute, die ihnen helfen können. Und auf einmal blüht da eine Szene, die über die Stadt selbst hinausreicht, und du hast Freunde auf der ganzen Welt."
    Bei Efterklang haben sie detailverliebt mit Samples gepuzzelt oder auch mal einen Mädchenchor gebucht, und neuerdings werkeln sie mit Barockinstrumenten. Wird sicher wieder hörenswert, trotzdem war es eine gute Idee, mal mit gröberen, dafür schwungvolleren Strichen zu arbeiten. "1982" von Lima klingt frisch - und leicht waghalsig. Schließlich würde einem kein Karrierestratege empfehlen, auf eine so gut eingeführt Marke wie Efterklang einfach zu verzichten.
    "Es war stur. Und naiv. Zu glauben, dass das geht, wenn man schon mit einer Band durchs Nadelöhr gekommen ist: Es mit einer neuen noch mal zu schaffen! Aber wir sind eben gern kreativ, da fanden wir es toll, aus der Efterklang-Schublade zu steigen und uns eine neue zu schaffen. Eine neue Sandburg bauen, etwas ganz anderes!"