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Das Zypern-Problem und die Rolle der Türkei

Nach seiner Wahl zum Präsidenten des griechischen Teils Zyperns hatte der Kommunist Dimitris Christofias die Bemühungen um eine rasche Wiedervereinigung mit dem türkischen Teil zum höchsten Ziel erklärt. Mit seinem türkischen Gegenüber, dem Reformer Mehmet Ali Talat, könnte das gelingen. Doch auch Ankara möchte bei den verhandlungen ein Wörtchen mitreden. Heute wird der türkische Ministerpräsident Erdogan in Nordzypern erwartet. Gunnar Köhne berichtet.

    Der türkische Außenminister Ali Babacan muss sich in diesen Wochen wieder und wieder von seinen Amtskollegen in Europa die mitleidige Frage gefallen lassen, wie lange er denn noch zu amtieren hoffe. Schließlich droht seiner Partei, der regierenden Entwicklungs- und Gerechtigkeitspartei AKP, das Verbot durch das türkische Verfassungsgericht. Dieses Verfahren müsse zu einem schnellen Ende kommen, warnte Babacan im türkischen Fernsehen, sonst sei eine erfolgreiche Außenpolitik unmöglich:
    "Was manche "unsere inneren Angelegenheiten" nennen, hat auch Auswirkungen auf unsere Nachbarn im Nahen Osten und auf Europa. Ich kann darum nur hoffen, dass die Türkei diese Krise übersteht, ohne ihre Stabilität zu gefährden."
    Unter dem Vorbehalt der innenpolitischen Krise daheim steht auch der heutige Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan in Nord-Zypern. Vor vier Jahren erntete Erdogan noch Lob und Bewunderung für die große Kehrtwendung, die seine Regierung in der Zypernfrage vollzogen hatte. Erdogan wollte den Stolperstein Zypern aus dem EU-Weg räumen und unterstützte darum den Wiedervereinigungsplan des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan.

    Erst kürzlich war bekannt geworden, dass einige türkische Generäle über den Ausverkauf Zyperns durch Erdogan - wie sie es nannten - so aufgebracht waren, dass sie einen Putsch planten. Der Annan-Plan scheiterte am Ende am Nein der Inselgriechen. Doch auch die für neuen Wiedervereinigungsverhandlungen hätte die türkische Volksgruppe Erdogans volle Unterstützung, beteuert deren Verhandlungsleiter Özdil Nami:
    "Obwohl es in der Türkei derzeit viele Diskussionen gibt - die Unterstützung der Regierung für eine umfassende Friedenslösung steht nach wie vor. Immer wenn die griechisch-zyprische Seite Zweifel an Ankaras Einverständnis hegt, antworte ich ihnen: Was sollen die Mutmaßungen zu diesem Zeitpunkt? Lasst uns eine Einigung erzielen, und dann werden wir ja sehen, ob die Türkei dazu ihre Zustimmung gibt oder nicht."
    Die Türkei ist neben Griechenland und Großbritannien seit der Unabhängigkeit Zyperns eine der drei Garantiemächte der Insel. Das türkische Militär sollte nach dem Willen der meisten Zyperntürken auch nach einer Wiedervereinigung noch eine Weile bleiben - sie fühlen sich vor der griechischen Mehrheit nicht sicher. Der türkische Generalstabschef Büyükanit hat bei einem Besuch Nord-Zyperns im Frühjahr klar gemacht, dass seine 30.000 Soldaten erst dann abziehen würden, wenn ein "gerechter Frieden" gefunden sei. Was er darunter versteht, sagte er nicht.
    Die griechischen Zyprer fordern nicht allein den Abzug der türkischen Truppen, sondern auch die Rückkehr jener 100.000 Festlandstürken, die sich seit der Teilung im Norden der Insel niedergelassen haben. Vor allem aber fordert Nicosia, dass der EU-Mitgliedschaftskandidat Türkei seine Häfen und Flughäfen für südzyprische Schiffe öffnet. Ankara hatte dies der EU zugesichert, fordert aber im Gegenzug eine Lockerung des Embargos gegen den türkischen Norden. Eine gerechte Forderung des großen Bruders, findet Özdil Nami, schließlich sind er und seine türkisch-zyprischen Landsleute heute nur deshalb keine EU-Bürger, weil die griechische Seite die Wiedervereinigung abgelehnt habe:
    "Wir haben vorgeschlagen, dass wir alle Häfen gleichzeitig öffnen. Die Türkei öffnet ihre Häfen für griechisch-zyprische Schiffe und die griechische Seite verhindert nicht länger, dass wir von unseren Häfen aus Handel mit dem Rest der EU treiben können. Es ist nicht fair, von der Türkei zu verlangen, mit dem wohlhabenden Süden Handel aufzunehmen, während wir im Norden weiter in Isolation gehalten werden."
    Zur Zeit klären bilaterale Arbeitsgruppen diplomatische Details, im September dann sollen die Wiedervereinigungsverhandlungen unter Führung des südzyprischen Präsidenten Christofias und seinem türkischen Gegenüber Mehmet Ali Talat wieder aufgenommen werden. Sollte die Türkei ausgerechnet dann nach dem Verbot der Regierungspartei führungslos vor sich hin stolpern, so sagte Talat kürzlich einem türkischen Reporter düster, "könnten die Dinge würden für uns wirklich schlimm werden."